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Clemens Rostock
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Frage von Marie K. •

Frage an Clemens Rostock von Marie K. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Rostock,

Ich habe soeben auf Ihrer Grünen-Homepage nachgelesen, wofür Sie stehen und möchte Sie zu einigen Themen um Ihre Meinung bitten.

1. Absenkung des Wahlalters:

Auf wie viel Jahre genau? Sie streben damit sicher eine höhere Wahlbeteiligung an, gerade für Leute, die politisch unterrepräsentiert sind. Aber was sagen Sie gerade zum Risiko der Radikalen bei uns? Es wird doch so schon oft NPD gewählt und gerade das gilt es ja, zu vermeiden. Mit jedem Prozent, was diese Partei(en) mehr an Stimmen kriegen, erhalten sie auch mehr Geld aus dem Steuertopf und dafür will ich z.B. meine Steuern nicht zahlen, wenn ich dann arbeiten gehe.

2. Direktwahl Bundespräsident:

Ähnliche Ängste, denn dann ist es leichter eine Flitzpiepe dort hinein zu wählen, erweitert aber andererseits die Möglichkeiten. Warum haben Sie sich für eine so risikoreiche Position entschieden?

3. Harmonisierung der Steuern in Europa:

Das bedeutet in gewissem Umfange, dass es den ärmeren Ländern verboten wird, ihre Steuern weiter zu senken, aus Angst, dass Betriebe wegen niedrigeren Steuersätzen aus Deutschland abwandern. Ist das rechtlich durchsetzbar? Immerhin ist das ein großer Eingriff auf die Souveränität eines Landes. Es darf dann nicht mehr die Steuereinnahmen so kontrollieren, wie es für das Land eigentlich am besten wäre. Momentan gibt es auch noch große Unterschiede im Grad der Industrialisierung und der Wirtschaftskraft, so dass eine Angleichung der Steuern wahrscheinlich gerade für ärmere Länder ungerecht wäre. Warum bist Du trotzdem für eine Angleichung?

mit freundlichen Grüßen
Marie Krause

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Krause,

Danke für Ihre tiefgreifenden Fragen!

1. Absenkung des Wahlalters

Ich will mehr Demokratie auf allen Ebenen; dazu gehören auch Veränderungen im Wahlrecht. Durch die Altersgrenze ist ein großer Teil der Bevölkerung von der Wahl ausgeschlossen. Und in dieser Gruppe gibt es Leute die wahlfähiger sind als andere - genau wie in jeder anderen Bevölkerungsgruppe. Man denke nur zurück in die 90-iger als in der Schweiz noch nicht in allen Kantonen das Frauenwahlrecht anerkannt war! Auch da gab es ein ähnliches Argument gegen das Fraenwahlrecht: "Die wählen ja dann alle die Linken" oder "die wählen ja nur die gut aussehenden Männer" etc. Und in der Jugend wird mehr radikal gewählt - richtig. Aber die entscheidende Frage ist, ob das ein guter Grund ist um die ganze Gruppe nicht wählen zu lassen. In jeder Bevölkerungsgruppe, seien es Frauen oder Männer, Reiche oder Arme, Norddeutsche oder Süddeutsche, Ossis oder Wessis, oder eben Junge oder Alte - jede Gruppe hat ein anderes Wahlverhalten. Ich war letztens bei einer U18 Wahlveranstaltung in Fürstenwalde. Dort haben 12-17-jährige aus Fürstenwalde gewählt. Die NPD hat dort 13% und bundesweit 6,7% erreicht. Und Frau Krause Sie haben völlig Recht; solche Ergebnisse für diese Partei sind nicht gerade erfreulich. Aber daraus kann ich nicht den Schluss ziehen diese Gruppe nicht wählen zu lassen. Denn: Politik kümmert sich nur um Wähler. Und da unter-18-jährige keine Wähler sind wird sich nicht um sie gekümmert. Dadurch verfestigt sich m. E. solch Wählerverhalten bis sie 18 sind und wählen gehen dürfen. Dann ist es aber oft schon zu spät. Die Politik entledigt sich doch nur eines lästigen Problems und hofft darauf das sich das von alleine erledigt - tut es aber nicht. Wir müssen uns mit den Sympathien für Radikale bei den Jugendlichen ausseinandersetzen. Die Schulen werden bei diesem Thema mal wieder alleine gelassen.
Deshalb bin ich dafür, dass ein unter-18-jähriger, wenn er sich denn für Politik interessiert und wählen gehen will, zu seinem Amt gehen und sich ins Wählerverzeichnis eintragen kann. Ich bin also nicht für eine andere feste Altersgrenze. Es gibt übrigens auch Kinder- und Jugendverbände die das fordern. Andere fordern ein Familienwahlrecht, bei dem die Eltern eine weiter Stimme für jedes Kind bekommen. Solche Vorschläge lehne ich ab! Es gibt auch Schulen die total demokratisch aufgebaut sind; bei denen die Schüler den Unterricht mitbestimmen können. Dies Schulen funktionieren auch.
Die Gelder, die die Parteien für die Stimmen bekommen müssten natürlich den neuem Wählerumfang angepasst werden.

2. Direktwahl der/s BundespräsidentIn

Ich halte das jetzige System, das zur Wahl dieses Amtes führt, für ein besonders seltsames Konstrukt. Auch das Amt für sich und seine Aufgaben halte ich nicht für besonders günstig. Eine Direktwahl müsste auch mit einer Aufgabenneuordnung verbunden werden. Ich glaube nicht, dass die Wähler viel dümmer sind als die Politiker!

3. Harmonisierung der Steuern innerhalb der EU
Ich bin nicht für eine Angleichung aber für eine Harmonisierung der Steuern. Wir haben nun mal einen gemeinsamen Wirtschaftsraum. Das Problem ist doch, dass bestimmte Länder ihre Steuern weit senken damit die Unternehmen aus den anderen Ländern in ihr Land kommen. Die Steuermindereinnahmen werden dann wieder über den EU-Haushalt ausgeglichen, von den Ländern die nicht bereit waren ihre Steuern zu senken. Diese Länder sind gleich doppelt bestraft: Sie verlieren die Unternehmen und müssen das auch noch bezahlen. Sie werden dann auch ihre Steuern senken - das führt aber zu einer Spirale nach unten. Die Unternehmen fangen an Länder EINES Wirtschaftsraumes gegeneinander auszuspielen. Und das nicht nur bei den Steuern; bei sozialen und ökologischen Standards läuft es ähnlich. Es geht hier nicht um Nationalismus oder Zwang zur Angleichung sondern der Markt braucht hier einen Rahmen. In den USA z.B. gibt es Bundessteuern die über die ganzen USA gelten. Dazu kann jeder Bundesstaat seine eigenen Steuern einführen bzw. die Bundessteuern um einen Bundesstaatenteil erweitern. Auf EU-Ebene gibt es bereits Überlegungen zu einer Mindestbesteuerung von Unternehmen. Das geht in die richtige Richtung. Auch bei der Umwelt und beim Sozialsystem gibt es ja bereits Standards.

Mit freundlichen Grüßen,
Clemens Rostock
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