Wie setzen Sie sich dafür ein, dass Deutschland seiner Pflicht nachkommt gegen die Völkerrechtsverstöße Israels in Gaza zu handeln?
Mehrere internationale Organisationen, darunter die UN, Amnesty International und Human Rights Watch, haben wiederholt auf mögliche Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht durch Israel im Gazastreifen hingewiesen. Der Internationale Gerichtshof (IGH) hat im Januar 2024 in einem Zwischenurteil festgestellt, dass der Vorwurf des Völkermords durch Südafrika nicht offensichtlich unbegründet sei. Zudem fordert der IGH Israel auf, Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung zu ergreifen. Die humanitäre Lage in Gaza ist laut UN alarmierend: Über 30.000 Tote, massive Zerstörung der zivilen Infrastruktur und eine drohende Hungersnot wurden dokumentiert. Auch deutsche Waffenexporte an Israel werfen in diesem Zusammenhang völkerrechtliche Fragen auf. Als Bundestagsabgeordnete tragen Sie Verantwortung für die Einhaltung internationalen Rechts.
Quellen:
– IGH, Beschluss vom 26.01.2024
– UN OCHA Lageberichte Gaza
– Amnesty Intl. & HRW Reports

Sehr geehrte Frau S.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht über Abgeordnetenwatch.
Die Ereignisse in Gaza und die Bilder, die uns erreichen, erschüttern viele Menschen in Deutschland und Europa. Ihre Betroffenheit kann ich gut nachvollziehen und auch ich verfolge die Lage mit Sorge. Die humanitäre Situation in Gaza ist ohne Zweifel kritisch. Der Konflikt verursacht großes Leid, besonders unter Zivilisten. Humanitäre Hilfe – Zugang zu Wasser, Lebensmitteln und medizinischer Versorgung – muss dringend gewährleistet werden.
Bundeskanzler Friedrich Merz und Außenminister Johann Wadephul stehen dazu in engem Austausch mit Israel und weiteren internationalen Partnern, um die Lage zu verbessern. Eine neuerliche Ausweitung der Kampfhandlungen, insbesondere auf Gaza-Stadt, wo etwa eine Million Menschen leben, droht das Leid der Zivilbevölkerung zu verschlimmern. Vor diesem Hintergrund hat sich die Bundesregierung nach sorgfältiger Abwägung dazu entschieden, vorläufig keine Waffen mehr an Israel zu liefern, die im Gazastreifen eingesetzt werden könnten.
Gleichzeitig ist mir wichtig, an dieser Stelle Klarheit zu schaffen: Der Vorwurf des Völkermords ist rechtlich wie politisch äußerst schwerwiegend und unterliegt strengen völkerrechtlichen Kriterien. Bislang gibt es kein Urteil eines internationalen Gerichts, das Israel des Völkermords im Gazastreifen schuldig spricht. Ein Genozid setzt nachweislich den gezielten Vernichtungswillen gegenüber einer Bevölkerungsgruppe voraus – dafür gibt es bislang keine belastbaren Hinweise im Hinblick auf die israelische Regierung. Was wir beobachten, ist ein bewaffneter Konflikt, der seine unmittelbare Ursache im schweren Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 hat – dem schlimmsten Angriff auf jüdisches Leben seit der Shoah. Die Hamas hält zudem weiterhin Geiseln in ihrer Gewalt, darunter auch deutsche Staatsbürger. Diese Fakten gehören zum Gesamtbild und dürfen in der Betrachtung des Konflikts nicht ausgeblendet werden. In diesem Fall hat Israel – wie jeder Staat – das Recht, sich gegen terroristische Angriffe zu verteidigen. Dieses Recht unterstützen wir, fordern jedoch gleichzeitig, ziviles Leid so weit wie möglich zu verringern.
Bundeskanzler Friedrich Merz hat es unterstrichen: Die Grundlinien deutscher Israelpolitik bleiben unverändert. Deutschland trägt eine besondere Verantwortung gegenüber dem jüdischen Staat – historisch wie politisch. Die Sicherheit und das Existenzrecht Israels bleiben deutsche Staatsräson. Gerade das besondere Verhältnis zwischen unseren Staaten schafft die Grundlage dafür, auch in herausfordernden Momenten offen miteinander zu sprechen und Meinungsunterschiede zwischen unseren demokratisch gewählten Regierungen konstruktiv auszutragen.
Mit freundlichen Grüßen
Christoph de Vries