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Heinz-Joachim Barchmann
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Frage von Albert M. •

Frage an Heinz-Joachim Barchmann von Albert M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Die Ukraine ist wirtschaftlich fast vollig zusammengebrochen.
Zur Zeit tobt ein Bürgerkrieg in dem neben der regulären ukrainischen Armee auch privat Armeen und eine mit EU Hilfe aufgebaute Nationalgarde eingesetzt werden.

Nach diesem Bürgerkrieg wird die wirtschaftliche Lage so desolat sein, dass eine Integration in die EU nicht möglich sein wird, ohne das erhebliche Zusatzlasten durch die EU Staaten zu tragen wären.

Das heißt, das die schon jetzt geschwächten EU Staaten einen der bevölkerungsreichsten Staat Europas mit finanzieren müssten.
Die Bürger der EU wurden nicht einbezogen in die Entscheidung die Ukraine in die EU aufzunehmen, bzw. ein Assoziierungsabkommen abzuschließen.

Ist Ihrer Meinung nach diese Entwicklung demokratisch?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Matheis,

vielen Dank für Ihre Nachfrage zum Ukraine-Konflikt, die mein Büro über www.abgeordnetenwatch.de erreicht hat. Selbstverständlich ist die Situation in der Ukraine bereits seit Monaten unverändert besorgniserregend. Wir haben deshalb im Europaausschuss des Bundestages in den vergangenen Wochen auch viele Gespräche zu diesem Thema geführt. Die Informationen, die wir von Außenminister Frank-Walter Steinmeier und dem Staatsminister für Europa Michael Roth, sowie vom ukrainischen Außenminister Pavlo Klimkin (bis vor Kurzem noch ukrainischer Botschafter in Berlin) bekommen haben, weisen - wie Sie richtig schreiben - ebenfalls auf eine sehr angespannte Lage hin.

Das russische Vorgehen in Bezug auf die Halbinsel Krim ist aus unserer Sicht inakzeptabel und mit dem Völkerrecht nicht vereinbar. Jede direkte oder indirekte Unterstützung extremistischer und separatistischer Kräfte in der Region gefährdet die Sicherheit und Stabilität in allen Landesteilen der Ukraine. Zudem müssen militärische Drohgebärden an der Grenze zur Ukraine ein Ende haben. Das staatliche Gewaltmonopol der Ukraine muss wieder hergestellt werden und darf nicht von anderen Staaten in Frage gestellt werden. Insgesamt muss man zum aktuellen Zeitpunkt von einer deutlichen Verschlechterung der Menschenrechtslage in der Ostukraine und der Krim sprechen. Gerade in der Ostukraine herrscht vielerorts ein Klima der Gesetzlosigkeit mit Tötungen, Folterungen, Entführungen und Einschüchterung durch bewaffnete Gruppen, die zumeist den so genannten pro-russischen Separatisten zugeordnet werden müssen. Dennoch muss man auch festhalten, dass das Vorgehen der ukrainischen Sicherheitskräfte im Rahmen der so genannten "Anti-Terror-Operation" teilweise fragwürdig hinsichtlich ihrer Verhältnismäßigkeit ist. Diese Beobachtungen entsprechen im Wesentlichen den Einschätzungen der Bundesregierung und ergeben sich aus den Erkenntnissen des Abschlussberichts der "Human Rights Assessment Mission in Ukraine" vom OSZE-Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR), der auf der Webseite des Auswärtigen Amtes (www.auswaertiges-amt.de) in einer deutschen Übersetzung zusammengefasst ist.

Wer den Konflikt in der Ukraine weiter schürt, gefährdet aus unserer Sicht den Frieden in Europa und riskiert eine Krise, deren Folgen weit über Europa hinausreichen würden. Wir sehen uns als SPD einer politischen Lösung des Konflikts verpflichtet. Deshalb arbeiten insbesondere Außenminister Steinmeier und Staatsminister Roth unermüdlich an einer Befriedung und Stabilisierung der Ukraine. Als eine dem Frieden verpflichtete Partei hat die SPD in ihrer Außenpolitik stets auf die Prinzipien der Entspannung, des Dialogs und der Zusammenarbeit gesetzt, um Konfrontationen zu entschärfen und Wege für eine friedliche Konfliktlösung zu öffnen. Deshalb kann ich auch NICHT bestätigen, "dass eine mit EU-Hilfe aufgebaute Nationalgarde" in der Ukraine im Einsatz ist. Unzweifelhaft ist die sehr schwierige wirtschaftliche Lage der Ukraine, die zu einem Großteil mit hohen Energiekosten und der in vielen Bereichen verbreiteten Korruption zusammenhängt. Die Ukraine ist als Teil von Europa jedoch auch Teil des größten Friedensprojekts der Geschichte. Frieden durch Zusammenarbeit und Verständigung – das ist der europäische Weg. Deshalb sehen wir es auch nicht als Option an, die Ukraine in dieser schwierigen Lage alleine zu lassen und bieten selbstverständlich Hilfe bei der Bewältigung von Missständen an. Der IWF hat der Ukraine deshalb Unterstützung im Umfang von 17 Mrd. US-Dollar zugesagt. Ein Großteil davon, etwa 11 Mrd. Dollar, wird von der Europäischen Union bereitgestellt. Die IWF-Zahlungen sind jedoch an ein konkretes Reformprogramm geknüpft, das innerhalb von zwei Jahren wirtschaftspolitische Versäumnisse aus der vergangenen Dekade nachholen soll. Für einen Einblick in die konkreten Zahlen gibt es eine recht detaillierte Information der KfW-Bank zur Wirtschaftskrise in der Ukraine. Da dies über die Antwortfunktion von Abgeordnetenwatch nicht möglich ist, bitte ich Sie, noch einmal direkt mit meinem Büro in Berlin in Kontakt zu treten, wenn Sie an einer Zusendung interessiert sind. Mit der Umsetzung des Reformprogramms steht die Ukraine selbstverständlich vor enormen innenpolitischen Herausforderungen. Wir erwarten in diesem Zusammenhang neben einem nationalen Dialog der Versöhnung und einer Stärkung der Rechtstaatlichkeit auch einen inklusiven Prozess hin zu einer neuen Verfassung. Dieser Weg ist mit den Präsidentschaftswahlen und dem am 21. Juni 2014 vorgestellten Friedensplan des ukrainischen Präsidenten nun endlich eingeleitet und ich begrüße diese Weichenstellungen ausdrücklich.

Mit dem Ende Juni unterzeichneten Assoziierungsabkommen wird dieser Prozess von der EU weiter unterstützt. Es bindet die Partner enger aneinander, enthält jedoch keinen Automatismus für eine EU-Mitgliedschaft. Die Assoziierungsvereinbarung stärkt die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen der Ukraine zu den 28 EU-Ländern. Es sieht unter anderem eine Zusammenarbeit in Bereichen wie Handel und Energie vor, verstärkt die Kooperation in der Außenpolitik und soll eine unabhängige Justiz sowie den Kampf gegen Korruption fördern. Ein verknüpftes Handelsabkommen gibt der Ukraine, etwa über die Senkung von Zöllen, einen verbesserten Zugang zum EU-Markt mit seinen 500 Millionen Verbrauchern und trägt so hoffentlich zu einer besseren wirtschaftlichen Entwicklung der Ukraine bei.

Nicht nur der Europäische Rat (und damit alle 28 Regierungen in der Europäischen Union) sondern auch das Europäische Parlament und alle 28 nationalen Parlamente mussten der Unterzeichnung dieses Abkommen zustimmen. Aus meiner Sicht ist damit die demokratische Legitimität dieses Abkommens mehrfach gegeben.

Die Ukraine-Krise ist sicher ein schwieriges Thema, bei dem die richtigen Entscheidungen nicht ganz einfach zu finden sind, aber ich hoffe, ich konnte Ihnen ausreichend auf Ihre Frage antworten und Ihnen mit meiner Einschätzung zur aktuellen Situation in der Ukraine einen Eindruck von den Gesprächsprozessen im Bundestag geben.

Mit freundlichen Grüßen,
Achim Barchmann