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Heinz-Joachim Barchmann
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Frage von Hartmut W. •

Frage an Heinz-Joachim Barchmann von Hartmut W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Barchmann,

ich bin ein absoluter Befürworter der EU und ein Gegner der AFD.
Wenn ich mir die Informationen über das Freihandelsabkommen EU – USA im Fernsehen und den Printmedien ansehe und die Unkenntnis der Politiker über dessen Inhalt feststellen muss, wird mir Angst und Bange.
Wenn die Politiker hier nicht bald gegensteuern, treiben sie noch mehr Wähler in die Arme der AFD.
In meinem Bekannten- und Freundeskreis wollen immer mehr Personen die AFD wählen, hauptsächlich auch, weil sie sich mehr Einfluss der Landespolitik auf die von allen Geistern verlassenen EU-Politiker wünschen und das macht sich
gerade fest u.a. an dem Freihandelsabkommen.
Bitte sagen Sie mir, was Sie unternehmen, um das Abkommen zu stoppen, auch wenn Sie nicht direkt die EU-Politikbeeinflussen können.
Ich wende mich an Sie als Politikerin in meinem Wahlkreis.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Wand,

vielen Dank für Ihre Nachricht auf Abgeordnetenwatch.de zum geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Zunächst einmal freut es mich zu hören, dass Sie die EU befürworten. Sie sprechen in Ihrer Mail ein Thema an, das gerade in den letzten Wochen und Monaten in allen Medien ungeheuer viel Beachtung findet und zu dem sich aus meiner Sicht völlig zurecht eine breite öffentliche Diskussion entwickelt hat. Ihre Mail und auch die öffentliche Diskussion zeigen, dass mit dem TTIP-Abkommen viele Ängste und Fragen verbunden sind, die einen großen Teil der Bevölkerung umtreiben.

Für uns als SPD ist es deshalb nicht nur von zentraler Bedeutung die breite innerparteiliche und öffentliche Diskussion zu begleiten und mitzugestalten, sondern die Befürchtungen zum möglichen Abkommen ernst zu nehmen und klar Stellung zu beziehen.

Hauptproblem in Zusammenhang mit den TTIP-Verhandlungen ist aus meiner Sicht die Unklarheit, worüber bei TTIP eigentlich gesprochen wird und was das Freihandelsabkommen genau ausmacht – die Frage, welche Bereiche von diesem Abkommen beeinflusst wären. Grundlage der SPD-Position zu TTIP ist deshalb die Herstellung von größtmöglicher Transparenz bei allen Verhandlungen zum geplanten Abkommen. Die grundsätzlichen Verhandlungsdokumente müssen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Nur wenn klar und deutlich wird, worüber man eigentlich verhandelt, kann es auch eine sachgerechte öffentliche Debatte geben, in der populistische Positionen keinen Platz mehr haben.

Inhaltlich gehen wir als SPD-Fraktion grundsätzlich davon aus, dass ein Handelsvertrag zwischen der EU und den USA sinnvoll sein kann. Angleichungen beim Zugang zu Märkten und bei Regulierungsvorschriften sowie vor allem der Abbau von Handelshemmnissen – dies bringt unbestritten Vorteile mit sich. Bereits heute sind die Einfuhrzölle auf beiden Seiten des Atlantiks sehr niedrig. Aufgrund des großen Handelsvolumens zwischen der EU und den USA fallen sie allerdings trotzdem ins Gewicht. Deshalb hätte eine bilaterale Abschaffung von Export- und Importzöllen für viele Branchen deutliche Effekte. Allein die deutsche Automobilindustrie würde so jährlich etwa um eine Milliarde Euro entlastet. Auch Unternehmen wie Airbus (derzeit 17% Marktanteil bei Passagierflugzeugen in den USA, global jedoch 50%) würde ein verbesserter Zugang zu den US-amerikanischen Märkten neue Möglichkeiten eröffnen, die in Europa zur Sicherung oder Schaffung von Arbeitsplätzen führen können. Wie groß ein solcher Zuwachs aussehen könnte, wird in verschiedenen Studien völlig unterschiedlich bewertet. Ich möchte es deshalb hier bei der Aussage belassen, dass ich grundsätzlich viele Vorteile eines solchen Abkommens sehe.

Es gibt allerdings auch essentielle Bereiche die aus unserer Sicht nicht in ein solches Abkommen gehören, „rote Linien“ die aus unserer Sicht nicht überschritten werden dürfen, wenn ein derartiges Abkommen abgeschlossen werden soll. Die wichtigsten Kritikpunkte sind die folgenden, von deren Berücksichtigung die Zustimmung oder Ablehnung des TTIP-Abkommens durch die SPD-Abgeordneten im Europaparlament abhängt:

- Generell muss klar sein, dass eine Marktöffnung und ein erweiterter Wettbewerb nicht zu Lasten der Verbrauchersicherheit und der Arbeitsbedingungen gehen dürfen. Die geltenden Arbeitnehmerrechte, Verbraucherschutz-, Lebensmittel-, Umwelt- und Gesundheitsschutzvorschriften dürfen deshalb nicht in Frage gestellt werden. Auch Datenschutzstandards, kulturelle Vielfalt in der EU und der Erhalt der öffentlichen Daseinsvorsorge sind nicht verhandelbar.
- Wir lehnen als SPD einen Investor-Staat-Streitbeilegungsmechanismus (auch Investitionsschutzabkommen genannt) innerhalb von TTIP grundsätzlich ab. Ein solcher Mechanismus würde es Investoren bei der vermeintlichen Verletzung ihrer Investorenrechte ermöglichen, Staaten vor internationalen Schiedsstellen außerhalb nationaler Rechtssysteme direkt auf Schadensersatz zu verklagen. Derartige Regelungen sind zwischen zwei entwickelten Rechtsstaaten nicht notwendig.
- Demokratisch herbeigeführte Entscheidungen für das Allgemeinwohl dürfen nicht in Frage gestellt werden. Eine Einschränkung der Gesetzgebungshoheit in Deutschland oder der EU durch das TTIP-Abkommen ist nicht akzeptabel. Auch die Einrichtung von so genannten „nachgelagerten Verfahren“, in denen konkrete Regulierungsfragen und Vereinbarungen erst nach Abschluss des Abkommens im Detail weiterverhandelt würden, lehnen wir ganz klar ab. Die demokratische Kontrolle des Parlaments würde dadurch ausgehöhlt, weil man etwas zustimmen würde, ohne das Ergebnis zu kennen.
- TTIP muss verbindliche Regeln zur Regulierung der Finanzmärkte enthalten, die auch für zukünftige Abkommen Standards setzen, um globale Finanzkrisen zukünftig zu verhindern.

Grundsätzlich haben Sie Recht, wenn Sie schreiben, dass der konkrete Einfluss von uns Bundestagsabgeordneten auf die Abstimmung zum TTIP begrenzt ist, weil im Bundestag selbst nicht über dieses Abkommen abgestimmt wird. Erstens können wir aber unsere Forderungen gegenüber der Bundesregierung geltend machen und darauf pochen, dass deren Position im Europäischen Rat entsprechend ausfällt und zweitens - und vielleicht noch viel wichtiger: Über ein Abkommen wie das TTIP entscheidet letztlich das Europäische Parlament.

Mit Bernd Lange ist nach den Europawahlen im Mai ein Sozialdemokrat zum Vorsitzenden des Handelsausschusses im Europäischen Parlament gewählt worden, der sich bereits lange mit der Thematik beschäftigt und den ich aus Niedersachsen als verlässlichen und aufrechten Politiker sehr gut kenne. Er wird gemeinsam mit der sozialdemokratischen Fraktion in Brüssel für eine transparentere Debatte sorgen und darauf achten, dass die oben beschriebenen „roten Linien“ beim TTIP-Abkommen nicht überschritten werden. Dass Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ihr Recht, bei Handelsabkommen auch NEIN zu sagen, sehr ernst nehmen, haben sie bei der Ablehnung des ACTA-Abkommens im Juli 2012 gezeigt.

Sollte der Inhalt eines TTIP-Abkommens diesen sozialdemokratischen Positionen nicht entsprechen, dann wird es (wie es beim ACTA der Fall war) auch keine Zustimmung der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament geben. Das haben die EU-Abgeordneten meiner Partei wiederholt deutlich gemacht und gilt natürlich ebenso für vergleichbare Abkommen wir das CETA- oder TISA-Abkommen. Auf das Abstimmungsverhalten der anderen Parteien haben wir allerdings selbstverständlich keinen Einfluss.

Um unsere Position noch einmal zusammenzufassen: Wir Sozialdemokraten befürworten grundsätzlich, wenn eine engere transatlantische Handelszusammenarbeit angestrebt wird. Unser Vorgehen orientiert sich dabei an den Grundsätzen die Chancen einer stärkeren Zusammenarbeit auszuloten, aber Probleme auszusprechen und klare Kante beim Erhalt der Grundlagen der Europäischen Union zu zeigen. Nur an diese inhaltlichen Überlegungen knüpfen wir eine Abstimmungsentscheidung über TTIP. Wenn grundsätzliche Bereiche angetastet werden, dann gibt es auch keine sozialdemokratische Zustimmung zu einem TTIP-Abkommen. Populistischer Stimmenfang ist grundsätzlich für keine Zusammenarbeit förderlich und muss zuallererst durch mehr Transparenz verhindert werden. Darauf werden wir auch in den weiteren Verhandlungen ganz genau achten.

Ich hoffe, ich konnte Ihre Bedenken damit ein wenig ausräumen und versichere Ihnen, dass wir den Verhandlungsprozess auch von Berlin aus weiterhin wachsam verfolgen werden. Bei Rückfragen sind Sie sowohl in meinem Wolfsburger als auch im Helmstedter Wahlkreisbüro immer willkommen.

Mit herzlichen Grüßen,

Achim Barchmann