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Florian Bernschneider
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Frage von Thomas Z. •

Frage an Florian Bernschneider von Thomas Z. bezüglich Wirtschaft

Herr Bernschneider,

Sie haben für den so genannten ESM gestimmt.

Wenn ich dann folgendes von Ihnen lese (Antwort auf eine Frage hier am 09.07.2012): "Sie können sicher sein: Wo liberal draufsteht, ist auch weiterhin liberal drin" zwingt sich folgende Frage unweigerlich auf:
Können Sie mir erklären, wie sich das m.E. zentralistischste, sozialistischste und antidemokratischste Gesetz seit langem mit dem Namen einer _F_reiheitlich _D_emokratischen _P_artei vereinbaren lässt?

Des Weitern würde mich in dem Zusammenhang interessieren, ob Sie wissen,
- dass der ESM unkündbar, juristisch unanfechtar, von niemandem (auch nicht dem Bundestag/Bundesrat) kontrollierbar und umfänglich imun ist?
- dass der ESM beliebig Gelder nachvordern kann? (somit quasi unbeschränkt ist)
- dass der ESM direkt an Banken zahlen kann? (nicht nur an Staaten!)

In Hoffnung auf eine persönliche und ehrliche Antwort verbleibe ich,
Thomas Zink

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Zink,

obwohl Ihre Bezeichnung des ESM als „zentralistisch, sozialistisch und antidemokratisch“ sicherlich bewusst etwas überspitzt, möchte ich Sie dennoch so nicht stehenlassen, weil Sie den Tatsachen nicht gerecht wird.

Der schwerwiegendste Geburtsfehler des Euro war, dass wir einer einheitlichen Währung keine einheitliche Finanz-, Finanzmarkt- und Wirtschaftspolitik zur Seite gestellt haben. Stattdessen konnten zahlreiche Staaten in Europa weiterhin dezentral eine ausufernde Verschuldungspolitik betreiben, die letztlich in die aktuelle Krise geführt hat. Mit dem ESM schaffen wir nun ein Instrument, dass die Währungsstabilisierung dann fortsetzt, wenn der Handlungsspielraum der Europäischen Zentralbank erschöpft ist. Ein solches Instrument kann gar nicht anders als ebenfalls zentral ausgestaltet sein. Von daher fasse ich die Bezeichnung des ESM als zentralistisch nicht unbedingt als Kritik auf, im Gegenteil: Ein gemeinsamer Währungsraum wie der Euro braucht auch gemeinsame Institutionen, die ihn stabilisieren.

Der ESM ist zwar ein solidarisches, aber mitnichten ein sozialistisches Instrument. Wer wie Deutschland maßgeblich von der gemeinsamen Währung profitiert hat, der steht auch in der Verantwortung, in schlechten Zeiten seinen Teil zur Stabilisierung beizutragen. Sozialistisch wäre es gewesen, wenn den Hilfsleitungen aus dem ESM keine Gegenleistungen der Empfängerstaaten gegenüber gestanden hätten oder gar die Schulden der einzelnen Mitgliedsstaaten durch Eurobonds vergemeinschaftet worden wären. Genau dies hat die FDP aber erfolgreich verhindert und die Auszahlung von ESM-Hilfen an strikte Bedingungen geknüpft.

Ihr Vorwurf, der ESM sei auch undemokratisch, leitet bereits über zu Ihrer konkreten Frage nach meinem Kenntnisstand darüber, dass der ESM angeblich „unkündbar, juristisch unanfechtbar, von niemandem (auch nicht dem Bundestag/Bundesrat) kontrollierbar und umfänglich immun“ sei.

Der ESM ist weder in seinem Zustandekommen noch in seiner Ausgestaltung undemokratisch. Politik, Wissenschaft und Gesellschaft beschäftigen sich seit nunmehr über 2 Jahren in einer lebhaften öffentlichen Debatte nahezu täglich mit der Euro-Schuldenkrise. Der Verabschiedung des ESM-Vertrages gingen zahlreiche Debatten im Bundestag voraus - und es werden auch noch zahlreiche Debatten folgen, denn der Bundesfinanzminister als Mitglied des ESM-Gouverneursrats ist bei jeder Entscheidung über ESM-Hilfsgelder an das Votum des Deutschen Bundestages gebunden. Zudem ist er dem Haushaltsausschuss des Bundestages zu umfangreichen Auskünften verpflichtet, bei denen er sich nicht auf seine im ESM-Vertrag verankerte Schweigepflicht berufen kann.

Zudem ist der ESM ein völkerrechtlicher Vertrag. Derartige Verträge sind ihrem Wesen nach auf Dauer angelegt, denn sie sollen die Beziehungen zwischen Staaten und deren Bevölkerung langfristig regeln. Ziel des ESM ist es, einen dauerhaften Stabilisierungsmechanismus für den Euro zu verankern. Wer hier bereits bei Vertragsabschluss ein “Verfallsdatum“ einbaut zeigt, dass es ihm mit diesem Ziel nicht sonderlich ernst ist und verspielt damit das nötige Vertrauen der Anleger in den Euro-Währungsraum.

Auch Ihren zweiten konkreten Kritikpunkt, nämlich dass der ESM angeblich beliebig Gelder nachfordern könne, kann ich so nicht stehen lassen. Es ist zwar richtig, dass die Möglichkeit einer Aufstockung des ESM grundsätzlich besteht - allerdings würde auch eine solche Maßnahme wieder unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Bundestages stehen: Stimmt der Bundestag nicht zu, muss der Finanzminister als Mitglied des Gouverneursrats sein Veto dagegen einlegen.

Schließlich muss ich auch Ihren dritten Anwurf, dass der ESM angeblich direkt an Banken zahlen könne, ins rechte Licht rücken. Der bestehende ESM-Vertrag sieht eine direkte Rekapitalisierung von Banken nicht vor! Der Gipfelbeschluss vom 28. Juni hat diese Möglichkeit zwar in Aussicht gestellt, allerdings müssen dafür Bedingungen erfüllt sein, von denen die wesentlichste die Einrichtung einer einheitlichen europäischen Bankenaufsicht ist. Wenn der ESM-Vertrag tatsächlich in Richtung einer direkten Banken-Rekapitalisierung geöffnet werden sollte, wäre dafür erneut die Zustimmung des Bundestages nötig. Einer solchen Erweiterung würde ich nicht zustimmen, wenn die genannten Bedingungen nicht erfüllt sind.

Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Florian Bernschneider