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Fritz Felgentreu
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Frage von Jules E. •

Frage an Fritz Felgentreu von Jules E. bezüglich Bildung und Erziehung

Lieber Herr Felgentreu,

als Privatdozent werden Sie es selbst am besten wissen: Das derzeitige Hochschulrecht kommt für viele Akademiker praktisch einem Berufsverbot gleich, da nach einer gewissen Anzahl von Jahren eine Weiterbeschäftigung durch Zeitverträge nicht mehr statthaft ist, sofern keine Projektförderung vorliegt. Was ist Ihre Ansicht zu dieser (wie ich meine) himmelschreienden Ungerechtigkeit, und was wollen Sie in dieser Hinsicht persönlich unternehmen? Für mich ist Bildungspolitik ein zentraler Bestandteil meiner Wahlentscheidung, und die SPD macht es für mich immer schwieriger, in dieser Hinsicht wählbar zu bleiben, da die alte Angst vor Eliten ewig fortzuleben scheint.

Herzlichen Dank für eine Antwort!

Jules Elysad

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Elysad,

ich danke Ihnen für Ihre Frage vom 11. August 2009. Als Privatdozent habe ich großes Verständnis für Ihr Anliegen und Ihre damit verbundenen Sorgen. Deshalb habe ich mir etwas Zeit mit meiner Antwort gelassen, weil ich zunächst die rechtlichen Hintergründe herausfinden wollte.

Juristisch sieht die Sache so aus (ich zitiere aus den Unterlagen, die ich dazu gefunden habe):

"Die Befristung von wissenschaftlichem und künstlerischem Personal, mit Ausnahme der Hochschullehrer/innen, die oder der nicht promoviert ist, ist bis zu einer Dauer von sechs Jahren zulässig. Nach abgeschlossener Promotion ist eine Befristung bis zu einer Dauer von sechs Jahren, in der Medizin von neun Jahren, zulässig. Die Befristung ist ebenso zulässig, wenn die Beschäftigten überwiegend von Mitteln Dritter finanziert werden und die Mitarbeiter überwiegend der Zweckbestimmung dieser Mittel entsprechend beschäftigt sind.

Auch die mehrfache Befristung eines Arbeitsverhältnisses (sog. Kettenarbeitsverträge) sind inzwischen anerkannt und zulässig. Maßgebend ist für die jeweilige Befristung ein sachlicher Grund. Die Anforderungen an den Sachgrund der Befristung nehmen bei mehrfacher Befristung mit zunehmender Dauer der Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber zu. Im Streitfall ist grundsätzlich nur das letzte Glied der Kette daraufhin zu überprüfen, ob ein Sachgrund gegeben ist. Die Frage, ob eine Befristung zulässig war, unterliegt stets der vollen Nachprüfbarkeit der Gerichte."

Diese Situation ist kein befriedigender Zustand. Einerseits ist klar, dass
der Staat eigentlich nicht möchte, dass sich Akademiker und Akademikerinnen
von Drittmittelstelle zu Drittmittelstelle hangeln, um zu überleben.
Andererseits hat er sich aber auch nicht dazu durchgerungen, die
Rechtsgrundlage dafür abzuschaffen - sehr wahrscheinlich, weil das als ein
zu tiefer Eingriff in die Freiheit der Berufswahl verfassungswidrig wäre.
Das von Ihnen kritisierte Berufsverbot gibt es rechtlich also nicht, aber es
wird für jeden, der eine akademische Laufbahn anstrebt, im Laufe der Zeit
immer schwerer, den Anschluss zu halten und an der Universität zu arbeiten.

Nun lehrt die Erfahrung, dass das, womit man sich aus Neigung oder wissenschaftlichem Ehrgeiz am liebsten beschäftigt, nicht unbedingt das ist, wovon man leben kann. Ich fand deshalb den ursprünglichen Ansatz der rot-grünen Bundesregierung, dass nach zehn Jahren befristeter Arbeitsverhältnisse endgültig damit Schluss ist, gar nicht so falsch. Für die eigene Lebensplanung weiß man dann wenigstens, wann man sich spätestens nach etwas anderem als einer Stelle an der Uni umsehen muss.

Wenn ich die Gelegenheit bekomme, über das Hochschulrecht mitzureden, werde ich mich dafür einsetzen, vor allem im Interesse der Lehre die Anreize für die Schaffung von Dauerstellen im Mittelbau wieder zu stärken. Die Möglichkeit, neben den Drittmittelstellen, bei denen die Kolleginnen und Kollegen, wenn sie genug Phantasie haben, ihren Beschäftigungsgrund für die nächsten 12 oder 24 Monate selbst erfinden, den Mittelbau generell wieder weiter für befristete Arbeitsverhältnisse zu öffnen, sehe ich kritisch. Das hilft den Studentinnen und Studenten nicht, weil sie auch dann immer nur mit Lehrenden zu tun haben, die sich mehr Sorgen um ihr Überleben als um einen guten Unterricht machen. Es hilft aber letztlich auch den Beschäftigten nicht, die nach dem Motto: "Die Hoffnung stirbt zuletzt", immer weiter machen, bis sie mit Mitte oder Ende Vierzig vor dem JobCenter abgeladen werden.

Dabei ist mir klar, dass es auch mit dem Weg, den ich für richtig halte, weiterhin Menschen geben wird, die gute Gelehrte und Dozenten sind, die aber trotzdem kein Auskommen finden. Ich befürchte, dass für dieses Problem mit den Mitteln des Staates keine Lösung zu finden ist. Es wäre schon ein Erfolg, wenn die Universitäten bei der Auswahl ihres Personals stets die Weisheit und die Fairness walten lassen, die nötig ist, damit wenigstens alle diejenigen, die ihr Ziel erreichen, dauerhaft an der Universität beschäftigt zu werden, gute Gelehrte und Dozenten sind.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr
Fritz Felgentreu