Portrait von Daniel Bettermann
Daniel Bettermann
SPD
88 %
/ 8 Fragen beantwortet
Frage von Maria P. •

Sehr geehrter Herr Bettermann, sind Sie bereit, sich der rechten Hetzkampagne mutig entgegenzustellen und in einem nächsten Wahlgang für Brosius-Gersdorf zu stimmen?

Sehr geehrter Herr Bettermann,
Ein Eklat, dass Frau Brosius-Gersdorf nicht ins Verfassungsgericht gewählt wurde. Sie steht für Grundrechte und Verfassungsintegrität. Ihre Positionen zum Abtreibungsrecht sind rechtswissenschaftlich fundiert und gesellschaftlich mehrheitsfähig. Sie ist für den 2. Senat nominiert – dort geht es u. a. um Parteiverbote, nicht um Abtreibung. Wer sie diffamiert, gefährdet die Unabhängigkeit der Justiz. Ich bitte Sie dringend, sich dafür stark zu machen, dass sie wie ursprünglich zwischen SPD und CDU vereinbart, gewählt wird.
Mit freundlichen Grüße
Maria P.

Portrait von Daniel Bettermann
Antwort von
SPD

Sehr geehrte Maria P., 

gerne möchte ich mich heute bei Ihnen für Anfrage  auf Abgeordnetenwatch und das Eintreten für die Unterstützung der von der SPD für das Amt der Richterin am Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorgeschlagenen Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf bedanken. 

Der Freitag vor der Sommerpause war in der Tat kein ruhmreicher für unsere Koalition. 

Ich sage es so, wie es ist: Das klar ersichtlich parteipolitische Taktieren der Union und die Instrumentalisierung der Richter:innenwahlen zulasten des Zusammenhalts der Koalition sowie der Handlungsfähigkeit des Gerichts als solche sind unverantwortlich. Ich kritisiere den Auftritt, den sich meine Kolleg:innen von der CDU/CSU hier geleistet haben, stark. 

Denn von den in den vergangenen Wochen zahlreichen dem Abstimmungs-Freitag vorweggegangenen Absprachen und der seitens CDU/CSU in diesem Zusammenhang signalisierten Zusage einer Zustimmung von Frau Brosius-Gersdorf haben die Unionsabgeordneten kurzfristig Abstand genommen und damit eine gefährliche Politisierung der Richterwahlen provoziert - und mehr noch: bewusst in Kauf genommen.

Natürlich ist es legitim, die eigene Meinung zu hinterfragen und nachträglich zu ändern. Natürlich ist es Ordnung, Recherchen bzw. Nachforschungen vorzunehmen, um eine individuelle Positionierung auf eine fundierte bzw. faktenbasierte Grundlage zu stellen. Insbesondere für eine Demokratie sind diese beiden Prinzipien – Meinungsbildung und eine unabhängige Wissenschaft – elementare Bestandteile. Mehr noch: Sie sind Grundbedingungen für die Funktionsfähigkeit unserer Staatsform. 

Das Ausscheren der Union indes hatte hiermit nichts zu tun. Seit Wochen war den Unionspolitiker:innen ja bekannt, wen wir als SPD ins Rennen schicken. Genug Zeit, sich über Frauke Brosius-Gersdorf zu informieren; genug Zeit, Hintergrundinformationen über die von ihr vertretenen politischen Ansichten einzuholen. Dass die Union kurzfristig aufgetretene Bedenken über das Kandidatinnenprofil als Grund für das Aufkündigen koalitionsinterner Absprachen genutzt hat, offenbart leider das Verständnis der Konservativen von Kooperation und bilateralen Absprachen. Anstatt Wort zu halten ist hier einer beschämenden Diffamierungskampagne von rechts gegen die profilierte, hochqualifizierte und über eine breite fachliche Anerkennung verfügende Juristin aufgesprungen, der sich die Union nicht hinreichend standhaft gegenübersah. Jens Spahn und Friedrich Merz konnten den Rückhalt ihrer eigenen Reihen nicht absichern und sind eingeknickt.   

Ich persönlich hätte mir hier mehr Integrität, staatspolitisches Pflichtbewusstsein und Verlässlichkeit gewünscht. Die schwarz-rote Koalition hat nur eine knappe Mehrheit im Bundestag. Umso wichtiger ist es, dass die SPD und CDU/CSU möglichst geeint auftreten und abstimmen. Hierzu gehört in meinem Verständnis die Einsicht, dass für beide Seiten teils auch schmerzhafte Kompromisse nötig werden. Ohne wird es nicht gehen. Denn die Alternative wäre auf kurz über lang ein Auseinanderbrechen der Koalition, erneute Neuwahlen und der erwartete verstetigte Zugewinn der Rechten. Das müssen wir verhindern. Und deswegen ist es auch so wichtig, jetzt mal eigene parteipolitische Befindlichkeiten oder Positionen hintenanzustellen, den Kompromiss als Instrument des Zusammenhalts ins Zentrum der Auseinandersetzung zu setzen – und Kompromisse, auf die man sich geeinigt hat, eben auch umzusetzen. 

Insbesondere vor dem Hintergrund der vor nicht mal drei Wochen erfolgten und mit Zustimmung der SPD ermöglichten temporären Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiäre Schutzberechtigte ist es für mich völlig unverständlich, dass die Union jetzt so schnell umfällt. Wir als Sozialdemokrat:innen haben zuletzt im Wahlkampf unsere Positionierung der Beibehaltung dessen stark eingefordert und sind hiermit auch in die Koalitionsverhandlungen mit der Union gegangen. Am Ende war uns aber bewusst, dass es in einer Koalition nicht darum geht, in faktischer Alleinherrschaft Wahlkampfversprechen umzusetzen, sondern zu schauen, inwieweit man mit dem Partner eine Einigung erzielen kann. Stets im Bewusstsein, dass eben diese Einigung Grundvoraussetzung für die Handlungsfähigkeit und Stabilität unserer Regierung ist. Die Zustimmung zur Aussetzung des Nachzugs von Familienangehörigen war für die SPD moralisch ziemlich schwer. Letzten Endes aber notwendig, um Verantwortung für unser Land zu übernehmen. Selbiges hätte ich mir von der Union bei der Wahl der Richter:innen erwartet. Dies habe ich auch im Interview mit der Hessischen/ Niedersächsischen Allgemeinen (HNA) bekräftigt, die mich um Stellungnahme gebeten hat. Gerne bin ich dem nachgekommen: 

https://www.hna.de/kassel/das-sagen-heimische-abgeordnete-zur-geplatzten-verfassungsrichter-wahl-93834901.html

Persönlich habe ich in der Frage, wie es der CDU-Fraktion nun gelingen kann, zuletzt selbstverschuldet verlorenes Vertrauen wieder zurückgewinnen, ein großes Fragezeichen. Spahn und Merz müssen mehr denn je beweisen, dass es ihnen um die Standhaftigkeit bei Absprachen und die Sicherstellung einer soliden Grundbasis der Koalition ernst ist. 

Dazu gehört auch zeitnah die klare Positionierung hinsichtlich des von uns als SPD unterbreiteten Vorschlags, in bilaterale Rücksprachen mit Frau Brosius-Gersdorf zu treten, um durch den hiermit ermöglichten vertrauensvollen Raum Vorbehalte aus dem Weg zu räumen. Wir als SPD sind gesprächsbereit. 

 

Mit freundlichen Grüßen

Ihr 

Daniel Bettermann 

Mitglied des Deutschen Bundestages 

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Daniel Bettermann
Daniel Bettermann
SPD