Warum haben Sie und Ihre Partei den EU-Antrag zur Überprüfung des Handelsabkommens mit Israel und dem Aufruf von 28 Staaten zur sofortigen Kriegsbeendigung in Gaza abgelehnt?
Sehr geehrter Herr Vries,
Ich bitte Sie meine Frage zu beantworten.
Zudem würde ich gerne wissen, ob Sie mit dem Fakt vertraut sind, dass sich eine Mehrheit der Deutschen, also auch ein Großteil ihrer Wählerschaft, gegen Waffenexporte nach Israel ausgesprochen haben (Quelle Spiegel Online: https://www.spiegel.de/politik/deutschland/gaza-krieg-deutsche-fuer-stopp-von-waffenlieferungen-an-israel-a-1cc3e00f-cd9b-424d-b6ea-db3844e88d3e)
Mit Blick darauf würde ich Sie also bitten in Ihrer Antwort darauf einzugehen ob Sie und Ihre Partei wirklich das derzeit aktive Aushungern von 2 Millionen Menschen und die gleichzeitig gezielten Angriffe und mögliche Vernichtung der Bevölkerung Gazas durch Waffengewalt Israels, letzteres auch durch deutsche Waffenlieferungen, mit einer fadenscheinigen Staatsräson begründen wollen?
Mit freundlichen Grüßen,
Kenyatta H.

Sehr geehrter Herr H.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht über Abgeordnetenwatch.
Die Ereignisse in Gaza und die Bilder, die uns erreichen, erschüttern viele Menschen in Deutschland und Europa. Ihre Betroffenheit kann ich gut nachvollziehen und auch ich verfolge die Lage mit Sorge.
Die humanitäre Situation in Gaza ist ohne Zweifel kritisch. Der Konflikt verursacht großes Leid, besonders unter Zivilisten. Humanitäre Hilfe – Zugang zu Wasser, Lebensmitteln und medizinischer Versorgung – muss dringend gewährleistet werden.
Bundeskanzler Friedrich Merz und Außenminister Johann Wadephul stehen hierzu in engem Austausch mit Israel und weiteren internationalen Partnern, um die Lage für die Zivilbevölkerung spürbar zu verbessern. Deutschland gehörte dennoch im Juli zu den Ländern, die sich gegen eine Überprüfung des Handelsabkommens mit Israel aussprachen – aus gutem Grund: Sie hätte zu einer Isolierung Israels geführt und wichtige Gesprächskanäle belastet.
Unser Ziel bleibt eine politische Lösung, die sowohl Israels Sicherheitsinteressen als auch den Schutz der Zivilbevölkerung im Gazastreifen gerecht wird.
Dennoch ist mir wichtig, an dieser Stelle Klarheit zu schaffen: Dieser Konflikt hat seine Ursachen im schweren Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 – dem schlimmsten Angriff auf jüdisches Leben seit der Shoah. Die Hamas hält zudem weiterhin Geiseln in ihrer Gewalt, darunter auch deutsche Staatsbürger. Diese Fakten gehören zum Gesamtbild und dürfen in der Betrachtung des Konflikts nicht ausgeblendet werden. In diesem Zusammenhang gilt: Israel hat – wie jeder Staat – das Recht, sich gegen terroristische Angriffe zu verteidigen. Dieses Recht unterstützen wir, fordern jedoch gleichzeitig, ziviles Leid so weit wie möglich zu verringern. Der Vorwurf des Völkermords gegenüber Israel ist rechtlich wie politisch äußerst schwerwiegend und unterliegt strengen völkerrechtlichen Kriterien. Bislang gibt es kein Urteil eines internationalen Gerichts, das Israel des Völkermords im Gazastreifen schuldig spricht. Langfristig muss das Ziel eine verhandelte Zwei-Staaten-Lösung sein - im breiten internationalen Einvernehmen, dass dies die beste Grundlage für eine tragfähige Friedenslösung bietet. Nur so kann die wiederkehrende Gewalt beendet werden – und Israelis wie Palästinensern ein Leben in Sicherheit, Freiheit, Würde und gleichen Rechten ermöglicht werden.
Bundeskanzler Friedrich Merz hat es unterstrichen: Die Grundlinien deutscher Israelpolitik bleiben unverändert. Deutschland trägt eine besondere Verantwortung gegenüber dem jüdischen Staat – historisch wie politisch. Die Sicherheit und das Existenzrecht Israels bleiben deutsche Staatsräson. Gerade dieses besondere Verhältnis bildet die Grundlage dafür, auch in schwierigen Zeiten offen und konstruktiv miteinander zu sprechen – selbst bei Meinungsunterschieden zwischen demokratisch gewählten Regierungen.
Mit freundlichen Grüßen
Christoph de Vries