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Hermann Otto Solms
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Frage von Eva S. •

Frage an Hermann Otto Solms von Eva S. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Dr. Hermann Otto Solms,

die Entscheidung über den Bundesbedarfsplan steht in Kürze an. Grundlage soll der bereits veröffentlichte Netzentwicklungsplan sein. In diesem ist geplant, die HGÜ- Leitung von Emden nach Philippsburg in Meerbusch-Osterath zu unterbrechen und einen riesigen Konverter direkt an einem Wohngebiet zu bauen. Zu diesem Problem möchte ich Ihnen einige Fragen stellen:
1. Welchen energiepolitischen Sinn macht die Unterbrechung der HGÜ-Leitung von Emden nach Philippsburg in Meerbusch-Osterath? Durch die frühe Unterbrechung kommt es nach ersten Berechnungen zu einem Leistungsverlust von mindestens 30 Megawatt pro Jahr.
2. Geht es bei der Unterbrechung der HGÜ-Trasse in Meerbusch-Osterath nur um die Einspeisung von billigerem Strom aus Braunkohlekraftwerken oder sogar um die Einspeisung von noch billigerem Atomstrom aus belgischen Kraftwerken?
3. Warum muss Windstrom aus Nordsee-Offshore-Feldern nach Süden transportiert werden, wenn im Süden nach aktuellen Informationen genug regenerative Energien vorhanden sind bzw. geschaffen werden?
4. Alternative Standorte wurden bisher nur vom Netzbetreiber Amprion geprüft. Hierbei standen aber nur wirtschaftliche und technische Überlegungen im Vordergrund (Vermaschung, regionale Last-Erzeugung, Reserven für weitere Einspeisung und freier Trassenraum). Gesundheits- und Umweltaspekte blieben bislang trotz durchgeführter Umweltverträglichkeitsprüfungen ebenso unberücksichtigt wie der drohende Wertverlust der Immobilien in Meerbusch-Osterath. Wann wird diese Prüfung endlich nachgeholt? Wie bewerten Sie dieses Vorgehen auch im Hinblick auf die im EnWG und im UVPG festgelegten Verfahrensvorschriften?

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Antwort von
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Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihre Anfrage über Abgeordnetenwatch. Im Folgenden beantworte ich gerne Ihre Fragen:

1. Die im Netzentwicklungsplan Strom 2012 enthaltene Struktur des Korridors A wurde von den Übertragungsnetzbetreibern vorgesehen. Die Bundesnetzagentur hat unter Einbeziehung externer Gutachter (TU Graz) die energiewirtschaftliche Notwendigkeit dieser Netzausbaumaßnahme geprüft und im Netzentwicklungsplan Strom 2012 bestätigt. Die gewählte Struktur des Korridors A soll die Einspeisung erneuerbarer Energien und die Versorgungssicherheit gewährleisten. Die Unterbrechung im Rhein- Ruhrgebiet dient der Versorgung dieser Region als Lastschwerpunkt. Darüber hinaus ermöglicht die Aufteilung des HGÜ-Korridors A in zwei getrennte Maßnahmen /Vorhaben (Nord und Süd) die unabhängige und dadurch beschleunigte Planung der Maßnahme Osterath-Philippsburg, damit diese rechtzeitig vor Stilllegung des KKW Philippsburg in Betrieb gehen kann. Vorteil einer Unterbrechung ist weiterhin, dass bei einem etwaigen Ausfall von Betriebsmitteln nicht die gesamte Übertragungsstrecke von Emden bis Philippsburg betroffen wäre, sondern nur ein „Teilstück“. Durch die Unterbrechung der Maßnahme wird außerdem eine mögliche künftige Vermaschung mit anderen HGÜ-Projekten erleichtert. Schließlich ermöglicht die Unterbrechung in Meerbusch-Osterath auch den Abtransport überschüssiger PV-Leistung aus
Süddeutschland in lastschwachen Zeiten. Nach Angaben der Hersteller liegen die Verluste der VSC-Konverter bei ca. ein bis zwei Prozent der übertragenen Leistung. Bei Vollauslastung der HGÜ sind daher die angegebenen 30 MW eine realistisch erscheinende Größenordnung. Diese Angabe ist jedoch nicht auf das Jahr bezogen, da Leistung nicht die Dimension Zeit aufweist.

2. Der Endpunkt in Süddeutschland ist so gewählt, dass dort der Wegfall verschiedener Kernkraftwerke als Erzeugungsanlagen durch den Antransport von Strom aus dem Norden kompensiert werden kann. Um kurzfristig die durch Abschaltung der Kernkraftwerke in Frage gestellte Versorgungssicherheit an den süddeutschen Verbrauchszentren zu gewährleisten, bedarf es einer grundlastfähigen Reserve. Als solche Reserve kommt grundsätzlich die Anbindung der westdeutschen Braunkohlekraftwerke oder ein Stromimport aus dem Ausland in Betracht. Mittel- bis langfristig sollen über den Korridor A die benötigen Strommengen aus (Offshore-) Windenergie zur Verfügung stehen.
Die Einspeisung von Braunkohlestrom hat grundsätzlich Nachrang gegenüber den erneuerbaren Energien. Braunkohlestrom wird nur dann erzeugt, wenn es aus Sicht des Kraftwerksbetreibers wirtschaftlich sinnvoll ist. Wegen des gesetzlichen Einspeisevorrangs für erneuerbare Energien ist das in der Regel erst dann der Fall, wenn gerade keine Energie aus erneuerbaren Quellen zur Verfügung steht. Insofern kommt es zu keiner „Verdrängung“ erneuerbarer Energien durch Braunkohlestrom oder importierten Strom.

3. Ein solches Szenario, das auf den Netzausbau verzichtet, ist nach den derzeitigen Erkenntnissen nicht umsetzbar. Alle Analysen zeigen übereinstimmend einen hohen Transportbedarf, der nur in sehr geringem Umfang durch Speicher, Lastmanagement oder eine stärkere regionale Erzeugungsstruktur beeinflusst werden kann. Voraussetzung eines solchen Szenarios wäre, dass die Einspeisung und der Verbrauch im Süden Deutschlands räumlich und zeitlich zusammentreffen und die erzeugte Strommenge im Süden zwischengespeichert werden könnte. Vor dem Hintergrund der hohen Volatilität von Wind und solarer Strahlung sowie bislang fehlender Speichertechnologien, die geeignet wären, erzeugte Strommengen am selben Standort zwischenzuspeichern, wäre die Versorgungssicherheit im Süden nicht zu jedem Zeitpunkt des Jahres gewährleistet. Durch den Ausbau des Transportnetzes wird es ermöglicht, die fluktuierende regenerative Erzeugung bedarfsgerecht auszugleichen und Regelenergie und Systemdienstleistungen für die sichere Versorgung überregional zur Verfügung zu stellen. Auf diese Weise können auch die wesentlich höheren Volllaststunden von Offshore-Erzeugungskapazitäten in Norddeutschland effizient genutzt werden.

4. Für die Planung der Übertragungsnetze hat der Gesetzgeber einen mehrstufigen Prozess vorgesehen, der dem Gedanken der Abschichtung der Prüfungen folgt. Die genaue räumliche Festlegung des Vorhabens, einschließlich ihrer Nebenanlagen wie z.B. von Konvertern, erfolgt noch nicht im Rahmen der energiewirtschaftlichen Bedarfsermittlung, sondern erst im Rahmen der nachfolgenden Planungsstufen (Bundesfachplanung und Planfeststellung). Auf diesen Planungsstufen fließen auch Überlegungen zu alternativen Standorten unter Berücksichtigung von Gesundheits- und Umweltaspekten sowie von wirtschaftlichen Erwägungen in die Prüfungen ein. Dies entspricht den gesetzlichen Anforderungen des EnWG und des UVPG.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr Hermann Otto Solms