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Gerhard Schick
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Frage von Birgit M. •

Frage an Gerhard Schick von Birgit M. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Dr. Schick,

wie Sie wissen, beruht die EURO Einführung auf Vereinbarung in EU Verträgen zum Haftungsausschluss für gegenseitige Schulden.
Nun hat sich gezeigt (wie viele Experten vorher gesagt haben), dass eine Währungsunion mit wirtschaftlich unterschiedlichem Leistungsvermögen ohne Transfers schwerlich aufrecht erhalten werden kann. Der Fortbestand der Eurozone ist bereits jetzt nur mit mehr oder weniger heftigen Verstößen gegen das Regelwerk der Eu-Verträge möglich. Beachtung der EU-Verträge und demokratische Prozeduren sind offenbar ungeeignet, die Probleme dieser Währungsunion zu lösen. Während Frau Merkel sich zumindest derzeit ziert, der (rechtswidrigen) europaweiten Haftung der BRD(mit 27%!!) Tür u. Tor zu öffnen, finden die Grünen daran gar nichts Kritisches. Soweit ich sehe, tritt Ihre Partei für eine Transferunion in Europa (gemeinsame Haftung, Eurobonds, Aufhebung bail-out-Verbot der Eu-Verträge-Vertragsänderungen) ein.
Falls diese Bewertung zutrifft und es zu einer politischen Umsetzung in diesem Sinne käme:
Welche Folgen ergäben sich daraus im Falle einer Inanspruchnahme der BRD für den Fortbestand unseres Sozialstaats?
Wie Sie wissen, gehen von unserem Bundeshaushalt (>300Mrd.€) bereits jetzt ca. 120 Mrd.€ in Soziales,ca 90 Mrd.€ an die DRV zur Absicherung der Rentengarantie. Ginge es nach den Grünen, müsste dieser Anteil deutlich steigen ( Erhöhung HartzIV, Mindestrente , evlt. bedingungsloses GE, jedenfalls aber Kindergrundsicherung).

Könnte aus Ihrer Sicht der hochentwickelte (aber aus Sicht der Grünen noch zu steigernde )deutsche Sozialstaat in einer Transferunion aufrecht erhalten werden?

Welches wären die Folgen für einer Haftungsinanspruchnahme durch Mitgliedstaaten der EU? Könnten wir noch ein gutes Drittel oder mehr für Soziales in unserem Land ausgeben?

Wie beurteilen Sie dieses unter Einbezug der verfassungsrechtlichen Schuldenbremse für die nächsten Jahre?

Mit freundlichen Grüßen

Birgit Mohr

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Mohr,

ich danke Ihnen für Ihre guten Fragen. Europa hat bereits heute den Charakter einer Haftungsgemeinschaft, das ist bei einer Währungsunion nicht wirklich zu vermeiden. Auch organisiert die EU bereits seit langem verschiedenste Transfers, zum Beispiel die Strukturfonds. Einige Leute schlagen nun ein Zurück zu nationaler Verantwortung in der Währungsunion vor oder eine strikte Auslegung der Nicht-Haftung. Das ist eine politische und ökonomische Abwägungsentscheidung, bei der man durchaus zu unterschiedlichen Ansichten kommen kann. Allerdings muss man wissen, dass die Kosten einer Vermeidung von Transfers sehr hoch sein dürften. Das strikte Beharren darauf, dass Deutschland keine Vereinbarung treffen sollte, die Haftung für Schulden vergemeinschaftet, wäre ökonomisch für Deutschland wohl die schlechtere Variante.

Die entscheidende Frage ist aber, wofür Staaten Geld ausgeben. In dieser Krise sind die großen Finanzvermögen von den Staaten gerettet worden, als die Bankschulden auf den Staat übertragen wurden. Das ist der entscheidende Grund für die sogenannte "Staatsschuldenkrise" - nicht etwa, dass alle Staaten über ihre Verhältnisse gelebt hätten. Griechenland ist hier ein Sonderfall. Europäische Solidarität heißt aber nicht, dass die deutschen Steuerzahler die spanischen Finanzvermögen retten - und andersherum übrigens auch nicht! Wir Grüne haben stets dafür gestritten, dass die desaströs teuren Bankenrettungen beendet werden. Ich empfehle Ihnen, bei Interesse, mein Gastbeitrag zu dem Thema: http://www.wirtschaftundgesellschaft.de/2013/08/die-desastrosen-bankenrettungen-in-europa-von-gerhard-schick/

Wenn wir in Zukunft vermeiden, dass Bankschulden zu Staatsschulden werden, spricht prinzipiell auch nichts gegen eine Aufrechterhaltung des deutschen (und europäischen) Sozialstaats. Nötig ist aber eine gerechtere Lastenverteilung. Dazu gehören koordinierte Vermögensabgaben und eine gerechtere Steuerpolitik in Europa. Unser Vorschlag ist der Europäische Steuerpakt (siehe S. 81 im Wahlprogramm http://www.gruene.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/Wahlprogramm/Wahlprogramm-barrierefrei.pdf )

Mit freundlichen Grüßen

Gerhard Schick