Wie positionieren Sie sich hinsichtlich der Forderung der Rentner nach Erstattung der zu viel eingeforderten Pflegebeiträge?
Zum 1. Januar wurde der Beitragssatz zur Pflegeversicherung um 0,2 Prozent auf 3,6 Prozent erhöht. Hintergrund ist die PBAV 2025.
Während Arbeitnehmer die Anpassung direkt im Januar spürten, mussten die Rentenbezieher die Erhöhung nachgelagert im Juli 2025 - zeitgleich mit der Rentenerhöhung - in Form eines einmaligen Nachzahlungsbetrags begleichen; pauschal 1,2 Prozent der Brutto-Monatsrente - auf der Basis der erhöhten Juli-Rente; anstatt auf den niedrigeren Rentenbezüge der Monate Jan. bis Juni. Dadurch waren die Rentner aufgefordert, eine höhere Nachzahlung zu leisten; so wurden auf diesem Weg zusätzlich Mehreinnahmen in Millionenhöhe zu Gunsten der PV generiert.
Der DRV war sehr wohl bewusst, dass es durchaus alternative und gerechtere Verfahren gibt, die Beitragserhöhung vor Juli, ohne zusätzlichen Aufwand, umzusetzen, z. B. ähnlich den Zusatzbeiträgen der Krankenversicherung, ohne Rückwirkung erst zwei Monate nach Inkrafttreten wirksam werden zu lassen, also im März 2025.
Liebe Frau B.,
vielen Dank für Ihre Zuschrift!
Wir können Ihre Verunsicherung und den Unmut gut verstehen. Die Notwendigkeit der von Ihnen kritisierten Vorgehensweise ist nicht leicht ersichtlich.
Zum 1. Januar 2025 musste der Beitragssatz zur Pflegeversicherung von 3,4 auf 3,6 Prozent angehoben werden, um die Zahlungsfähigkeit dieses wichtigen Versicherungszweiges weiterhin zu gewährleisten. Für fast sechs Millionen pflegebedürftige Menschen ermöglicht die Pflegeversicherung unverzichtbare Unterstützung im Alltag, ob in Form des Pflegegeldes oder als Zuschüsse zu Leistungen von Pflegediensten und Heimaufenthalten. Deswegen war dieser Schritt unverzichtbar.
Der erhöhte Beitragssatz galt ab dem 1. Januar nicht nur für Gehälter, sondern folgerichtig auch für Renten. Der Vorlauf war jedoch für die Deutsche Rentenversicherung zu kurz, um die Änderung technisch umzusetzen. Hintergrund ist, dass rund 22 Millionen Auszahlungen betroffen sind und die erforderlichen, komplexen Änderungen am IT-System nur im Rahmen eines automatisierten Verfahrens zum 1. Januar oder zum 1. Juli möglich sind. Sie brauchen einen Vorlauf von etwa drei Monaten, der nicht mehr zur Verfügung stand.
Als Lösung wurde eine pauschale, nachgelagerte Umsetzung vorgesehen. Danach wurde bei einem Rentenbeginn vor Juli 2025 aus den Renten für den Monat Juli 2025 einmalig ein zusätzlicher Beitragssatz in Höhe von 1,2 Prozent erhoben (insgesamt 4,8 Prozent). Damit wurde die Beitragssatzanpassung für die Monate Januar bis Juni 2025 pauschal abgegolten. Eine nach Monaten differenzierte Erhebung eines zusätzlichen Beitragssatzes oder ein anderer Auszahlungszeitpunkt als Basis war technisch nicht möglich.
Wir können den Unmut darüber verstehen. Wir möchten darauf hinweisen, dass die Ungenauigkeit des einmaligen, pauschalen Verfahrens in absoluten Zahlen zum Glück nicht allzu hoch ist. Bei einem Renteneintritt im März und einer Rente von 1000 Euro betrug sie beispielsweise insgesamt etwa 4,45 Euro. Die Tatsache, dass als Berechnungsgrundlage die höheren Renten vom Juli dienten, machte einen Unterschied von durchschnittlich etwa 50 Cent pro Rentnerin oder Rentner aus. Gleichzeitig fiel der Zeitpunkt zusammen mit der allgemeinen Erhöhung der Renten um 3,74 Prozent, was den Zahlbetrag ebenfalls abgefedert haben dürfte. Nicht zuletzt mussten die Nachteile des pauschalen Verfahrens abgewogen werden gegen die Zahlungsfähigkeit der Pflegeversicherung und einer reibungslosen Umsetzung in allen Versicherungssystemen.
Wir hoffen, wir konnten Ihnen die Zusammenhänge des Vorgangs darlegen. Es zeigt aus unserer Sicht auch die Bedeutung von handlungsfähigen politischen Mehrheiten, die den sozialen Sicherungssystemen Priorität einräumen und dafür rechtzeitig und verantwortungsvoll handeln.
Es zeigt außerdem, wie wichtig eine solide, faire und nachhaltige Finanzierung unseres Wohlfahrtsstaates ist.
Die Situation bei der Kranken- und Pflegeversicherung ist alarmierend. Ausgaben und Beiträge steigen, Wartezeiten verlängern sich, Pflegefachkräfte und Ärzt*innen arbeiten am Limit. Trotzdem liegt die Lebenserwartung in Deutschland unter dem westeuropäischen Durchschnitt.
Das liegt an falschen Strukturen und politischem Stillstand. Heute zahlen die Beitragszahler*innen Aufgaben, die eigentlich der Staat finanzieren müsste – während Spitzenverdiener*innen und Privatversicherte nicht im gleichen Maße beitragen. Das ist unfair. Die Bundesregierung schaut jedoch tatenlos zu, statt endlich gegenzusteuern. Sie vertagt Entscheidungen lieber in Kommissionen, statt zu handeln.
Wir Grüne fordern deshalb entschlossene Reformen, die die Kassen stabilisieren, die Kosten fair verteilen und die Versorgung verbessern. Wir wollen ein starkes Gesundheits- und Pflegesystem, das alle Menschen verlässlich versorgt, ohne sie finanziell zu überlasten. Jede und jeder soll unabhängig vom Einkommen schnell und gut behandelt werden – egal ob in der Arztpraxis, im Krankenhaus oder in der Pflege.
Unsere konkreten Forderungen finden Sie hier: https://www.gruene-bundestag.de/unsere-politik/fachtexte/krankenversicherung-entschlossene-reformen-fuer-gesundheit-und-pflege/
Viele Grüße
Team Dröge