Frage an Florian Bernschneider von Peter B. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Bernschneider,
Sie haben im vergangenen Frühjahr für die Notkredite zur Rettung Griechenlands gestimmt. Nun mehren sich die Anzeichen, dass eine Umschuldung Griechenlands mit Forderungsverzicht der Gläubiger doch unvermeidlich wird.
Wie bewerten Sie Ihre Zustimmung im Lichte dieser aktuellen Entwicklung?
Schon vor einem Jahr haben Ökonomen wie Joachim Starbatty oder Hans-Werner Sinn statt der Not-Kredite einen Schuldenschnitt gefordert.
Wie werden Sie abstimmen, wenn es um die Einrichtung eines permanenten Krisenmechanismus für die Euro-Zone geht?
Mit freundlichen Grüßen
Dr. P. Burkert
Sehr geehrter Herr Burkert,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage zum Euro-Rettungsschirm.
Um zu verstehen, warum es notwendig ist, den Euro und damit die Eurozone als Wirtschaftsraum zu stützen, muss man sich verdeutlichen, wie viele Vorteile der Euro uns Deutschen gebracht hat. Die Stabilität der Wirtschafts- und Währungsunion ist im Interesse Deutschlands. Unsere stark exportabhängige Wirtschaft profitiert davon, dass es innerhalb der Eurozone keine Wechselkursschwankungen mehr gibt. Damit hat der Euro dazu beigetragen, viele Arbeitsplätze in unserem Land zu schaffen und zu sichern. Allein dadurch, dass die Wechselkursrisiken in der Eurozone wegfallen, sparen deutsche Unternehmen Jahr für Jahr circa 10 Milliarden Euro ein. Der Großteil des deutschen Exports geht in die Eurozone. Die Verbraucher wiederum profitieren von einem stärkeren Wettbewerb, der zu größerer Vielfalt und geringeren Preisen führt. Diese Vorteile sollten wir in der Debatte um Finanzhilfen und Stabilisierungsmaßnahmen niemals vergessen.
Ein Zusammenbruch eines oder mehrerer Euro-Staaten würde zu schweren Verwerfungen im Euro-Raum führen, deren Folgen alle Mitgliedstaaten, auch Deutschland, ganz konkret spüren würden. Schließlich haben viele deutsche Banken an Länder wie Griechenland, Irland oder Portugal über Jahre Kredite vergeben. Sollten einzelne Länder, weil sie im Zuge der internationalen Wirtschaftskrise in finanzielle Schwierigkeiten gekommen sind, keine Kredite mehr bekommen und Staatsinsolvenzen oder Umschuldungen drohen, wären davon auch deutsche Kreditinstitute betroffen. Diese müssten Milliarden abschreiben. Entsprechende Verluste würden sich negativ auf die Kreditvergabe für deutsche Unternehmen - mit tiefgreifenden Folgen für das Wirtschaftswachstum und den Arbeitsmarkt - auswirken. Am Ende wäre auch ein Bankrott einzelner Banken nicht auszuschließen, was für viele Privatkunden, die ihr Erspartes über Jahre zur Bank getragen haben, nicht ohne Folgen bleiben würde. Die Stabilisierung des Euro nutzt somit nicht den Banken allein, wie es häufig dargestellt wird, sondern schützt das Vermögen von Privatkunden und Sparern in allen Eurostaaten. Schon deshalb war der Euro-Rettungsschirm richtig und notwendig.
Der bisherige Euro-Rettungsschirm (Europäische Finanzstabilisierungsfazilität, EFSF) wurde im Mai 2010 unter dem Eindruck der akuten Griechenland-Krise eingerichtet. Er war von Anfang an nicht als dauerhaftes Instrument, sonder als Übergangslösung vorgesehen. Es ging darum, die Finanzmärkte zu beruhigen, was auch gelang. Mit den Vereinbarungen des Europäischen Rates vom 24. März 2011 ist es nach gut einjährigen Beratungen gelungen, ein schlüssiges Gesamtkonzept zu entwickeln, das den europäischen Wirtschafts- und Währungsraum stärkt. Für Deutschland war entscheidend, dass der neue Rettungsschirm oder Euro-Stabilisierungsmechanismus (ESM) in ein umfassendes und transparentes Regelwerk eingebettet wird. Und genau dies leisten die Beschlüsse zur Stärkung des Stabilitäts- und Wachstumspakts, zur Einführung eines „makroökonomischen Überwachungsverfahrens“ und zum Euro-Plus-Pakt. Ganz entscheidend ist darüber hinaus das konkrete Regelwerk für den neuen, dauerhaften Euro-Stabilisierungsmechanismus, der ab 2013 den bisherigen Rettungsschirm (EFSF) ablösen soll. Denn es ist gelungen, den Charakter einer eventuellen Hilfe als letzte aller denkbaren Maßnahmen („ultima ratio“) festzuschreiben und Wege sowohl zu einer wirtschaftspolitischen Anpassung im betroffenen Land als auch zur Einbindung privater Gläubiger zu finden. Insbesondere Letzteres war uns Liberalen ein Anliegen.
Für mich und meine Fraktion steht trotz dieses Ergebnisses außer Frage, dass es beim ESM keinen Automatismus geben darf. Die Entscheidungen, ob Deutschland Gelder in den ESM nachschießt oder wann und in welchem Umfang der ESM Gelder an hilfebedürftige Staaten vergibt, bedürfen der Kontrolle des Parlaments. Das Haushalts- und Budgetrecht des Deutschen Bundestages muss auf jeden Fall gewahrt bleiben. Dafür werden wir Liberale uns im Zuge des parlamentarischen Verfahrens zur Umsetzung des ESM auch einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Florian Bernschneider