Wie stehen Sie und die Grünen zur verpflichtenden Wehrpflicht? Tragen Sie den Vorhaben der Regierung bei oder halten Sie dagegen?
Im Hintergrund wird anscheinend gerade eine Wehrpflicht geplant. Wenn sie nicht freiwillig wollen (paar tausend junge Menschen), gibt es eben doch eine Pflicht. Sehr beunruhigend.

Lieber Herr L.,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Frieden und Stabilität in Europa und Deutschland sind keine Selbstverständlichkeit mehr. Wir stehen aggressiven Autokraten wie Putin gegenüber, die internationales Recht brechen, ihre Interessen mit militärischer Gewalt durchsetzen und versuchen, unsere demokratischen Gesellschaften zu destabilisieren. Auch Deutschland ist der Einflussnahme durch Desinformation und hybride Angriffe ausgesetzt.
Die Bundeswehr als zentraler Pfeiler unserer Verteidigungsfähigkeit rückt daher wieder in das Zentrum unserer Aufmerksamkeit. Wir setzen uns für eine moderne Truppe ein, die fest in unserer Verfassung und ihren Werten verankert und in der Lage ist, unseren Frieden und unsere Freiheit im Ernstfall auch mit robusten Fähigkeiten und glaubwürdiger Abschreckung militärisch zu sichern. Im engen Schulterschluss mit der NATO und enger europäischer Kooperation muss Deutschland deswegen jetzt auch selbst Verantwortung übernehmen. Sicherheit aber ist mehr als nur Verteidigungsfähigkeit im engeren Sinne. Wir stehen deshalb für einen Sicherheitsbegriff, der sich nicht auf militärische Fähigkeiten verengt, sondern auch die Felder der zivilen Konfliktprävention, der Entwicklungszusammenarbeit und der Humanitären Hilfe umfasst und vor allem die Zivilgesellschaft nicht ausblendet.Die Wiedereinsetzung der 2011 ausgesetzten (jedoch nicht abgeschafften) Wehrpflicht halten wir daher aktuell nicht für zielführend. Erstens sind wir der festen Überzeugung, dass es unter jungen Menschen eine große Bereitschaft gibt, sich für die Gesellschaft zu engagieren – sei es in der freiwilligen Feuerwehr, dem Technischen Hilfswerk, beim zivilen Katastrophenschutz, im Rahmen einer der zahlreichen Angebote für ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr, oder eben bei der Bundeswehr. Solange die von der Bundesregierung bereitgestellten Mittel nicht ausreichen, genügend Plätze in allen diesen Bereich bereitzustellen, ist es aus unserer Sicht nicht angemessen, über ein Zwangsmodell nachzudenken. Weiterhin verfügt die Bundeswehr aktuell gar nicht über die nötigen personellen oder infrastrukturellen Kapazitäten, den von ihr angestrebten Personalaufbau über eine Wehrpflicht zu decken.
Mit Blick auf den Personalbedarf der Bundeswehr setzen wir Grüne stattdessen auf schnelle, pragmatische Maßnahmen, um mehr freiwilliges Personal zu gewinnen. Zum Beispiel halten wir es für sinnvoll, dass junge Menschen durch das Ausfüllen eines Erfassungsbogens erstmals niedrigschwellig mit der Bundeswehr in Kontakt kommen. Damit sich junge Menschen dazu entscheiden, Soldat*in zu werden, müssen zudem attraktive Lebens- und Arbeitsbedingungen gewährleistet werden. Bestehendes Personal muss gehalten, neue Kräfte müssen gezielt angeworben und Ehemalige müssen über die Reserve langfristig an die Bundeswehr gebunden werden. Am wichtigsten bleibt für uns: Sicherheit geht weit über das Militärische hinaus. Wer nun einfach nur eine Rückkehr zur Wehrpflicht fordert und dabei die zivilgesellschaftliche Resilienz aus dem Blick verliert, verfehlt das eigentliche Ziel, verkennt die gesellschaftlich vorhandene Bereitschaft zum Engagement und gefährdet damit letztlich unsere Sicherheit.
Viele Grüße
Team Dröge