Was halten Sie für schlimmer? Flüchtenden die Hilfe zu verweigern? Oder politische Entscheidungen zu treffen, die dazu beitragen, das Fluchtursachen entstehen und Menschen ihr Heimatland verlassen?
Dabei denke ich unter anderem an Waffenlieferungen (die auch in andere Konfliktgebiete weiterverkauft werden können), das Zulassen von Dumpinglöhnen in ärmeren Ländern, "Landgrabbing", Vergabe überteuerter Kredite die in eine Abhängigkeit oder Schuldenfalle führen, usw.
Hat die deutsche Politik in den vergangenen Jahre Fluchtursachen mit verursacht? Falls ja –wann und wie?

Sehr geehrter Herr G.,
herzlichen Dank für Ihre Frage.
Selbstverständlich muss sich gute Politik daran messen lassen, beides zu schaffen: soweit wie möglich einen Beitrag dazu zu leisten, Fluchtursachen zu reduzieren, und Menschen auf der Flucht die benötigte Hilfe zu gewähren.
Deshalb trete ich dafür ein, dass das Recht auf Asyl unmissverständlich verteidigt werden muss, dass es keine Pushbacks geben darf, dass Seenotrettung wieder europäisch organisiert wird und in der Zwischenzeit die unerlässliche zivile Seenotrettung nicht kriminalisiert und eingeschränkt wird. Ich trete auch dafür ein, dass Geflüchtete immer menschenwürdige Aufnahmebedingungen vorfinden und dass grundlegende Menschenrechte auch dann gelten, wenn Schutzsuchende ihr Asylverfahren in einem anderen EU-Land führen müssen - deshalb habe ich gegen das sogenannte Sicherheitspaket gestimmt. Meine persönliche Erklärung dazu können Sie hier ab S. 115 nachlesen: https://dserver.bundestag.de/btp/20/20195.pdf#P.25465
Richtigerweise sprechen Sie auch an, dass unsere Welt vernetzt ist, dass Entscheidung in Deutschland oder der EU direkte Auswirkungen auf Menschen im Globalen Süden haben. Die große Mehrheit der Schutzsuchenden flieht vor Krieg und Diktatur. Aber auch Armut und Perspektivlosigkeit, insbesondere auch durch die Folgen des Klimawandels, zwingen Menschen, ihre Heimat zu verlassen. Darauf ist das internationale Asylsystem nicht eingestellt. Es ist das daher wichtig, beispielsweise im Rahmen von Migrationsabkommen, Perspektiven für Menschen zu schaffen, die keine Asylgründe geltend machen können, die aber trotzdem auf eine neue Chance außerhalb ihres Heimatlandes angewiesen sind. Wir müssen zudem dafür sorgen, dass unsere Handels- und Klimapolitik gar nicht erst derart negative Auswirkungen auf Menschen im Globalen Süden hat. Deshalb setze ich mich für faire Handelsverträge, für die Einhaltung der Klimaziele und für mehr Mittel für die Anpassung an den Klimawandel im Globalen Süden ein. Denn die historische Verantwortung für den Klimawandel tragen die Industriestaaten des Nordens. Wichtige Ziele in diese Richtung können Sie auch im SPD-Regierungsprogramm nachlesen (https://mehr.spd.de/custom-static-assets/documents/Regierungsprogramm.pdf, S. 65).
Ich würde mich freuen, wenn Sie diese Ziele weiterhin unterstützen.
Mit freundlichen Grüßen
Hakan Demir