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Frank Kuschel
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Frage von Erna H. •

Frage an Frank Kuschel von Erna H. bezüglich Familie

Sehr geehrter Herr Frank Kuschel,

Sie erlauben mir eine persönliche Frage.
Ehe und Familie stehen unter besonderen Schutz des Staates. Leider werden nach den Sozialgesetzen der Bundesrepublik Lebenspartnerschaften besonders gefordert. Die Einkommen eines Einzelnen werden auf den Bedarf aller in einer zusammenwohnenden Familie angerechnet. Dies schränkt das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit stark ein.
Halten sie die Form der Ehe (nach BGB § 1412 ff) für noch zeitgemäß? Müsste eine modernen Gesellschaft andere Lebensformen gleichberechtigt fördern, bzw. unabhängig der Form des Zusammenlebens mehr Spielraum zur individuellen Entfaltung jeder einzelnen Persönlichkeit lassen?

Herzlichen Dank für ihre Antwort
Erna Halbauer

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Sehr geehrte Frau Halbauer,

angesichts von über 9.000 Eheschließungen in Thüringen im Jahr 2008 – eine Zahl zu 2009 habe ich so schnell nicht finden können - kann man sicherlich davon ausgehen, dass für viele Menschen die Ehe eine zeitgemäße Lebensform darstellt.

Das muss aber nicht heißen, dass die Ehe so wie sie rechtlich ausgestaltet ist, noch zeitgemäß ist, noch dass sie die einzige zeitgemäße Lebensform darstellt. Immerhin stehen der Anzahl der Eheschließungen etwa 4.400 Ehescheidungen gegenüber.

Ein Problem der Ehe ist, die sich insbesondere aus steuerlichen und sozialrechtlichen Regelungen ergebende Abhängigkeit der Ehepartner voneinander. In der Regel ist diese aber nicht gleichberechtigt. Vielmehr ist es aufgrund der Geschlechterrollen in unserer Gesellschaft so, dass Frauen sehr viel abhängiger von ihren Männern sind als umgekehrt. Das Ehegattensplitting im Steuerrecht und der fehlende Rechtsanspruch auf eine vom Ehepartner unabhängige Grundsicherung haben diese Abhängigkeiten zu Ungunsten der Frauen befördert. Hier wünsche ich mir dringende Veränderungen. Die Eheschließung sollte eine reine Willensentscheidung zur Verstärkung einer Liebensbeziehung und nicht einer Zweckgemeinschaft aufgrund steuerlicher Aspekte sein. Kein Ehepartner darf durch den Gang in die Ehe sozial benachteiligt oder eine gewünschte Trennung aufgrund wirtschaftlicher Abhängigkeiten nicht vollzogen werden. In einem solchen Fall wäre zweifellos auch aus meiner Sicht die Ehe eine der zeitgemäßen Lebensformen.

Die Entwicklung einer Gesellschaft schreitet aber stetig voran. Und das hat dazu geführt, dass andere Lebensformen nicht nur an Verbreitung, sondern auch Akzeptanz und schließlich in Teilen an rechtlicher Verankerung gewonnen haben und ebenso zu den zeitgemäßen Lebensformen zu zählen sind. Da wäre die bereits eintragbare gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft zu nennen. Es ist zu begrüßen, dass durch dieses geschaffene Rechtsinstitut endlich der Realität der vorhandener unterschiedlicher sexueller Orientierung Rechnung getragen wurde. Und natürlich entscheiden sich sehr viele Menschen für eine Lebenspartnerschaft ohne das Rechtsinstitut der Ehe im Sinne des BGB und für andere alternative Familienformen.

Ich halte es für notwendig, dass diese Lebensformen der Ehe vollumfänglich rechtlich gleichgestellt werden, ohne aber die Elemente der Ungleichbehandlung der PartnerInnen in einer Ehe wie oben beschrieben zu übernehmen. Eine Ungleichbehandlung verschiedenster Lebensformen halte ich für nicht mehr zeitgemäß.

Unabhängig von allen Fragen rechtlicher Ausgestaltung sollte in einer freien Gesellschaft der Grundsatz gelten, dass jede und jeder ihr und sein Leben so gestalten können, wie sie und er es wünschen, wenn dadurch die gleiche Freiheit anderer keine Einschränkung erfährt.

Und noch eine letzte Bemerkung. Wenn über den im Grundgesetz verankerten Schutz von Familien gesprochen wird, wird oftmals auf den besonderen Schutz der Kinder abgezielt und das Rechtsinstitut der Ehe als einzige diesen Schutz gewährende Lebensform abgestellt. Ich gehe davon aus, dass das Wohlergehen von Kindern nicht davon abhängig ist, welche Rechtsform die Eltern - ob die leiblichen oder die (auch gleichgeschlechtlichen) Adoptiveltern – für ihre Beziehung gewählt haben, sondern vielmehr in welcher persönlichen Beziehung Eltern zu ihren Kindern stehen, ob sie sie als Belastung oder Bereicherung empfinden. Die Gesellschaft hat zumindest in diesem Punkt so viel Verantwortung, dass durch eine ausreichende Grundsicherung Kinder nicht zu einer finanziellen Belastung werden. Dafür werde ich mich einsetzen.

Mit freundlichen Grüßen

Frank Kuschel