Wie rechtfertigen Sie Bürgergeld-Sanktionen, die Armut verschärfen, Bürokratie erhöhen und weder Löhne steigern noch Wohnraum bezahlbarer machen? Ist das nicht reine Symbolpolitik?
Zahlreiche Studien zeigen, dass Sanktionen beim Bürgergeld kaum nachhaltige Integrationseffekte haben. Das IAB warnt vor negativen Langzeitfolgen wie Rückzug vom Arbeitsmarkt und psychischer Belastung. Der Paritätische Gesamtverband fordert stattdessen eine Erhöhung des Regelsatzes auf 813 € zur ArmutsvermeidungDer Paritätische. Die geplante Kürzung bei Pflichtverstößen widerspricht dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2019, das Sanktionen über 30 % als verfassungswidrig einstufte. Die verkürzte Karenzzeit führt zu mehr Bürokratie, da Vermögens- und Wohnverhältnisse früher geprüft werden müssen, ein Widerspruch zum Ziel der SPD, Verwaltungsaufwand zu reduzieren. Sozialverbände und Gewerkschaften kritisieren die Reform als „Politik sozialer Kälte“ taz+1. Die Maßnahmen lösen keine strukturellen Probleme wie Niedriglöhne oder Wohnungsnot, sondern verschärfen soziale Ungleichheit.
Sehr geehrter Herr E. S.,
vielen Dank für Ihre kritische und inhaltlich fundierte Nachricht zum Bürgergeld. Ich teile Ihr Anliegen, dass Sozialpolitik Armut wirksam bekämpfen, Chancen eröffnen und niemanden ausgrenzen soll. Deshalb ist es mir wichtig, einige Punkte zur aktuellen Diskussion einzuordnen.
Das Bürgergeld ist kein Strafsystem, sondern soll Menschen unterstützen, (wieder) in Arbeit zu kommen und gleichzeitig soziale Sicherheit gewährleisten. Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Leistungskürzungen bei Pflichtverletzungen sind kein Selbstzweck, sondern Ausdruck eines fairen Miteinanders von Rechten und Pflichten. Wichtig ist: Die Sanktionsregelungen bleiben deutlich begrenzt – Kürzungen über 30 % sind weiterhin ausgeschlossen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird also vollständig eingehalten. Gleichzeitig sage ich offen: Ich hätte mir persönlich eine Reform gewünscht, die noch stärker auf positive Arbeitsanreize statt auf Sanktionen setzt. Im Rahmen des Koalitionskompromisses wurde jedoch die nun vorliegende Lösung verhandelt, die auch diesen Aspekt berücksichtigt.
Wichtig ist jedoch, dass das Bürgergeld insgesamt immer noch mehr Sicherheit und weniger Druck bringt als das alte Hartz-IV-System. Der Regelsatz wurde mehrfach erhöht, die Karenzzeiten für Wohnung und Vermögen gelten weiterhin für ein Jahr, und durch Weiterbildungsgeld und Bürgergeldbonus wird Qualifizierung stärker gefördert als je zuvor. Genau das ist entscheidend, um Menschen nachhaltig in existenzsichernde Beschäftigung zu bringen – nicht kurzfristiger Zwang.
Ich stimme Ihnen zu, dass Armut und Ungleichheit strukturelle Ursachen haben: zu niedrige Löhne, steigende Mieten, fehlende Bildungschancen. Daran müssen wir genauso arbeiten – durch Tarifbindung, Mindestlohnerhöhungen, mehr sozialen Wohnungsbau und eine gerechtere Steuerpolitik. Das Bürgergeld allein kann diese Probleme nicht lösen, aber es kann ein Stück Sicherheit schaffen. Während Menschen sich neu orientieren, fortbilden oder Arbeit suchen.
Mir ist wichtig, dass das System gerecht, unbürokratisch und menschenwürdig bleibt. Kritik von Sozialverbänden und wissenschaftlichen Instituten nehme ich ernst – sie hilft, die Regelungen weiter zu verbessern.
Mit freundlichen Grüßen
Felix Döring, MdB

