Wie stehen sie zur Chatkontrolle?
Was halten Sie vom Briefgeheimnis? Gute Sache, oder? Die Chatkontrolle möchte dies nun nicht nur abschaffen, sondern durch eine totale Überwachung ersetzen. Das Schlimmste daran ist, dass sich diese Hintertüren nicht sicher gestalten lassen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch böswillige Menschen darauf Zugriff erlangen. China und Russland sind damit Tür und Tor geöffnet. Lösegeld-Erpressungen erreichen eine neue Dimension.Europa braucht starke Verschlüsselung als Schutz in der digitalen Welt. Das ist die Grundlage für alles: für Wirtschaft, für Demokratie, für Menschlichkeit.Und zuletzt nicht zu vergessen: Die AfD hat in der Sonntagsumfrage gerade die Mehrheit. Sie machen sich mitschuldig, wenn diese später die Chatkontrolle für eine politische oder ethnische Säuberung missbraucht.
Sehr geehrter Herr R.,
vielen Dank für Ihr Schreiben bezüglich des Vorschlags der dänischen Ratspräsidentschaft zur "Verordnung zur Prävention und Bekämpfung von Kindesmissbrauch im Internet" (auch bekannt als "Chatkontrolle"). Ich nehme Ihre Bedenken sehr ernst und möchte Ihnen im Nachfolgenden einen Überblick über den Stand der derzeitigen Verhandlungen geben.
Der Vorschlag hat zum Ziel, eine Mehrheit unter den Mitgliedsstaaten zu finden, damit wir auf EU-Ebene endlich handlungsfähig im Kampf gegen Kindesmissbrauch sein können. Gemäß Vorschlag erlaubt die Verordnung die Anwendung von Erkennungstechnologien - welche vorher sorgfältig auf ihre Wirksamkeit und Risiken für die Cybersicherheit geprüft wurden - bei Diensten mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nur vor der Übertragung der Inhalte. Das heißt, nur auf den Geräten der Nutzer, nicht während der Übertragung oder auf den Servern. Bevor eine solche Erkennung erfolgen darf, wäre die Zustimmung der Nutzer erforderlich. So kann und soll Cybersicherheit weiterhin umfassend geschützt werden.
Im November 2023 hat der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) des Europäischen Parlaments zum ursprünglichen Vorschlag der Kommission abgestimmt und eine klare Position eingenommen. Diese Position fand eine breite Zustimmung auch in dem Teil des Parlaments, welches Freiheitsrechte und Privatsphäre im Internet verteidigt.
In dem Bericht des Parlaments wurde ausdrücklich betont, dass Verschlüsselung, besonders Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, entscheidend für die Sicherheit und Vertraulichkeit der Kommunikation aller Nutzer ist. Die Verordnung soll daher weder die Verschlüsselung einschränken noch sie schwächen, wie in Änderungsantrag 9, Erwägung (9a) erkennbar wird. Anbieter dürfen ihre Dienste also weiterhin mit den höchsten Verschlüsselungsstandards anbieten, da diese für Vertrauen und Sicherheit digitaler Dienste unverzichtbar sind.
Änderungsantrag 9, Erwägung (9a) Die Verschlüsselung und insbesondere die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist ein Instrument von zunehmender Bedeutung, wenn es gilt, die Sicherheit und Vertraulichkeit der Kommunikation aller Nutzer, auch von Kindern, sicherzustellen. Jede Einschränkung oder Schwächung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung kann von böswilligen Dritten genutzt und missbraucht werden. Daher sollte keine Bestimmung dieser Verordnung dahin gehend ausgelegt werden, dass die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung untersagt, geschwächt oder untergraben wird. Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft sollten unter keinen Umständen daran gehindert werden, ihre Dienste unter Verwendung höchster Verschlüsselungsstandards zu erbringen, da eine solche Verschlüsselung für das Vertrauen in digitale Dienste und für ihre Sicherheit von wesentlicher Bedeutung ist.
Außerdem betont das Europäische Parlament in seiner Positionierung die Notwendigkeit, dass die Anordnung spezifisch und gezielt auf diejenigen ausgerichtet wird, die aufgrund eines „begründeten Verdachts“ mit sexuellem Kindesmissbrauch in Verbindung gebracht werden. Auf diese Weise soll wahlloses Scannen allgemeiner privater Kommunikation oder die Schwächung der Verschlüsselung vermieden werden und gleichzeitig können so rechtliche Instrumente geschaffen werden, um diese abscheulichen Verbrechen der Verbreitung von Kindesmissbrauch im Internet zu verhindern und zu bekämpfen.
Als Mitglied der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament ist es mir ein Anliegen zu betonen, dass wir in Europa entschieden gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern vorgehen müssen. Diese Verbrechen sind abscheulich und verdienen eine konsequente strafrechtliche Verfolgung. Daher benötigen die Ermittlungsbehörden wirksame und ausgewogene Instrumente, um die Täter aufzuspüren und die Opfer schützen zu können. Die vom Ausschuss beschlossene Positionierung zur genannten Verordnung berücksichtigt dieses Anliegen. Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein.
Mit der Positionierung im Europaparlament haben wir eine ausgewogene Balance gefunden, um den Schutz von Kindern zu stärken und gleichzeitig präventive Maßnahmen gezielt zu etablieren. Wir sehen darin eine dringend erforderliche Stärkung des Kinderschutzes im digitalen Raum sowie der Opferrechte, sowohl online als auch offline. Dabei kommt dem EU-Zentrum für den Schutz von Kindern eine entscheidende Rolle zu.
Es bleibt nun abzuwarten, ob der Vorschlag der dänischen Ratspräsidentschaft eine Mehrheit im Rat findet. Sollte dies der Fall sein, können Sie versichert sein, dass das Parlament bei interinstitutionellen Verhandlungsrunden seine gefundene Position verteidigen wird, um die Stimme der europäischen Bürger entschieden und verantwortungsvoll zu vertreten.
Das Europäische Parlament setzt sich also aktiv dafür ein, sexuellem Kindesmissbrauch entschieden entgegenzuwirken, ohne dass der Vorschlag sich zu einer „Chatkontrolle“ entwickelt, welche von rechten Parteien für undemokratische Ziele ausgenutzt werden könnte.
Mit freundlichen Grüßen,
Christine Schneider

