Gabriele Hiller-Ohm
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Frage von Dr. P. •

Frage an Gabriele Hiller-Ohm von Dr. P. bezüglich Recht

Thema Bürgerrechte / Familie / Justiz

Sehr geehrte Frau Hiller-Ohm,

die Situation "Hartz IV" schützt viele Väter vor Verarmung nicht, wenn Gerichte befinden, sie seien dennoch nach einer Scheidung für ihre Kinder unterhaltspflichtig.

Es wird geradezu nach Gründen gesucht, um den Vater (in selteneren Fällen auch der von den Kindern getrennt lebenden Mutter) zur Zahlung eines Mindestunterhalts zu zwingen.

Knackpunkt ist oft die Anzahl von "qualifizierten" Bewerbungen, die das arbeitslose Elternteil nachder Trennung verschickt hat.

Der Spielraum, gerade für Akademiker, auf dem deutsch Arbeitsmarkt ist aber nicht so gross, dass 20 bis 30 sinnvolle Bewerbungen im Monat möglich sind. Auf diese Willküranzahl berufen sich Gerichte und treiben so manchen Vater zur eidesstattlichen Erklärung - je nach der Militanz der Mutter und ihrer AnwältIn.

Wie sieht die Familiengesetzgebung nach den Vorstellungen Ihrer Partei in Zukunft hier eine Änderung für mehr Gerechtigkeit nach der Trennung von Paaren mit Kindern vor?

Das mutwillige Drücken getrennter Elternteile unter die Armutsgrenze kann in Deutschland nicht akzeptiert werden! Die Beurteilungen beim Europäische Gerichtshof sind in der Hinsicht deutlich weiter entwickelt.

Vielen Dank für aufklärende Informationen.

Mit freundlichen Grüssen,

P.Franke

Gabriele Hiller-Ohm
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Dr. Franke,

Sie werden mir doch sicher zustimmen, dass es für Eltern, die mit ihren Kindern zusammenleben, trotz geringer Familieneinkünfte eine Selbstverständlichkeit ist, den notwendigen Unterhalt für ihre Kinder zu sichern. Nichts anderes wird auch von dem Elternteil erwartet, das von dem Kind getrennt lebt. Das Elternteil, welches das Kind nicht betreut, ist in der Regel zur Zahlung von Barunterhalt verpflichtet. An diesem Umstand planen wir keine Änderung. Ihr spezielles Anliegen mit der Zahl der Bewerbungen habe ich zur Information an unsere Arbeitsgruppe Familie der SPD-Fraktion gegeben. Zu unseren Reformplänen im Bereich des Unterhaltsrechtes im Folgenden ein paar Hinweise. Es geht vor allem darum, das Unterhaltsrecht den neuen Gegebenheiten bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf - insbesondere bei Frauen - anzupassen.

Wir schlagen folgende Änderungen vor:

- Der Grundsatz der Eigenverantwortung soll ausdrücklich im Gesetz verankert werden.
- Die Gerichte sollen künftig mehr Möglichkeiten haben, den nachehelichen Unterhalt zu befristen oder der Höhe nach zu begrenzen.
- Der in der Ehe erreichte Lebensstandard soll nicht mehr der entscheidende, sondern nur noch einer von mehreren Maßstäben dafür sein, ob eine Erwerbstätigkeit - und wenn ja, welche - nach der Scheidung wieder aufgenommen werden muss.
- Ein vertraglicher Verzicht auf Unterhaltsansprüche soll nur erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass beide Parteien über die im Einzelfall weitreichenden Folgen umfassend aufgeklärt worden sind. Unterhaltsvereinbarungen vor der Scheidung müssen deshalb notariell beurkundet werden.

Was bedeuten diese Änderungen konkret?

1. Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit

Der das Kind betreuende Elternteil erhält von seinem geschiedenen Ehegatten während der Zeit der Kinderbetreuung so lange den sog. Betreuungsunterhalt, bis er durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit wieder selbst für sich sorgen kann. Zu der Frage, ab wann ein kinderbetreuender Ehegatte wieder erwerbstätig werden muss, gibt es eine gefestigte Rechtsprechung. Danach kann dem Ehegatten, der ein Kind betreut, unabhängig von den konkreten Kinderbetreuungsmöglichkeit vor Ort, eine Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden, bis das Kind mindestens acht Jahre alt ist. Ist das Kind zwischen acht und elf Jahre alt, kommt es auf den konkreten Einzelfall an, ob eine Teilzeittätigkeit aufgenommen werden muss. Bei einem elf- bis ca. fünfzehnjährigen Kind ist nach der Rechtsprechung in der Regel eine Teilzeittätigkeit - wenn auch nicht unbedingt eine Halbtagsstelle - zumutbar. Erst wenn das Kind ca. 16 Jahre alt ist, muss der kinderbetreuende Ehegatte eine Vollzeitbeschäftigung aufnehmen.
Diese von der Rechtsprechung entwickelten Altersgrenzen für die Wiederaufnahme einer Berufstätigkeit werden der heutigen Realität mit einer hohen Erwerbstätigenquote bei Frauen und immer besseren Möglichkeiten der Kinderbetreuung nicht mehr gerecht.

Konkret: Ist eine Übermittagbetreuung in der Schule vorhanden, kann von dem kinderbetreuenden Elternteil künftig durchaus früher als heute die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit erwartet werden, damit er jedenfalls zum Teil selbst und eigenverantwortlich seinen Unterhalt bestreiten kann. Auch zukünftig kommt es aber immer auf den Einzelfall an, also darauf, ob das Kind einfach oder schwierig ist, ob es stündige Hilfe bei den Schularbeiten braucht oder sie eigenständig erledigen kann, ob der Hort nach der Schule problemlos zu erreichen ist u.s.w..

2. Keine unbegrenzte Lebensstandardgarantie mehr

Während der Ehe schaffen sich die Ehegatten gemeinsam einen bestimmten Lebensstandard. Mit welcher Rollenverteilung sie dies tun, ist allein ihre Entscheidung. Der gemeinsam erarbeitete Lebensstandard ist deshalb nach der Scheidung grundsätzlich der richtige Maßstab für die Höhe des Unterhalts. Gerade bei Ehen, die nicht sehr lange gedauert haben, wird eine unbegrenzte Lebensstandardgarantie heute aber allgemein nicht mehr als angemessen empfunden. Hier sollen die Gerichte mehr Gestaltungsspielraum erhalten, um Unterhaltsansprüche zu befristen oder der Höhe nach zu begrenzen. Auch die Rückkehr in den erlernten und vor der Ehe ausgeübten Beruf soll künftig eher zumutbar sein; dies selbst dann, wenn damit ein geringerer Lebensstandard als in der Ehe verbunden ist. Auch hier kommt es aber immer auf den Einzelfall an, insbesondere auf die Dauer der Ehe, die Dauer der Kinderbetreuung und die Rollenverteilung in der Ehe.

Fazit:

Die in Aussicht genommenen ?nderungen bedeuten keine "Revolution" im Unterhaltsrecht. Sie bringen im Interesse der Kinder mehr Verteilungsgerechtigkeit im Mangelfall und führen zu mehr Eigenverantwortung der Ehegatten nach der Ehe. Unverändert gilt aber: Das Unterhaltsrecht muss in besonderem Maße dem Einzelfall gerecht werden und ein über Jahre gewachsenes Vertrauen in die nacheheliche Solidarität schützen. Die neuen Vorschriften sollen zwar grundsätzlich auch für "Altfälle" gelten, dies allerdings nur, wenn es den Betroffenen unter Berücksichtigung ihres Vertrauens in die einmal getroffene Regelung zumutbar ist.

Die geplanten Änderungen passen das Unterhaltsrecht behutsam an eine geänderte gesellschaftliche Wirklichkeit und gewandelte Wertvorstellungen an.

Mit freundlichen Grüßen

Gabriele Hiller-Ohm