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Gerhard Schick
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Frage von Günter H. •

Frage an Gerhard Schick von Günter H. bezüglich Finanzen

Warmes Mittagessen - Sozialeinrichtungen - Mobilen Küche etc.

Wenn notwendig, dann entscheidet der französche Präsident Sarkozy schnell. Ab Juli 2009 wird in Frankreich der entsprechende Steuersatz radikal auf 5,5 Prozent gesenkt. Bisher hatte vor allem die Bundesregierung in Person von Bundesfinanzminister Steinbrück in Europa Widerstand gegen die Senkung geleistet.

Die Mehrwertsteuer ist ein Preisbestandteil der sich auf den Preis auswirkt, ansonsten wäre ja jeder Mehrwertsteuersatz ohne Wirkung. Die Höhe spielt beim Endverbraucherpreis selbstverständlich eine Rolle. An der Grenze zu Frankreich wird das ab Juli als Wettbewerbsnachteil registriert werden.

Jetzt hat Frankreich gezeigt, wie schnell man handeln kann. Die soziale Marktwirtschaft sollte "Wohlstand für Alle" bringen. In diesem Sinne sollte die Politik dafür sorgen, dass die Menschen in aller Regel ihr Leben ohne Sozialhilfe finanzieren können. Die Ausgaben für die lebensnotwendige Daseinsvorsorge sollte daher höchstens mit dem ermässigten Steuersatz besteuert werden. Noch besser wäre für den Grundbedarf keine Steuer zu erheben. Nachdem Frankreich gehandelt hat, werden Sie jetzt in dieser Sache aktiv werden?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Heitel,

in der Tat: Nachdem Frankreich innerhalb der EU jahrelang auf die Möglichkeit gedrängt hatte, einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz für das Gastronomiegewerbe erheben zu dürfen, bekam es dafür im Mai grünes Licht und bereits am 1. Juli trat das entsprechende Gesetz in Kraft. In welchem Maße jedoch die geringere Steuerlast wirklich an den Endverbraucher weitergegeben wird, wird sich erst noch zeigen – einen Teil der Entlastung werden die Betriebe absehbarerweise auch als Gewinn einbehalten. Dem unbestreitbaren Vorteil niedrigerer Preise in der Gastronomie steht jedoch ein gewichtiger Nachteil gegenüber: Frankreich wird als Folge der Mehrwertsteuersenkung auf ca. 2,5 Mrd. Euro Steuereinnahmen pro Jahr verzichten müssen. Das Bundesfinanzministerium schätzt für Deutschland Ausfälle in Höhe von 3,6 Mrd. Euro. Angesichts der Situation eines ohnehin schon über die Maßen verschuldeten und in bestimmten Bereichen wenig handlungsfähigen Staates, halte ich weitere Mindereinnahmen zurzeit für nicht vertretbar. Denn dieses Geld steht dann für Schulen oder die öffentliche Sicherheit nicht mehr zur Verfügung. Das bedeutet natürlich nicht, dass die Steuerlast im Moment gerecht verteilt wäre – im Gegenteil. Wir Grüne haben viele Vorschläge vorgelegt, wie das Steuersystem in aufkommensneutraler Weise gerechter gestaltet werden kann (siehe z.B.: http://www.gerhardschick.net/index.php?option=com_content&task=view&id=333&Itemid=114 ). Die Senkung der Mehrwertsteuersätze im Gastgewerbe fällt für mich allerdings nicht darunter. Zum einen, weil ich das Essen im Restaurant nicht zur „lebensnotwendigen Daseinsvorsorge“ zähle, bei denen – wie bei der Miete oder Lebensmitteln – ein niedrigerer Mehrwertsteuersatz gerechtfertigt ist. Und zum Zweiten aus systematischen Gründen: Schon heute ist das Mehrwertsteuersystem ein „Schweizer Käse“, in dem kaum noch nachvollziehbar ist, warum einige Produkte dem ermäßigten und andere dem vollen Satz unterliegen. Produkte und Dienstleistungen, die ebenfalls mit dem vollen Mehrwertsteuersatz belegt sind, obwohl es gute Gründe gäbe diese ebenfalls ermäßigt zu besteuern, sind z.B. Mineralwasser, Medikamente oder arbeitsintensive Handwerksleistungen. Diese Problematik aber kann nur mit einer generellen Reform des Mehrwertsteuersystems gelöst werden, die aus Finanzgründen aufkommensneutral zu leisten wäre.
Wie Sie bin ich der Auffassung, dass der Staat seine Anstrengungen darauf konzentrieren sollte, dass Menschen nicht auf ergänzende Leistungen angewiesen sind. Ich glaube aber, dass der ermäßigte Mehrwertsteuersatz im Gastgewerbe hier nicht der Hebel ist, der zu diesem Ziel führt. Stattdessen setze ich mich mit Verve für Mindestlöhne ein. Auch sehe ich großen Handlungsbedarf bei der Abgabenbelastung von arbeitsintensiven Dienstleistungen, worunter auch das Hotel- und Gaststättengewerbe fällt. Statt einer Senkung des Mehrwertsteuersatzes schlagen wir Grüne deshalb eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge im unteren Einkommensbereich vor, das sogenannte Progressiv-Modell: Für Löhne unter 2.000 Euro wollen wir die Lohnnebenkosten deutlich senken. Das bringt Geringverdienenden mehr Netto und die Unternehmen müssen weniger Sozialversicherungsbeiträge abführen, wodurch arbeitsintensive Dienstleistungen attraktiver werden und mehr Arbeitsplätze entstehen. Diese Maßnahme würde sich gerade auch für Beschäftigte im Bereich Gastronomie positiv auswirken und wir haben Vorschläge zur Gegenfinanzierung gemacht. Ich bin überzeugt, dass das besser ist, weil es sich nicht an einzelnen Produkten oder Branchen festmacht und damit keine neuen Ungerechtigkeiten schafft. Deshalb würde ich mich freuen, wenn ich Sie mit diesem Ansatz überzeugen könnte.

Mit freundlichen Grüßen

Gerhard Schick