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Frage von Philip P. •

Frage an Frank Kuschel von Philip P. bezüglich Innere Sicherheit

Der Umgang der Bundesregierung mit Amtsinhabern und Vertretern der Politik
in der DDR unterscheidet sich grundsätzlich davon, wie die Bundesregierung
mit Vertretern und politischen Trägern des deutschen Faschismus umging und
immer noch umgeht. Ein Beispiel sei die Ehrung des Nazi - Richters
Filbinger.

Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang Ihre eigene Einstufung als
"unwürdiger" Abgeordneter* des Landtags?

(Vgl. Spiegel Online vom 13.07.2006: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,426611,00.html )

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Preysing,

die Auseinandersetzung mit Geschichte nimmt in der Politik zu recht einen breiten Raum ein. Dass dabei Personen und ihre Biografien im Mittelpunkt stehen, ist durchaus gerechtfertigt. Die Geschichte der DDR muss weiter analysiert werden, gerade auch aus Sicht der LINKEN. Wenn wir zum jetzigen Gesellschaftssystem des Kapitalismus eine ernsthafte Alternative aufzeigen wollen, müssen wir die Ursachen des Scheiterns des Staatssozialismus in der DDR und den anderen sozialistischen Staaten untersuchen und daraus notwendige Schlüsse ableiten. Dabei geht es um ökonomische Ursachen, aber auch um die Defizite im Demokratiebereich. Zudem halte ich es auch für richtig, dass das Sicherheitssystem der DDR, insbesondere dessen starke Orientierung nach innen, untersucht wird. Das Konzept der DDR für den Umgang mit Bürgern, die aus der DDR ausreisen wollten, folgte den Grundsätzen der Kriminalisierung und Einschüchterung. Es zeigte zu recht keine Wirkung und widersprach zudem den Vorstellungen und Grundzügen der sozialistischen Demokratie, dem Umgang mit Andersdenkenden und politischen Minderheiten. Hieran Kritik zu üben, ist gerechtfertigt und notwendig. Dieser Art von Geschichtsbewertung hat sich DIE LINKE und auch ich persönlich nie entzogen. Zu recht wird deshalb auch mein persönliches Wirken in der DDR kritisiert und kritisch hinterfragt.

Doch in der Praxis hat die Beschäftigung mit DDR-Geschichte zwischenzeitlich eine ganz andere Funktion, und dies ist bedenklich. Das Versagen des Staatssozialismus in der DDR wird zunehmend als Rechtfertigung für die heutigen gesellschaftlichen Verwerfungen genutzt. Damit sollen gesellschaftliche Alternativen, so wie sie DIE LINKE thematisiert, von vornherein diskreditiert werden. In dieses Konzept passt sich auch die fragwürdige Auseinandersetzung mit dem deutschen Faschismus ein. Die permanente Gleichsetzung oder vergleichende Darstellung zwischen Faschismus und Staatssozialismus führt nicht nur zu einer Verharmlosung der singulären Verbrechen des Faschismus, sondern zu einer geschichtlich nicht zu rechtfertigenden Verzerrung der Zustände in der DDR. Ziel ist dabei DIE LINKE von heute. Ich habe mich seit 1990 öffentlich mit meinem Wirken in der DDR auseinandergesetzt und dabei unzweifelhaft Fehler eingeräumt und mich hierfür entschuldigt. Den Opfern gestehe ich dabei zu, dass sie auch weiterhin mein heutiges politisches Agieren kritisch begleiten.

Jedoch wird inzwischen von mir in der Öffentlichkeit ein Bild gezeichnet, das mit der Realität kaum mehr etwas zu tun hat. Dabei wird völlig ausgeblendet, wie und in welcher Art und Weise ich mit dem Ministerium für Staatssicherheit zusammengearbeitet habe. Vielmehr wird nur allein der Fakt dieser Zusammenarbeit zum Anlass genommen, um mich für ungeeignet und unwürdig zu bezeichnen, im politischen System der heutigen BRD zu agieren. Meine Bereitschaft, öffentlich über meinen Platz im System der DDR zu diskutieren, wurde außerhalb der LINKEN bisher nicht in Anspruch genommen. Ich werde aber diese Bereitschaft aufrechterhalten. Mein Wirken im politischen System seit 1990 als Stadtverordneter in Großbreitenbach, als Kreistagsmitglied im Ilm-Kreis, als Stadtratsmitglied in Arnstadt und als Landtagsabgeordneter in Thüringen wird auch völlig ausgeblendet. Zu allen Wahlen bin ich offen mit meiner Biografie angetreten. Der Wähler hat in Kenntnis meiner Verstickungen mit dem Ministerium für Staatssicherheit entschieden. Zu fordern ist nicht nur ein objektiver Umgang mit der DDR-Geschichte, sondern auch der Ausstieg aus dem Konzept der Gleichsetzung von Faschismus und Sozialismus sowie die Benennung der Verbrechen des Faschismus als schlimmste Form des Imperialismus. Hierzu gehört aus meiner Sicht auch die Würdigung des Antifaschismus in all seinen Formen. In den letzten Jahren wird zunehmend nur noch der bürgerliche Widerstand gegen den Faschismus durch die offizielle BRD gewürdigt. Hingegen tritt z. B. der kommunistische Widerstand immer mehr in den Hintergrund. DIE LINKE will diese Differenzierung nicht tatenlos hinnehmen und setzt sich deshalb für die Würdigung aller Formen des Antifaschismus ein. Deshalb betrachtet sich DIE LINKE auch heute als eine Kraft und Trägerin der antifaschistischen Bewegung und im Kampf gegen das Erstarken des Rechtsextremismus.

Ich bleibe dabei, die Geschichte der DDR darf nicht zur Relativierung der Verbrechen des deutschen Faschismus dienen. Die Geschichte des Faschismus und der DDR bedürfen weiterhin einer geschichtlichen Bewertung (das Wort „Aufarbeitung“ halte ich für unzutreffend, weil Geschichte nicht aufgearbeitet werden kann). Diese Bewertung muss aber differenziert erfolgen.

Mit freundlichem Gruß

Frank Kuschel