Warum nimmt der Staat dem Bürgern soviel Geld weg ?
Sehr geehrter Herr Brodesser,
der Bund der Steuerzahler sagt, „ Der Staat nimmt dem Bürgern von einem Euro 52,9 % als Abgaben, Steuern und Sozialabgaben weg. Demnach bleiben von erwirtschafteten 1000.- € nur 471.- € übrig.
Finden Sie das gerecht und warum nimmt der Staat soviel?
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Jürgen W.
Sehr geehrter Herr W.,
ihre Frage berührt den Kern der Debatte um Steuergerechtigkeit und staatliche Verantwortung und beruht auf den Berechnungen des "Bundes der Steuerzahler", der den sogenannten „Steuerzahlergedenktag“ berechnet. Dabei wird geschätzt, wie viel Prozent des durchschnittlichen Einkommens an Steuern und Sozialabgaben abgeht.
Allerdings ist diese Zahl umstritten, weil sie durchschnittliche Belastungen rechnet, nicht individuelle. Sie erfasst zudem auch indirekte Abgaben wie Mehrwertsteuer und rechnet diese teilweise doppelt ein. Schließlich werden bei der Berechnung die staatlichen (Gegen-)Leistungen (z. B. Rentenansprüche) nicht gegengerechnet.
Von daher werden mit der Zahl auch Emotionen geschürt. Man kann m.E. nicht sagen, dass der Staat einem „die Hälfte wegnimmt“, sondern eher, dass man in ein gemeinsames System einzahlt, aus dem man später auch Leistungen bezieht.
Lassen Sie mich dies kurz sachlich und ausgewogen erläutern. Wir leben in Deutschland einem ausgeprägten Sozialstaatsmodell auf das wir zu Recht stolz sind. Dazu braucht der Staat allerdings Geld, um dies alles finanzieren zu können. Dazu erhebt er Steuern und Abgaben, um öffentliche Aufgaben zu finanzieren. Dazu gehören:
* Soziale Sicherung: Renten, Krankenversicherung, Pflege, Arbeitslosengeld, Kindergeld usw.
* Infrastruktur: Straßen, Bahn, Energieversorgung, öffentlicher Nahverkehr.
* Bildung & Forschung: Schulen, Universitäten, Kindergärten.
* Innere & äußere Sicherheit: Polizei, Justiz, Bundeswehr.
* Umwelt & Gesundheitsschutz.
* Verwaltung & öffentliche Ordnung.
Das heißt, je mehr Leistungen wir vom Staat erwarten, desto mehr muss der Staat auch von seinen Bürgern einfordern. Deshalb sind die Sozialabgaben (Renten-, Kranken-, Arbeitslosenversicherung) ein großer Teil der Belastungen von uns als Bürger.
Ob dies gerecht ist, ist eine Frage der persönlichen Perspektive. Nach meinem Dafürhalten ist es gerecht ,da jeder nach dem Solidarprinzip seinen Beitrag leisten sollte. Danach sollten die Beiträge nach seiner Leistungsfähigkeit bemessen sein, um die Schwächeren zu unterstützten. Die Bürger erhalten im Gegenzug für ihre Leistungen eine soziale Absicherung und öffentliche Dienstleistungen. Schließlich schaffen wir durch das System eine Gleichheit der Chancen. Durch staatliche Bildung, garantierte Gesundheitsversorgung und soziale Sicherung wird Ungleichheit reduziert.
In wirtschaftlich schwieriger Lage müssen wir allerdings die Frage zulassen, ob wir uns den Sozialstaat in dem Umfang tatsächlich noch leisten können, um die hohe Abgabenlast für die Bürger nicht noch mehr zu erhöhen. Dieser Aufgabe stellt sich die Bundesregierung mit der Einrichtung einer Sozialstaatskommission, die versuchen soll, die Relationen wieder ins Lot zu bringen. Dabei soll die Effizienz, Komplexität und teilweise Intransparenz mancher Leistungen untersucht werden. Ebenso sollen Leistungsanreize gesetzt und die Eigenverantwortung gestärkt werden.
Daher ist auch jeder Bürger aufgefordert sich einzubringen und Eigenverantwortung zu übernehmen und sein Anspruchsdenken gegenüber dem Staat zu hinterfragen.
Mit freundlichen Grüßen
Carsten Brodesser

