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Christiane Blömeke
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Frage von Wolfgang G. •

Frage an Christiane Blömeke von Wolfgang G. bezüglich Recht

Jugendgewalt

Einem Bericht des Hamburger Abendblattes vom 01. Juni 2010, Seite 12/13, habe ich entnommen, dass es im Bezirk Bergedorf mit einer neuen Form der Zusammenarbeit zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendgericht, dem so genannten „Bergedorfer Modell“, gelungen ist, die Jugendkriminalität in Bergedorf innerhalb eines Jahres um 15%, die Zahl der Gewalttaten sogar um 20% zu senken. Trotz dieser offensichtlichen Erfolge wird dieses Modell bisher für ganz Hamburg abgelehnt, von der Innen- und der Justizbehörde sogar offen boykottiert.
Was werden Sie tun, damit diese neue Form der Bekämpfung der Jugendgewalt in ganz Hamburg angewendet wird?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Glöckner,

haben Sie vielen Dank für Ihre Mail. Das Bergedorfer Modell ist auf den ersten Blick sehr interessant. Deshalb habe ich auch vor rund zwei Jahren das Amtsgericht besucht und mir vor Ort von Herrn Masch den Arbeitsansatz erläutern lassen. Die Idee, die Zusammenarbeit zwischen Familien- und Jugendrichtern zu intensivieren, um einen Gesamtblick auf die Familie eines jugendlichen Täters zu haben, finde ich genauso richtig wie eine schnelle Reaktion bei Auffälligkeiten wie z.B. Schulabsentismus. Kern des Bergedorfer Modells ist die Personalunion von Familien- und Jugendrichtern. Es liegt zunächst in der Zuständigkeit der Gerichte, eine solche Personalunion vorzunehmen. Die Politik kann hier keine Vorgaben machen. Da dies an anderen Gerichten bisher nicht erfolgt ist, gehe ich davon aus, dass dieser Ansatz bei anderen Familien- und Jugendrichtern auf Skepsis stößt. Ich persönlich habe den Eindruck, dass eine enge Kooperation zwischen Jugend- und Familienrichtern auch in den bestehenden Strukturen ohne Personalunion erreicht werden kann.

Leider hält das Bergedorfer Modell in der Praxis nicht, was es verspricht. Die im Abendblatt veröffentlichten Zahlen aus der Gerichtsstatistik von Herrn Masch, denen zufolge die Zahl der Straftaten um 15% und die Zahl der Gewalttaten sogar um 20% zurückgegangen seien, lassen leider keinen Rückschluss auf die tatsächliche Entwicklung bei Straf- und Gewalttaten zu. Ein Blick in die polizeiliche Kriminalstatistik macht dies deutlich. Die Zahl der Tatverdächtigen in Bergedorf im Alter von 14 bis 21 Jahren sank bei allen Straftaten nur um 8,5%, bei den Gewalttaten stieg die Zahl der Tatverdächtigen im Alter von 14 bis 21 Jahre um 5,4%. Bei allen erfassten Fällen von Gewaltkriminalität ist sogar ein Anstieg von 17,4% zu verzeichnen, bei den gefährlichen und schweren Körperverletzungen sogar um 30,6%.
Die Prüfung des Modells durch die Justizbehörde hat auch ergeben, dass die durchschnittliche Verfahrensdauer in Bergedorf deutlich über dem Hamburger Durchschnitt liegt. Dabei ist es doch unser Anliegen, Verfahren zu beschleunigen, damit auf Straftaten eine schnelle Reaktion folgt.

In der Öffentlichkeit ist der Eindruck entstanden, Herr Masch habe ein Patentrezept im Umgang mit Jugendkriminalität gefunden. Ich hoffe, ich konnte Ihnen deutlich machen, dass es einige gute und sinnvolle Ansätze beim Bergedorfer Modell gibt, gleichzeitig aber auch Zweifel an der Wirksamkeit bestehen. Auch die Justizbehörde hat sich intensiv mit dem Bergedorfer Modell befasst. Senator Steffen hat auch persönlich mit Herrn Masch gesprochen. Von einem Boykott kann daher aus meiner Sicht nicht die Rede sein.

Mit freundlichen Grüßen,

Christiane Blömeke