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Karl Bär
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Frage von Sabine G. •

Frage an Karl Bär von Sabine G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo Herr Bär

Afghanistan wird nicht als sicheres Herkunftsland gesehen.
Angenommen ein Afghane, der hier um Asyl bittet, begeht eine Vergewaltigung.

Sind Sie dafür, dieser Person das Asylrecht zu verweigern und sie zurück nach Afghanistan zu schicken?
Wie würden Sie im Bundestag abstimmen?

Ich bitte Sie um Ihre ehrliche Meinung.
Danke!

S. G.

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau G.,

ich bin sehr froh, dass wir in einem Staat mit Gewaltenteilung leben und der Bundestag niemals über Einzelfälle abstimmt. Die Frage, die Sie stellen, obliegt im Realfall Gerichten und ich werde mich auf jeden Fall mit großem Engagement dafür einsetzen, dass das so bleibt.

Trotzdem möchte ich versuchen, Ihnen eine politische Antwort zu geben, weil
hinter Ihrer Frage ja eine politische Frage steht. Also: Ich bin der
Ansicht, dass
1. Afghanistan kein sicheres Land ist.
2. Das Asylrecht nicht weiter verschärft werden darf.
3. Es einfacher werden sollte, Vergewaltigungen zu belegen und zu bestrafen.

Zum dritten Punkt, weil er kompliziert ist, etwas mehr: Eine Vergewaltigung ist oft nicht objektiv beweisbar. Ein und sie selben Sachen sind mal schwere Verbrechen und mal einvernehmlicher Sex. Es kommt dabei darauf an, was das Opfer in dem konkreten Moment wollte. Damit tut sich unser Rechtsstaat sehr schwer, denn hier gilt zu Recht: Im Zweifel für den/die Angeklagten.

Feministinnen weisen seit langer Zeit darauf hin, dass das in der Praxis zu extremen Belastungen und einer juristischen Tendenz gegen die Opfer führt, die in der Verhandlung eine erneute krasse Ohnmachtserfahrung machen, weil ihre Glaubwürdigkeit und nicht die Tat im Mittelpunkt steht. Das führt dazu, dass Gerichtsverfahren zu Vergewaltigungen zu oft zu nichts führen oder dass sie erst garnicht stattfinden, weil die Opfer sie nicht anzeigen.

Ich bin dafür, die Praxis so anzupassen, dass mehr Vergewaltigungen angezeigt und bestraft werden. Da das nicht dazu führen sollte, dass erfundene Vergewaltigungsvorwürfe genutzt werden, um Menschen zu zerstören, wird es im Rechtsstaat eine Gratwanderung sein. Der Fall mit den erfundenen Vergewaltigungen kommt in der Praxis recht selten vor, ist aber für den Rechtsstaat wichtig.

Ich denke, dass es sinnvoll und wichtig wäre, dafür zu sorgen, dass Vergewaltigungen öfter angezeigt und bestraft werden. Es hat viel mit Geschlechtergerechtigkeit zu tun, Männern diese Möglichkeit zu nehmen, Macht über Frauen auszuüben und dem Rechtssystem die Tendenz, das hinzunehmen.

Ich werde dabei überhaupt keine zusätzliche Toleranz für den kulturellen Hintergrund zulassen. Wer eine Vergewaltigung begeht, soll dafür bestraft werden. Aber wer Vergewaltigungen primär als ein Thema für Ausländer sieht oder gar alle AfghanInnen in Mithaftung nimmt, die oder der ist RassistIn.

Mit freundlichen Grüßen,
Karl Bär

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