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Erwin Köhler
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Marlon H. •

Warum tut sich das Bündnis 90/Die Grünen so schwer mit dem Thema Energieversorgung im Winter 2022/23

Sehr geehrter Herr Köhler,

ich kann die Haltung Ihrer Parteien zum Thema Energieversorgung nicht verstehen.
Wir haben ein Strom und Gas Problem!!
Durch den Teilverzicht auf Erdgas aus der russischen Föderation muss überlegt werden wie wir das managen. Da ist es der erste sinnvolle Schritt die Stromerzeugung mit Gas einzustellen und andere vorhanden Energieträger zu nutzen.

- die erneuerbaren Quellen (Solar, Wind, Wasser) scheiden aus weil die Infrastrukturen fehlen.

- Braunkohle verfeuern erhöht den Schadstoffausstoß.

- bleibt die Kernenergie noch.

Warum kann man die vorhandenen Brennstäbe in den noch vorhanden AKW's nicht vollständig verbrauchen und in diesem Zeitraum andere Energiequellen auf- und/oder auszubauen! Ob wir im Energieverbund Atomstrom aus den Nachbarländern nutzen oder eigenen Atomstrom macht keinen Unterschied!

Ich hoffe Sie antworten auf meine Nachricht!

Mit freundlichen Grüßen

Marlon H.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr H.

vielen Dank für Ihre Anfrage zur aktuellen Energiekrise. Wir hatten bereits im Juli die Antwort hochgeladen. Dabei ist wohl etwas schief gegangen. Das ist uns leider erst jetzt aufgefallen. Bitte entschuldigen Sie daher vielmals die späte Antwort!

Grundlegend lehnen meine Partei und ich die Atomenergie ab. Die Gründe hierfür sind nicht ideologisch, sondern basieren auf bestehenden Erfahrungswerten und wissenschaftlichen Erkenntnissen. Atomkraft ist nach wie vor eine Hochrisikotechnologie, die bei einem Störfall katastrophale Auswirkungen haben kann. Die sichere Lagerung der radioaktiven Abfälle (die uns noch für tausende Jahre belasten werden) ist zudem nach wie vor nicht geregelt. Es gibt noch viele andere Gründe, die gegen eine Nutzung der Atomenergie sprechen (bspw. die Gefahr durch Sabotage, die Beschaffung von Brennstäben, uvm.). Das vergangene Jahr hat sowohl mit der russischen Bedrohung des größten europäischen AKW in Saporischschja, als auch mit der Abschaltung zahlreicher Anlagen in Frankreich aufgrund der niedrigen Gewässerstände eindrucksvoll gezeigt, wieso wir uns nicht auf diese Technologie stützen sollten. Allerdings ist auch klar, dass wir diese Energiekrise von allen Winkeln betrachten und alle sinnvollen Lösungen nutzen müssen.

Aktuell ist keine Lücke bei der Stromversorgung absehbar, die einen automatischen Weiterbetrieb ab Januar 2023 der beiden AKWs in Isar und Neckarwestheim notwendig machen würde. Nichtsdestotrotz werden beide Kraftwerke als Notreserve aktiviert und können bei einer absehbaren Versorgungslücke Strom produzieren. Damit wird die Stromversorgung gesichert und gleichzeitig wird man der Tatsache gerecht, dass es sich bei der Atomkraft um eine Hochrisikotechnologie handelt. 

Die regelmäßig aufgestellte Behauptung, der Weiterbetrieb der AKWs leiste einen Beitrag zur Senkung des Strompreises ist zudem nicht belegbar. Die Steigung der Preise ist auf die Versorgungsengpässe am Gasmarkt zurückzuführen. Ein Weiterbetrieb der AKWs würde sich daher nur im 1%-Bereich auf den Strompreis auswirken.

Diese Energiekrise in Deutschland ist hausgemacht und auf eine jahrelange Abhängigkeit von russischem Gas und einer bundespolitischen Blockade der Energiewende zurückzuführen. Der Weg aus der Krise und in eine unabhängige Energieversorgung kann daher nur über eine extreme Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren gelingen. Zudem müssen wir vorübergehend und langfristig mehr Maßnahmen zur Einsparung von Gas, Öl und Strom umsetzen. Mit dem Ausbau der Solar- und Windenergie werden wir unabhängiger von anderen Ländern. Gleichzeitig stellen wir eine dezentrale Energieversorgung auf, die ohne großes Risiko von Unfällen und der Gefahr von Sabotage betrieben werden kann.

Die Transformation unserer Gesellschaft zu mehr Nachhaltigkeit ist ein gigantischer Prozess, der in Deutschland und auf der Welt zu lange verschlafen wurde. Das wir mit Nachdruck vorangehen müssen, zeigen auch der Krieg in der Ukraine sowie die nicht mehr zu leugnenden Auswirkungen des Klimawandels noch mal ganz deutlich. Wie wir als grün-geführte Landesregierung hier unseren Beitrag leisten, kann ich Ihnen bei Interesse gerne in einer separaten Mail erläutern.

Ich danke Ihnen für Ihre Anfrage und das Interesse und verbleibe
mit vielen Grüßen
Erwin Köhler MdL

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