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Hans-Ulrich Riedel
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Frage von christian m. •

Frage an Hans-Ulrich Riedel von christian m. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Ist die Linkspartei für die Einführung von Volksabstimmungen auch auf Bundesebene oder doch nur eher auf Landesebene.Welche Themen sollten bei Volksabstimmungen auf Landesebene denn ausgeklammert sein und bleiben?

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Antwort von
DIE LINKE

Lieber Christian Melchior,

ich antworte so spät, weil ich bis vor wenigen Tagen noch eine Jugendgruppe in China betreut habe. Ich bitte für die Verspätung um Entschuldigung.

Zur Sache:

Aus meiner Sicht ist die Linkspartei derzeit diejenige Partei in Deutschland, die sich mit besonderem Nachdruck für die Erweiterung plebiszitärer Elemente einsetzt - in Berlin mit Erfolg, was sicher eine Folge der Regierungsbeteiligung ist.

Ich selbst unterstütze seit Jahren die Initiativen "Mehr Demokratie" und "Direkte Demokratie" auf Basis der Einschätzung, dass eine Ausweitung der BürgerInnen-Beteiligung sinnvoll für eine moderne Demokratie ist.

Aber dies ist auch ein Entwicklungsprozess, den unsere Gesellschaft in den letzten 60 Jahren durchlaufen musste und noch weiterhin durchlaufen muss. Auch wenn es abgedroschen klingt, möchte ich ein Beispiel nennen: als ich 1974 mein Abitur gemacht habe, gab es Umfrageergebnisse, die darauf hinwiesen, dass bei einer Volksabstimmung annähernd 70 Prozent der Bevölkerung für die Wiedereinführung der Todesstrafe votiert hätten - eine grauenvolle Vorstellung. Das ist heute nicht mehr so - auf Grund der Entwicklung eines demokratischen Bewusstseins in den letzten Jahrzehnten.

Und in der Folge der Einführung plebiszitärer Elemente auf kommunaler und auf Landesebene - wie aktuell in Berlin - wird es entsprechende Bestrebungen künftig auch auf Bundesebene geben, wobei ich mittlerweile die Frage nach mehr direkter Demokratie auf europäischer Ebene viel spannender finde - die Abstimmung über eine europäische Verfassung ist ein gutes Beispiel dafür. Ein aktueller Entwurf für die Bundes- bzw. Europa-Ebene ist mir allerdings noch nicht bekannt.

Ich möchte aber noch darauf hinweisen, dass nicht nur Bürgerbegehren und -entscheid (oder auf Landesebene: Volksbegehren und -entscheid) Instrumente direkter Demokratie sind. Die Linkspartei hat im Berliner Bezirk Lichtenberg modellhaft die Einführung des sogenannten Bürgerhaushaltes durchgesetzt, so dass BürgerInnen mittlerweile an Entscheidungen über die Grundsätze der Finanzpolitik im Bezirk beteiligt sind. Auch wurde die Geschäftsordnung der Bezirksverordnetenversammlung (Kommunalparlament) dahingehend geändert, dass BürgerInnen in den Sitzungen der BVV das Wort ergreifen und bei hinreichend vielen Unterstützer-Unterschriften auch direkt Anträge in die Ausschüsse der BVV einbringen dürfen.

Wir in Charlottenburg-Wilmersdorf arbeiten derzeit an einer Übernahme dieser Möglichkeiten in unser Bezirksparlament. Für die nächste Legislaturperiode ist eine Weiterentwicklung in diesem Sinne auf Landesebene geplant.

Ich hoffe, dass ich die Frage zunächst einmal ausreichend beantworten konnte, stehe aber für Ergänzungsfragen gerne zur Verfügung.

Mit besten Grüßen
Hans-Ulrich Riedel