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Katarina Barley
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Frage von Fred K. •

Frage an Katarina Barley von Fred K. bezüglich Recht

Sehr geehrte Dr. Barley,

im Zusammenhang mit der Abschiebung von Sami A. warnen Sie vor der Abschaffung des Rechtsstaates.(Interview mit dpa, 15.7.18)
Wurde dieser nicht vielmehr dadurch gefährdet , dass die zuständige Bundesanwaltschaft über Jahre nicht beweisen oder ausschließen konnte, dass er ein Terrorist ist?
Müsste im Umkehrschluss nicht mit aller Härte gegen jene ermittelt werden, die das Gerücht in die Welt setzten, er sei der Leibwächter Osama Bin Ladens und ein Hassprediger?
Und warum sollte der Rechtsstaat gerade dann gefährdet sein, wenn deutsche Behörden einen abgelehnter Asylbewerber, der zuerst als Student eingereist war und später offensichtlich keine Probleme im Ausland hatte, in seine Heimat abschieben wollen?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr K.,

wenn Behörden sich nun aussuchen, welchen Richterspruch, sie befolgen und welchen nicht, ist das das Ende des Rechtsstaates.

Im Fall des mutmaßlichen Islamisten Sami A. hatte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen von den tunesischen Behörden die Versicherung verlangt, dass er in seinem Heimatland menschenrechtskonform behandelt wird. Bis zur Vorlage der tunesischen Zusicherung hatte das Gericht seine Abschiebung untersagt. Mit der Abschiebung hat sich die Verwaltung in Bochum über die Anordnung des Gerichts hinweggesetzt und einen Grundsatz des Rechtsstaatsprinzips missachtet. Die Abschiebung war deshalb zu diesem Zeitpunkt rechtswidrig. Die hier erfolgte Missachtung des Gerichts muss deshalb korrigiert werden. Das Oberste Verwaltungsgericht hat deshalb entschieden, dass die Stadt Bochum Sami A. zurückholen muss.

Wir leben in einem Rechtsstaat. Zu den Prinzipien des Rechtsstaates gehört die Gewaltenteilung. Sie ist eine in der Verfassung beschriebene Selbstbeschränkung der Staatsorgane und damit ein demokratisches Wesenselement. Sie gehört zu den Grundsätzen, die nicht geändert, ja nicht einmal berührt werden dürfen. Was unabhängige Gerichte entscheiden, muss gelten.

Wichtig ist, dass wir uns an die Regeln, die wir demokratisch aufgestellt haben, auch halten. Gerichte müssen unabhängig von der Mehrheitsmeinung urteilen. Eine Behörde, ein Gericht, auch eine Regierung darf die Regeln nicht mal eben umgehen, weil sie findet, dass gerade eine andere Stimmung im Land herrscht. Das Recht muss angewendet werden und zwar für alle Menschen gleich.

Richter entscheiden unabhängig auf der Grundlage von Gesetzen. Die Politik muss sich dem fügen – nicht umgekehrt. Aber es ist natürlich Aufgabe der Politik, darüber zu diskutieren, ob man die Regeln verändern muss. Da darf es dann keine Denkverbote geben.

Mit freundlichen Grüßen

Katarina Barley, MdB

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