Was steht im Weg, um notwendige Apps (z.B. Bahn Navigator oder online Banking Apps) ausserhalb der zwei großen amerikanischen App-Stores anzubieten?
Sehr geehrter Herr Bettermann,
die aktuelle politische Lage macht es vielleicht noch deutlicher als es bisher schon war. Nicht jeder Mitbürger in Deutschland möchte persönliche Daten mit marktbeherrschenden, amerikanischen Tech-Firmen teilen. Allerdings ist man dazu gezwungen, wenn man am allgemeinen Leben teilhaben möchte (Bahn fahren, online banking etc.). Alle diese Firmen, die Apps auf mobilen Endgeräten erzwingen, zwingen die Bürger auch, sich diese Apps aus den großen App-Stores von Apple und Google zu holen, obwohl sie selber große Server-Parks betreiben, in denen ein gleichwertiger Service gehostet werden könnte. Natürlich werden die neoliberalen Kräfte dann nach "weniger Bürokratie" schreien, aber es doch wie immer, Bürokratie entsteht dort, wo Firmen (und manchmal auch Bürger) einfach unnsinniges verhalten an den Tag legen, das mit eben dieser Bürokratie wieder eingefangen werden soll. Vielleicht funktioniert es ja auch allein mit der Androhung eines Gesetzes.

Sehr geehrter Herr Malte R.,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich stimme Ihnen zu, wenn es um Technologien geht, US-amerikanische Unternehmen in Europa eine marktbeherrschende Stellung einnehmen. Die sieben größten Tech-Konzerne der Welt nach Marktkapitalisierung stammen alle aus den USA. Diese Dominanz lässt sich unter anderem durch die hohe Nachfrage innerhalb der Käuferschaft ableiten. Vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen halte ich es für notwendig, auch die digitale Souveränität Europas zu stärken. Daher bin ich Ihren Ausführungen dankbar.
Eine Vielzahl an europäischen Techfirmen hat kürzlich einen offenen Brief an die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versandt, mit der Forderung, eine technisch unabhängige Infrastruktur von den USA in Europa aufzubauen. Da ich merke, dass Ihnen das Thema am Herzen liegt, möchte ich die Gelegenheit nutzen, um auf die bestehende Gesetzgebung auf EU-Ebene einzugehen. In diesem Zusammenhang sind zunächst der Digital Services Act (DSA) und Digital Markets Act (DMA) zu erwähnen. Diese beiden Gesetze bilden ein einheitliches Regelwerk und wurden in der letzten Legislatur geschaffen. Sie zielen darauf ab, faire Wettbewerbsbedingungen im digitalen Binnenmarkt zu schaffen und die Grundrechte von Nutzern zu schützen. Erste Sanktionierungen gegenüber großen Konzernen wie X, Temu, Google etc., werden bereits geprüft. Nicht zuletzt spielt dabei auch das Datenschutzniveau eine zentrale Rolle. Deshalb halte ich es für unabdingbar, europäische Datenschutzstandards konsequent gegenüber Tech-Konzernen durchzusetzen. Wir sollten Verbraucherschutz, Wettbewerb- und Marktregeln immer zusammendenken.
Darüber hinaus hat die EU ein weltweit erstes KI-Gesetz verabschiedet, durch das Europa im Bereich „vertrauenswürdige KI“ wettbewerbsfähig werden soll. Darunter kann auch das Europäische Chip-Gesetz gefasst werden, dass sich mit dem Ausbau der Halbleiterindustrie auseinandersetzt. Gerne stelle ich Ihnen den Link zur Verfügung, unter dem Sie die bestehenden Maßnahmen abrufen können: https://www.europarl.europa.eu/factsheets/de/sheet/64/eine-digitale-agenda-fur-europa
Aktuell steht eine Veröffentlichung der Europäischen Kommission an, die einen Aktionsplan vorlegen möchte, um Europa zu einem „KI-Kontinent“ zu transformieren. Medienberichten ist zu entnehmen, dass diese Investitionen, Bildungsprogramme und den Abbau regulatorischer Hürden enthalten sollen.
Das Thema strategische Autonomie im digitalen Bereich ist natürlich auch im Europäischen Parlament präsent und Gegenstand von Austauschen, Veranstaltungen oder Initiativberichten (INI), wie zum Beispiel ein INI mit dem Titel „Produktsicherheit und Einhaltung von Vorschriften im elektronischen Handel und bei Einfuhren aus Drittstaaten“ aus dem Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO). Nicht zuletzt haben auch die aktuellen Entwicklungen um die Zollpolitik der Trump-Administration das Thema stärker in den Fokus gerückt.
Falls Sie Rückfragen haben oder weitere Ideen einbringen möchten, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen aus Kassel
Daniel Bettermann, MdB