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Carsten Müller
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Frage von Beate L. •

Frage an Carsten Müller von Beate L. bezüglich Energie

Sehr geehrter Herr Müller,
ich verfolge mit großer Sorge das Schicksal des Gesetzesentwurfes zum Kohleausstiegsgesetz. Die ursprüngliche Intention der Kohlekommission zum Kohleausstieg, diesen zu beschleunigen und die Fördermengen zu reduzieren, wird ins Gegenteil verkehrt: Keine ursprünglich geplante Festlegung für eine Obergrenze der Kohlenutzung, sondern deren inakzeptable künstliche Aufrechterhaltung. Kohleindustrie wird als „energiewirtschaftlich notwendig“ bezeichnet.
Es kommen nach Einschätzung der Börsenwelt mehr als vier Milliarden Euro Entschädigungen auf uns zu und die Pariser Klimaziele sind unerreichbar. Der französischer Klima-Bürgerrat fordert Pro-Klima-Änderung der Verfassung und unsere Politiker versuchen, im Schnelldurchgang ein katastrophales KohleEINstiegsgesetz durchzupeitschen.
Wie positionieren Sie sich dazu?
Mit sehr besorgten Grüßen
B. L.

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Lippmann,

vielen Dank für Ihre Frage.

Ich habe dem Strukturstärkungsgesetz und dem Kohleausstiegsgesetz zugestimmt, weil ich überzeugt bin, dass wir damit eine nachhaltige und wirtschaftlich tragfähige Lösung für den Ausstieg aus der Kohleverstromung in Deutschland gefunden haben. Mit diesem Gesetzespaket werden Perspektiven für die vom Ausstieg betroffenen Regionen geschaffen und Vorkehrungen getroffen, damit eine sichere, bezahlbare und umweltverträgliche Energieversorgung weiterhin gewährleistet ist.

Deutschland ist das einzige Industrieland weltweit, das gleichzeitig aus der Kernkraft und der Kohleverstromung aussteigt. Das ist ein Kraftakt, der zeigt, dass wir uns der Verantwortung für kommende Generationen sehr wohl bewusst sind. Ihre Bedenken, dass die jetzt gefundene Lösung eines Ausstiegs aus der Kohleverstromung nicht ambitioniert genug sein könnte, kann ich im Grundsatz verstehen – ich teile sie jedoch nicht. Zudem bitte Sie, nicht zu vergessen, dass dieses Gesetzespaket im Kontext einer Reihe vieler weiterer zentraler Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen gesehen werden muss, die die Bundesregierung und die Union in den letzten Jahren auf den Weg gebracht haben.

Deutschland war eines der ersten Länder, das 2016 mit dem Klimaschutzplan 2050 eine langfristige Strategie für eine weitgehende Treibhausgasneutralität bis Mitte des Jahrhunderts beschlossen hat. Seit 2005 wurden in großem Maßstab Windräder und Solaranlagen gebaut. Der Anteil der Erneuerbaren am Endenergieverbrauch lag 2019 bei über 17 Prozent, im Stromsektor sogar bei rund 42 Prozent. Im 1.Quartal dieses Jahres lag der Anteil der Erneuerbaren an der Deckung des Inlandsstromverbrauchs gar bei mehr als 51 %. Zugleich ist der Primärenergieverbrauch aus Braun- und Steinkohle im 1. Quartal 2020 im Vergleich zu 2019 schon um über 30 % (Braunkohle) bzw. 22% (Steinkohle) zurückgegangen. Der Verbrauch aus Mineralöl und Erdgas ist ebenfalls weiter rückläufig. Die fossilen Energieträger werden also kontinuierlich von den Erneuerbaren abgelöst. Diese konnten im gleichen Zeitraum übrigens weiter ausgebaut werden – mit einem Plus von 6% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Um diese Entwicklung weiter voranzutreiben, wird ab 2021 ein nationaler Handel mit Verschmutzungsrechten für CO2 eingeführt, welcher bei Benzin und Diesel, Heizöl und Gas ansetzt. Der Einstiegspreis liegt dabei bei 25 Euro pro Tonne CO2 und steigt bis 2025 in Jahresschritten auf 55 Euro – für das Jahr 2026 wird ein Preiskorridor zwischen 55 und 65 Euro pro Zertifikat festgelegt. Zudem wird die Kfz-Steuer sich künftig stärker am CO2-Ausstoß orientieren, der Austausch einer alten Ölheizung gegen ein neues klimafreundliches Modell mit 40 Prozent der Kaufsumme gefördert und die energetische Sanierung von selbstgenutztem Eigentum ab 2020 steuerlich begünstigt. Darüber hinaus ist Deutschland auch ein wichtiges Geberland für die internationale Klimafinanzierung. Ab 2020 investiert die Bundesregierung jährlich 4 Milliarden Euro an Haushaltsmitteln für den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) leistet davon 80 Prozent. Insgesamt werden mit dem Engagement des BMZ in den nächsten 20 Jahren rund 234 Tonnen Treibhausgase vermieden – das sind über ein Viertel der jährlichen Emissionen Deutschlands. Diese und viele weiteren Maßnahmen tragen Früchte, denn der Treibhausgasausstoß in Deutschland sinkt. Von 1990 bis 2020 wird ein Rückgang von rund 40 Prozent erwartet – und das trotz Wirtschaftswachstums, steigender Bevölkerungszahlen und des Aussteigs aus der Kernkraft.

Vor dem Hintergrund dieser Maßnahmen haben wir mit dem Ausstieg aus der Kohleverstromung nun ein weiteres zentrales Element zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen auf den Weg gebracht. Dabei galt es, die gesetzlichen Grundlagen so festzulegen, dass eine sichere und wettbewerbsfähige Energieversorgung, die die Grundlage für den Wirtschaftsstandort Deutschland und damit für Millionen Arbeitsplätze, soziale Sicherheit und Wohlstand darstellt, auch weiterhin gewährleistet ist. Die Erneuerbaren nehmen, wie oben geschildert, eine immer zentralere Rolle in der Energieversorgung ein. Diese schrittweise Ablösung der fossilen Energieträger durch die Erneuerbaren ist ein Prozess, der – daran führt kein Weg vorbei – zunächst weiterhin von der Energiegewinnung aus Kohle flankiert werden muss. Deshalb ist nun eine schrittweise Reduktion der Kohleverstromung mit festen Zieldaten in 2022 (jeweils 15 Gigawatt Steinkohle, Braunkohle), 2030 (8 Gigawatt Steinkohle, 9 Gigawatt Braunkohle) und 2038 (null Gigawatt) vorgesehen. Die Reduzierung der Braunkohleverstromung erfolgt in Absprache mit den betroffenen Bundesländern durch gesetzliche Regelungen, flankiert von einem öffentlich-rechtlichen Vertrag mit den Kraftwerksbetreibern, dem der Deutsche Bundestag noch zustimmen muss und den Sie ganz transparent hier einsehen können: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/M-O/oeffentlich-rechtlicher-vertrag-zur-reduzierung-und-beendigung-der-braunkohleverstromung-entwurf.pdf?__blob=publicationFile&v=4. Unterdessen erfolgt der Ausstieg aus der Verstromung von Steinkohle zunächst durch Ausschreibungen und anschließend durch gesetzliche Reduktionen. Ganz zentral war dabei die Frage der Rechtssicherheit, die wir mit dem nun gefundenen Ausstiegsmechanismus sicherstellen können. Ich bin überzeugt: ein Kohleausstieg, der die Rechte der Kraftwerksbetreiber nicht ausreichend berücksichtigt, wäre fatal, da er in den nächsten Jahren erhebliche Mehrkosten produzieren, das Vertrauen in den Investitionsstandort Deutschland beschädigen und eine wirklich nachhaltige und effiziente Transformation der Energieversorgung in unserem Land in erheblichem Maße behindern würde.

Ich möchte außerdem darauf hinweisen, dass wir neben der Reduzierung der Braun- und Steinkohleverstromung mit diesem Gesetzespakt auch weitere wichtige Maßnahmen umgesetzt haben. So werden die Ausbauziele im Erneuerbaren-Energie-Gesetz (EEG) angepasst: im Jahr 2030 sollen 65 % des Bruttostromverbrauchs durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Damit verleihen wir den Erneuerbaren einen zusätzlichen Schub. Außerdem fördern wir den Umstieg in sichere, effiziente und klimafreundliche Kraftwerkstechnologien und haben daher auch die Rahmenbedingungen für die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) deutlich verbessert. Beim Ersatzbonus für den Umstieg von Kohle-KWK-Anlagen hat die Union erreicht, dass auch Anlagen, die auf klimafreundliche Biomasse umstellen, berücksichtigt werden. Außerdem haben wir Investitionen in die treibhausgasneutrale Erzeugung und Nutzung von Wärme sowie in die Umstellung bestehender Kraftwerke auf hocheffiziente und flexible Gas- oder Biomasseverstromung aus nachhaltiger Biomasse auf den Weg gebracht. Nicht zuletzt haben wir auch eine ausreichende Berücksichtigung der sozialen Folgen des Kohleausstiegs sichergesellt, indem wir ein Anpassungsgeld für ältere Beschäftigte verankert haben.

Sehr geehrte Frau Lippmann, ich bin überzeugt, dass wir mit dem beschlossenen Paket aus Kohleausstiegs- und Strukturstärkungsgesetz eine tragfähige Lösung gefunden haben, um als einzige Industrienation der Welt neben dem Ausstieg aus der Kernenergie gleichzeitig nun auch den Ausstieg aus der Kohleverstromung umzusetzen. Das Kohleausstiegs- und das Strukturstärkungsgesetz adressieren die großen struktur- und energiepolitischen Herausforderungen der nächsten Jahre und ebnen einen nachhaltigen und sozial verträglichen Weg hin zu einer treibhausgasarmen Energieversorgung, die die Voraussetzung für das Erreichen unserer Klimaziele ist. Ich hoffe, dass Ihnen dies nachvollziehbar darlegen konnte und verbleibe

Mit freundlichen Grüßen

Carsten Müller

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