Gabriele Katzmarek, MdB
Gabriele Katzmarek
SPD
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Frage von Thomas S. •

Frage an Gabriele Katzmarek von Thomas S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag Frau Katzmarek,

ich danke Ihnen für Ihre Antwort auf Fragen betreffs Große Koalition.

https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/gabriele-katzmarek/question/2017-12-19/295568

1. Sie erkennen eine stabile Regierung; als nötig, damit Deutschland eine handlungsfähige Politik auf allen Ebenen betreiben kann..

Ist so eine "stabile Politik nur mit einer großen Koalition möglich?
Wenn ja, warum?

2 Sie behaupten, dass die SPD eine andere Vorstellung von Politik als die Union habe und nennen als Beispiele die Steuerpolitik und die Krankenversicherung.. Starke Einkommen sollen mehr tragen als schwache.

Hat sich die SPD sich mit ihren Vorstellungen in der Sondierung behaupten können,
wenn ja wo und wie?

3. Die Zustimmung von Minister Schmidt zur umstrittenen Chemikalie Glyphosat auf EU-Ebene
werten Sie als Affront. Das sehen die kommissarische Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ...

was ,https://www.youtube.com/watch?v=DvXxfsn6HfE (ab min. 0:45)

... und große Teile der SPD genauso, was nur zu keinen erkennbaren Konsequenzen bezogen auf die Person des Ministers geführt hat. Dieser unterstreicht sein Verhalten stattdessen keck mit "So isser, der Schmidt! " (min 0:30 im Video).

Wird die SPD nicht von Minister Schmidt vorgeführt?

4. Jakob Augstein sieht die Entwicklung der SPD dramatisch:

"Die SPD hat getönt, es werde mit ihr keine Obergrenze für Flüchtlinge geben. Die CSU hat sie durchgesetzt. Die SPD forderte einen angemessenen Familiennachzug. Die CDU will davon nichts wissen. Die SPD wollte Steuererhöhungen. Die CDU hat sie verweigert. Die SPD bat um die Bürgerversicherung. Die CDU gab ihr einen Korb. Die SPD war schon als Bettvorleger in diese Verhandlungen gestartet. Gelandet ist sie als Küchenlappen."

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/spd-und-die-grosse-koalition-der-tod-ist-gar-nicht-so-schlimm-kolumne-a-1187932.html

Wie- werten Sie Augsteins Thesen?

Viele Grüße T. S.

Gabriele Katzmarek, MdB
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr S.,

gerne möchte ich Ihnen auf Ihre Nachfragen antworten, soweit es mir möglich ist.

1.) Nein, eine stabile Politik ist selbstverständlich auch in einer Koalition mit kleineren Parteien möglich.
CDU/CSU, Grüne und FDP hätten eine stabile Regierung bilden können, sofern das Führungspersonal der FDP dies gewollt hätte. Andere Mehrheitsoptionen sind ebenfalls möglich (z.B. CDU/SPD/Grüne, CDU/SPD/FDP – also ohne CSU – oder Union/AfD/FDP), aber aufgrund verschiedener Gründe extrem unrealistisch.

2.) Die SPD hat sich – wenig überraschend – teilweise durchsetzen können.
Steuerpolitik: Der Solidaritätszuschlag wird für untere und mittlere Einkommen abgeschafft, wodurch diese spürbar entlastet werden, hohe Einkommen müssen ihn weiterhin entrichten. Nicht einigen konnte man sich auf einen höheren Spitzensteuersatz.

Krankenversicherung: Die Einführung der paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung stellt eine Entlastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dar, die durch die Arbeitgeber finanziert werden muss. Nicht durchsetzen konnte sich die SPD bei der Einführung der Bürgerversicherung.

In beiden Politikfeldern konnten wir unsere Maximalpositionen nicht durchsetzen. Die Kompromisse in einem Koalitionsvertrag finden jedoch nicht immer innerhalb eines Politikfeldes statt, sondern die Ergebnisse müssen zusammenhängend und politikfeldübergreifend betrachtet werden. So stehen den geringeren Erfolgen der SPD in der Steuer- und Gesundheitspolitik große Erfolge in der Bildungs-, Sozial-, Arbeitsmarkt-. und Europapolitik entgegen.

3.) Es gab verschiedene konkrete Möglichkeiten nach einem solchen Versagen oder Fehlverhalten eines Ministers. Möglichkeit 1: Der Minister tritt zurück – ganz offensichtlich unrealistisch „beim Schmidt“. Möglichkeit 2: Die Bundeskanzlerin entlässt den Minister – ebenso unrealistisch, wenn man den ohnehin bestehenden Konflikt zwischen CDU und CSU betrachtet. Möglichkeit 3: Der Koalitionspartner, die SPD, droht die Koalition zu beenden und baut so Druck auf, wohlwissend, dass man diesen Schritt im Zweifelsfall auch gehen muss.

Ich denke, dass der Zeitpunkt für die Bewertung dieses Vorgangs sehr wichtig ist. Ende November gab es keine gewählte Regierung und keine Koalition aus der die SPD hätte ausscheiden können. Die SPD hätte ihre Ministerinnen und Minister abberufen können, was praktisch kaum einen Unterschied gemacht hätte, weil diese ohnehin nur geschäftsführend im Amt sind.

Im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD steht: „Wir werden mit einer systematischen Minderungsstrategie den Einsatz von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln deutlich einschränken mit dem Ziel, die Anwendung so schnell wie möglich grundsätzlich zu beenden. Dazu werden wir gemeinsam mit der Landwirtschaft Alternativen im Rahmen einer Ackerbaustrategie entwickeln und u. a. umwelt- und naturverträgliche Anwendungen von Pflanzenschutzmitteln regeln. Die dazu notwendigen rechtlichen Maßnahmen werden wir in einem EU-konformen Rahmen verankern.

Ich bin mir sicher, dass Minister Schmidt sein übereiltes, nicht abgestimmtes und falsches Vorgehen bereut. Nicht weil er seine Meinung geändert hat: Ich befürchte er ist weiterhin für den Einsatz von Glyphosat. Sondern weil der Öffentlichkeit klar geworden ist, wo das Problem bei Glyphosat besteht, warum eine Reduzierung und letztendlich ein Verbot von Glyphosat wichtig sind und warum es eindeutige Regeln dahingehend in einem Koalitionsvertrag geben muss.

Hat er die SPD vorgeführt? In gewisser Weise ja. War es klug von ihm? Ich denke nicht. Hat es der SPD geholfen, im Koalitionsvertrag eine eindeutige Formulierung durchsetzen? Auf jeden Fall.

4.) Jakob Augstein ist Journalist. Auf Spiegle Online ist er Kolumnist. Als Kolumnist lebt er davon eine Meinung dezidiert und zugespitzt darzustellen und – bei einer Online-Kolumne – möglichst viele Klicks zu generieren.

Ich möchte nur eine kurze inhaltliche Wertung seiner Thesen abgeben: Wer den Koalitionsvertrag liest erkennt: In der Praxis gibt es keine Obergrenze. Die CSU muss das anders sehen, weil sie sonst bei ihrer Landtagswahl nicht anzutreten braucht. Die Regelung für den Familiennachzug von subsidiär geschützten halte ich für angemessen. Wichtig ist, dass der allgemeine Familiennachzug für Schutzberechtige unangetastet geblieben ist. Richtig ist, Steuererhöhungen waren mit der CDU/CSU nicht zu machen. Dies gilt auch für die Bürgerversicherung.

Wie Sie sehen, teile ich einige von Jakob Augsteins Thesen, andere nicht. Prinzipiell ist es hochproblematisch, wenn in einem demokratischen Prozess zur Kompromissfindung niemand mehr in einigen Punkten nachgeben kann, um andere durchzusetzen.

Insgesamt trägt der Koalitionsvertrag eine klar sozialdemokratische Handschrift. Die Union hat keine eigenen Inhalte durchgesetzt, nur einige sozialdemokratische Inhalte verhindert. Rechnet man das Bundestagswahlergebnis von 32,9% und 20,5% um, wäre ein Ergebnis mit ca. 60% CDU/CSU und 40% SPD zu erwarten gewesen. Aus meiner Wahrnehmung ist es aber ein Ergebnis von 60% SPD und 40% CDU/CSU geworden – und damit ein Erfolg für die SPD.

Das Prinzip der Kompromissfindung zu verstehen fällt insbesondere Anhängern von Protestparteien wie der AfD oder Linken schwer, weil sie keine Konzepte, keine Ideen und keine Chancen haben, Verantwortung zu übernehmen. Fundamentalopposition und Demokratie vertragen sich aber leider nicht.

Die SPD hingehen stellt sich ihrer Verantwortung im Sinne der Menschen in Deutschland.

Mit freundlichen Grüßen

Gabriele Katzmarek

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