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Elisabeth Winkelmeier-Becker
CDU
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Frage von Karl Josef S. •

Welchem Gesetzentwurf zur Freitodhilfe werden Sie zustimmen?

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr S.,

vielen Dank für Ihre Frage. Der Rechtsausschuss hat sich am vergangenen Montag in einer sehr intensiven fünfstündigen Expertenanhörung damit befasst, wie eine Neuregelung der Suizidbeihilfe aussehen soll, nachdem das Bundesverfassungsgericht im Februar 2020 das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe für verfassungswidrig erklärt hat. Die zweite und dritte Lesung im Plenum ist für das Jahr 2023 vorgesehen. Die Anhörung fand auf einem inhaltlich hohen Niveau statt. Ich kann mir vorstellen, dass nach den vielen Hinweisen der Sachverständigen eine Überarbeitung der Anträge noch denkbar ist und ggf. sogar Kompromisse möglich erscheinen.

Es gibt drei fraktionsübergreifende Anträge im Bundestag zu diesem Thema.  Alle Anträge ermöglichen den assistierten Freitod im Grundsatz. Ich unterstütze den Entwurf der Gruppe um Ansgar Heveling (CDU) und Dr. Lars Castellucci (SPD): https://dserver.bundestag.de/btd/20/009/2000904.pdf.

Während die anderen Anträge vor allem die Selbstbestimmung der Sterbewilligen in den Mittelpunkt stellen, nimmt der Antrag, den auch ich unterstütze, auch in den Blick, dass der Sterbewunsch in vielen Fällen durch bessere palliative Versorgung hinfällig wird und außerdem einer gesellschaftlichen Erwartungshaltung gegenüber schwer Erkrankten entgegengewirkt werden muss, dass ihr Suizid doch eine naheliegende Lösung sei. Die Sachverständigen aus der Palliativmedizin haben in der Anhörung dargelegt, dass es häufig um den Wunsch geht, nicht mehr so wie bisher weiterzuleben, wenn es aber Möglichkeiten zur Schmerzlinderung gibt, dann doch der Lebensmut weiter bestehen bleiben könnte. Der Antrag beinhaltet ein abgestuftes und ausgewogenes Schutzkonzept, das der Wahrung der betroffenen Rechtsgüter dient und regelt den für die Freiverantwortlichkeit der Entscheidung zur Selbsttötung besonders sensiblen Bereich der geschäftsmäßigen Hilfe zur Selbsttötung. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat komplexe Fragen aufgeworfen, zum Beispiel, wann ein Suizidwunsch Ausdruck von Autonomie ist. Personen, die auf Hilfe angewiesen sind, müssen aus meiner Sicht davor geschützt werden, dass ihre Umgebung eine Selbsttötung als naheliegende Lösung erwartet bzw. dass auch schon nur dieser Eindruck entstehen könnte.

Deshalb verlangt ein effektiver Schutz der Freiverantwortlichkeit der Entscheidung zur Selbsttötung, die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung grundsätzlich unter Strafe zu stellen. Nach dem Entwurf bedarf es zur Feststellung der Freiverantwortlichkeit der Entscheidung zu Selbsttötung einer in der Regel zweimaligen Untersuchung durch einen Facharzt/eine Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie im Abstand von drei Monaten und eine umfassende ergebnisoffene Beratung in einem auf die Situation des/der Betroffenen angepassten interdisziplinären Ansatz. Bei Vorliegen einer nicht heilbaren, weit fortgeschrittenen Erkrankung bei einer zugleich begrenzten Lebenserwartung, kann die Feststellung der Freiverantwortlichkeit der Entscheidung über die Selbsttötung im Ausnahmefall auch schneller nach einem Untersuchungstermin getroffen werden.

Das ist insgesamt ein sehr schwieriges Thema, bei dem nicht nur rechtliche, sondern vor allem auch ethische Fragen eine große Rolle spielen. Die Anhörung hat gezeigt, dass dies keine einfache Entscheidung für viele Abgeordnete sein wird.

Mit freundlichen Grüßen

Elisabeth Winkelmeier-Becker

 

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