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Heike Baehrens
SPD
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Frage von Reinhard G. •

Frage an Heike Baehrens von Reinhard G. bezüglich Innere Angelegenheiten

Sehr geehrte Frau Baehrens,

ich habe gehört, dass das Bundeskabinett das Infektionsschutzgesetz wieder ändern will. Danach sollen Corona-Maßnahmen zentral von der Bundesregierung ohne Beteiligung der Länder und Gemeinden beschlossen werden. Bei dem Überschreiten bestimmter Zahlen sollen automatisch für alle Bundesbürger nächtliche Ausgangssperren verhängt werden.

Widerspricht so ein Vorhaben bestimmten Prinzipien des Grundgesetzes? Dort wurde ja bewusst eine Gewaltenteilung vorgeschrieben und das Recht der Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern in bestimmter Weise aufgeteilt.

Haben die Bürger nicht das Recht, die Maßnahmen und Eingriffe in Grundrechte gerichtlich auf ihre Verhältnismäßigkeit überprüfen zu lassen? Ist es richtig, dass sie sich damit nicht mehr an die Verwaltungsgerichte wenden können, falls das Infektionsschutzgesetz in dieser Weise geändert wird?

Ich habe auch auch gehört, dass bestimmte Kabinettsbeschlüsse auch ohne Beratung und Zustimmung des Bundestages Gesetz werden sollen. Es sei geplant, eine Frist festzusetzen, in der der Bundestag widersprechen kann. Könnte so eine Frist nicht in einer Zeit, in der keine Sitzungswochen stattfinden, versäumt werden?

Glauben Sie, dass zentralistisch getroffene Entscheidungen besser sind, als regional getroffene, die vielleicht an die Verhältnisse vor Ort besser angepasst sind? Könnten vielleicht gerade durch unterschiedliche Maßnahmen Erkenntnisse darüber gewonnen werden, was wirklich wirksam ist?

Mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Großmann,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Infektionsschutzgesetz.

Grundsätzlich ist Pandemiebekämpfung in unserer föderalen Ordnung Bundessache. Der Bundestag kann also jederzeit gesetzgeberisch tätig werden, um bundesweite Maßnahmen zum Schutz vor der Verbreitung einer Infektionskrankheit zu regeln. Das ist grundgesetzlich verbrieft. Im Übrigen sind die Länder auch weiterhin mit eingebunden.

Ein einheitlicheres Vorgehen zwischen Bund und Ländern ist nun spätestens in dieser dritten Welle aus unserer Sicht dringend notwendig geworden. Die Fallzahlen steigen noch immer an, genau wie die Zahl der Intensivpatientinnen und -patienten. Das Virus trifft immer mehr junge Menschen, die oft auf lange intensivmedizinische Behandlung angewiesen sind. Die Intensivmedizinerinnen und -mediziner schlagen seit Wochen Alarm. Dennoch sind viele Länder immer wieder von vereinbarten Maßnahmen abgewichen, wodurch die Pandemiebekämpfung an Schlagkraft verloren hat und noch dazu für viele Menschen nicht mehr nachvollziehbar wurde. Wir sind aber darauf angewiesen, dass so viele Menschen wie möglich Verständnis und Akzeptanz für Maßnahmen der Pandemiebekämpfung aufbringen. Nur dann können die Regeln auch wirksam werden.

Es geht bei der „Bundesnotbremse“ also darum, eine Verlässlichkeit herzustellen, indem bundesweit auf gleiche Entwicklungen mit den gleichen Maßnahmen reagiert wird und nicht von Kreis zu Kreis und von Mal zu Mal unterschiedlich. Die bundesweiten Vorgaben, die geplant sind, betreffen Mindestmaßnahmen ab bestimmten Inzidenzwerten. Weitere und darüber hinausgehende Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung und die Maßnahmen unterhalb der beschlossenen Werte können weiterhin von den Ländern geregelt werden.

Die Rolle des Parlaments wird durch die Reform des Infektionsschutzgesetzes gestärkt. Nicht nur die Ausarbeitung der momentan in Beratung befindlichen Vorgaben findet nun endlich in den Gremien des Bundestages statt. Als SPD haben wir in den Verhandlungen auch erreicht, dass der Bundestag bei jeder neuen Verordnung, die die Bundesregierung auf Bundesebene umsetzen will, erst seine Zustimmung geben muss. So erhält er nicht nur, wie ursprünglich vorgesehen, ein Einspruchsrecht. Zusätzlich haben wir in den Verhandlungen erwirkt, dass die Regelungen der bundesweiten Notbremse Ende Juni automatisch auslaufen.

Die grundsätzliche Rechtmäßigkeit der Gesetzgebung müsste gegebenenfalls vom Verfassungsgericht geprüft werden, da es sich um ein Bundesgesetz handelt. Der Sorge, dass dadurch die Hürden zur Durchsetzung von Individualrechten zu hoch werden, haben wir aber Rechnung getragen und durchgesetzt, dass die Möglichkeit einer vorbeugenden Feststellungsklage bei den Verwaltungsgerichten geschaffen wird. Ob bestimmte Anwendungsbereiche oder Ausnahmen des zukünftigen Gesetzes jemanden individuell betreffen, kann man also weiterhin über den Rechtsweg bei den Verwaltungsgerichten klären lassen.

Die Maßnahmen, die wir debattieren und beschließen, haben einzig das Ziel, die Menschen vor einer ungehinderten Ausbreitung des Virus zu schützen und unser Gesundheitssystem vor dem Kollaps zu bewahren. Wenn wir es schaffen, die dritte Welle zu brechen, während gleichzeitig die Impfkampagne richtig Fahrt aufnimmt, dann können wir hoffentlich bald wieder über die Rückkehr zur Normalität reden, ohne auf dem Weg dorthin unnötig Menschenleben verloren zu haben. Für dieses Ziel hoffe ich auf breite Unterstützung.

Mit freundlichem Gruß

Heike Baehrens

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