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Eberhard Gienger
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Frage von Ralf G. •

Frage an Eberhard Gienger von Ralf G. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Gienger,

mit Bestürzung habe ich folgenden Bericht gelesen.: www.heise.de/newsticker/meldung/85023 . Wenn die heimliche Online-Durchsuchung, welche ich in dieser Form für Verfassungswidrig halte (Stichwort z.B. Unverletzlichkeit der Wohnung,...), tatsächlich als Gesetzentwurf zur Abstimmung kommt, werden Sie dafür oder dagegen stimmen? Wie ist Ihre persönliche Meinung dazu?

Außerdem würde mich Ihre Meinung zur Abschaffung der Unschuldsvermutung ´zur Abwehr von drohenden Terroranschlägen´, wie von Hr. Schäuble gefordert, interessieren. Sehen Sie da auch die Gefahr, daß dadurch ein wichtiges Rechtsstaatsprinzip (Art. 6 Absatz 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)) gefährdet würde oder werden Sie einem entsprechenden Gesetzentwurf zur Sonderbehandlung im Rahmen der Terrorbekämpfung zustimmen? (http://de.wikipedia.org/wiki/Unschuldsvermutung)

Was ist denn die Konsequenz für Verdächtige? Ein deutsches Guantanamo? Schuldig bis zum Beweis der Unschuld? Lieber ein paar unschuldige Bürger einsperren als einen schuldigen laufen lassen?

Wie stehen Sie eigentlich zu dem Vorschlag die Fingerabdrücke sämtlicher unbescholtener Bürger analog zu denen der Kriminellen zu erfassen und verfügbar zu machen. Werden Sie auch einem solchen Gesetztesentwurf zustimmen? Wenn ja, mit welcher Begründung? Sehen Sie inzwischen auch in jedem Bürger eine Gefahr? Welche weiteren Infos bzgl. der unbescholtenen Bürger sollten dann Ihrer Meinung nach in absehbarer Zukunft zusätzlich in dieser Form gesammelt und verfügbar gemacht werden?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Gula,

seine Bürger zu schützen und Schaden von Ihnen abzuwenden, ist eine wichtige Aufgabe des Staates. Dafür müssen auch Möglichkeiten geschaffen werden, sich neuen Technologien, wie dem Internet, anzupassen.

Ein Zugriff auf Online-Kommunikation ist unverzichtbar insbesondere bei Straftaten mit komplexen Täterstrukturen, wie sie für den internationalen Terrorismus und die organisierte Kriminalität kennzeichnend sind, und bei von mittels Internet geplanten oder begangenen Straftaten. Terroristische Straftaten werden zunehmend unter Nutzung des Internets vorbereitet. Daher sind Online-Durchsuchungen durch Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt erforderlich. Man denke nur daran, wie leicht es ist, Anleitungen zum Bombenbau aus dem Internet herunter zu laden. Ebenso leicht können auch andere Anschläge geplant werden. Man muss online auf Computer zugreifen können, um eine technisch mögliche endgültige Verschlüsselung der Daten zu vermeiden, es geht um die Sicherung sog. „flüchtiger Beweise“.

Die Unschuldsvermutung soll als wichtiger Grundsatz des Rechtsstaats nicht angetastet werden. So lange niemand rechtskräftig verurteilt wurde, darf man ihn nicht als Täter bezeichnen. Bezüglich des Tätigwerdens der Polizei muss man vorbeugendes (präventives) Handeln zur Gefahrenabwehr und ausübendes (repressives) Handeln zur Strafverfolgung unterscheiden. Die Unschuldsvermutung gilt im Strafverfahren, also für den Fall, dass der Staat gegen einen Verdächtigen ermittelt oder diesen anklagt. Dabei ist zu beachten, dass ohne einen Anfangsverdacht kein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden kann. Ein Anfangsverdacht besteht zumindest, wenn zureichende Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen. Die Unschuldsvermutung schließt aber auch im Ermittlungsverfahren nicht grundsätzlich sämtliche Maßnahmen aus. Beispielhaft sei die Untersuchungshaft genannt, bei der der Verdächtige festgenommen werden kann, dennoch aber weiterhin bis zu einer eventuellen Verurteilung als unschuldig gilt.

Etwas anderes ist es aber, wenn es um die Abwehr von Gefahren geht. Bei der Gefahrenabwehr kann eine Unschuldsvermutung nicht gelten, da hier Maßnahmen unabhängig von einer „Schuld“ im juristischen Sinn erfolgen. Hier geht es vielmehr um die Beseitigung einer Gefahr. Liegt nur ein Gefahrenverdacht vor, dann sind sog. „Gefahrenerforschungseingriffe“ möglich, die jedoch verhältnismäßig sein müssen, also geeignet, erforderlich und angemessen sind, das Ziel der Gefahrenabwehr zu erreichen. Steht ein Verbrechen nach dem Erkenntnisstand der Behörden unmittelbar bevor, kann die Polizei mit der Gefahrenabwehr nicht so lange warten, bis die Tat begangen und der Täter rechtskräftig abgeurteilt wurde.

Online-Durchsuchungen müssen aber auf verfassungsrechtlich tragfähiger Grundlage durchgeführt werden. Daher müssen unverzüglich die erforderlichen rechtsstaatlichen Voraussetzungen für die Abwehr von Gefahren geschaffen werden, die aus dem Internet insbesondere durch den internationalen Terrorismus drohen.

In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob und in welchen Fällen bei Online-Durchsuchungen ein Eingriff in Art. 13 GG vorliegt und ggf. eine Grundgesetz-Änderung erforderlich ist. Wir wollen eine verfassungsrechtlich einwandfrei begrenzte, also den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit respektierende Online-Durchsuchung. Wie das Gesetz konkret aussehen wird, ist noch offen. Vorstellbar ist eine Grundgesetzänderung ähnlich wie bei der akustischen Wohnraumüberwachung. Bei einer Aufnahme in Art. 13 des Grundgesetzes, also einer quasi Gleichstellung der Festplatte eines Computers mit einer Wohnung, wird eine Online-Durchsuchung nur auf Grundlage eines richterlichen Beschlusses erlaubt sein. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird bei der Umsetzung darauf achten, dass eine Regelung mit Augenmaß getroffen wird, welche sowohl dem Interesse an einer effektiven Strafverfolgung als auch dem Schutz der Grundrechte in ausgewogener Weise Rechnung trägt.

Keinesfalls ist geplant, rechtsstaatliche Grundsätze außer Kraft zu setzen. Der Kernbereich privater Lebensgestaltung, ganz gleich ob bei der akustischen Wohnraumüberwachung oder der Online-Durchsuchung, ist und bleibt tabu.

Bezüglich Ihrer Frage zu der Speicherung von Fingerabdrücken ist es gar nicht geplant, eine zentrale Datei zum Abgleich von Fingerabdrücken zu gründen, wie es vielfach von Medien falsch dargestellt wird. Vielmehr geht es darum, die bei der Passbeantragung abgegebenen Doppel der Fingerabdrücke bei der passausstellenden Behörde zu speichern, um die Echtheit des Fingerabdruckes sicherzustellen. Es geht also nicht um die Nutzung der Fingerabdrücke zur Verfolgung von Straftaten, sondern um die Sicherstellung der Echtheit ausgestellter Pässe. Im Übrigen werden auch heute schon die bei Passbeantragung abzugebenden Passbild-Doppel bei der Behörde aufbewahrt, um ebenso genau auf die gleiche Weise die Echtheit des Ausweisbildes feststellen zu können. Die Speicherung des Fingerabdruckes bei der passausstellenden Behörde folgt daher lediglich dem technischen Fortschritt.

Technischer Fortschritt ist in einem Rechtsstaat auch ein wesentlicher Beitrag für mehr Gerechtigkeit.

Mit freundlichen Grüßen

Eberhard Gienger, MdB