Dr. Carsten Brodesser
Carsten Brodesser
CDU
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Frage von Simon K. •

Frage an Carsten Brodesser von Simon K. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Brodesser,
was wurde nach der Finanzkrise 2008/2009 dafür getan, dass dies nicht wieder passiert? Machen Soe sich für eine Finanztransaktionssteuer stark, die NICHT gegen die Kleinanleger ausgerichtet ist und somit gegen die Realwirtschaft, sondern gegen die Aktienspekulationen, die das System labil machen?

Was kann gegen Hedge-Fonds und Leerverkäufen getan werden und sollten Wetten auf Lebensmittel verboten werden, da diese aufgrund von Hunger auf der Welt unmoralisch sind?

Dr. Carsten Brodesser
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr K.,

vorwegschicken möchte ich zunächst, dass ich selber erst seit 2017 Mitglied des Bundestages bin und von daher die Finanzkrise 2008 ebenfalls nicht aus Sicht eines Politikers, sondern in meinem vorherigen beruflichen Umfeld erlebt habe.

Ihre Fragestellung ist durchaus berechtigt, würde aber für eine vollumfängliche Beantwortung diesen Rahmen ein wenig sprengen, so dass ich mich auf einige Kernelemente beschränke:
Anfang Oktober 2008 übernahm die Bundesregierung kurzfristig eine Garantie für die privaten Spareinlagen der Bürger. Nach Schätzungen des Finanzministeriums belief sich die Summe der garantierten Spareinlagen auf 568 Milliarden Euro, schließt man Termin- und Girokonten ein sogar deutlich über eine Billion Euro. Mit dieser Garantie hat die Bundesregierung verhindert, dass die Bürger aus Panik vor Bankpleiten ihre Konten plündern.

Sehr schnell hat die Bundesregierung und das Parlament dann im Oktober 2008 eine "Notoperation" durchgeführt durch die Verabschiedung des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes, um den angeschlagenen Finanzmarkt vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Damit hatte sich die Politik auch Zeit für international abgestimmte mittel- und langfristige Maßnahmen verschafft. Durch das Gesetz wurden drei Instrumente geschaffen, mittels derer der Staat die Finanzinstitute und das Finanzsystem vor dem Kollaps retten wollte. Die Umsetzung der Maßnahmen oblag dem Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung - SoFFin.

Das wesentliche Instrument des SoFFin stellten staatliche Garantien dar, die in einer Gesamtsumme von 400 Milliarden Euro bereitgestellt wurden. Finanzinstitute konnten diese Garantien (Bürgschaften) gegen eine marktgerechte Vergütung beantragen. Ziel der Garantien war es, das Vertrauen der Banken untereinander wieder herzustellen, so dass sie wieder zur gegenseitigen Kreditgewährung (am sogenannten Interbankenmarkt) bereit waren, und der Zahlungsverkehr (der "Blutkreislauf" des Finanzsystems) wieder einwandfrei funktionierte. Der Staat bürgte als vertrauensbildende Maßnahme mittels des SoFFin dafür, dass Banken ihr an andere Banken entliehenes Geld bei evtl. Schwierigkeiten zurückerhielten. Im öffentlichen Haushalt sollten die Garantien erst bei Inanspruchnahme zum Tragen kommen.

Durch ein zweites Instrument sollten Kreditinstitute auch Eigenkapitalhilfen (z. B. Aktien) oder die Übernahme sonstiger Bestandteile der Eigenmittel aus dem SoFFin (sogenannte Rekapitalisierung) beantragen können. Dafür waren im Fonds maximal 80 Milliarden Euro vorgesehen. Der Staat nahm für diese Hilfen marktübliche Zinsen, um die Eigenkapitalbasis der Banken zu stärken, die durch die Verluste der Vergangenheit aufgezehrt wurden. Die Stärkung der Eigenkapitalbasis war also für Banken überlebenswichtig, da sonst keine Kreditgeschäfte mehr möglich waren.

Schließlich ging es in dem Gesetz darum, dass der SoFFin auch sogenannte "toxische" Wertpapiere aufkaufen konnte, mit dem Ziel, die riskanten und verlustreichen Papiere bis zum Ende ihrer Laufzeit aus den Bilanzen der Banken zu entfernen (sogenannte Risikoübernahme). Im Mai 2008 wurde ergänzend das Gesetz zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung vom Bundestag beschlossen, das das Instrument der Risikoübernahme verstärkte. Dadurch hatten Banken die Möglichkeit, Auffangbanken - sogenannte Bad Banks - einzurichten, die die toxischen Wertpapiere aufkaufen und bis zu ihrer Fälligkeit verwahren.

Die Auslagerung sollte in erster Linie den Eigenkapitalverzehr durch Abschreibungen bremsen und das gegenseitige Vertrauen der Finanzinstitute stärken. Im Tausch gegen die "Schrottpapiere" erhielten die Banken von den Zweckgesellschaften gegen Zahlung einer Gebühr Schuldverschreibungen, die die Bankbilanz entlasten sollen. Der SoFFin bürgt über eine maximale Dauer von 20 Jahren für diese Papiere. Nimmt ein Finanzinstitut Hilfen des SoFFin in Anspruch, so behält sich dieser vor, Einfluss auf die Geschäftspolitik der entsprechenden Bank zu nehmen bzw. die Banken bis zu einem gewissen Grad für die zu erwartenden Verluste aus toxischen Papieren mithaften zu lassen. Zu diesen Auflagen gehört z.B. auch eine Höchstgrenze für Vorstandsbezüge, ein Verzicht auf Bonuszahlungen sowie ein Verzicht auf Dividendenausschüttungen.

Neben der kurzfristigen Stabilisierung des nationalen Finanzsystems, ging es dann in den Folgejahren darum, die "Spielregeln" auch international den Entwicklungen auf den Finanzmärkten anzupassen, um solche kritischen Szenarien zukünftig zu vermeiden. Hierüber gab es dann viele internationale Finanzgipfel. Im internationalen Kontext ging es beispielsweise auch darum, die in einigen "Südländern" der EU überproportional verbreitete Übernahme von Risikopapieren der Kreditinstitute zurückzufahren, um auch europäisch eine Stabilisierung herbeizuführen.

Europäisch wurden dann mit dem gemeinsamen Ziel der Schaffung einer neuen Finanzmarktarchitektur weitere finanzmarktpolitischen Maßnahmen zur Stabilisierung der Märkte veranlasst, wie:
- Regulierung und Aufsicht von Finanzinstituten (Ausbau der BaFin),
- Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Geldwäsche,
- Bilanzierung bei Finanzinstituten sowie
- zu deren Manager-Vergütung

Die Regulierung und Aufsicht von Finanzinstituten soll auf alle systemisch relevanten Finanzinstitute, -instrumente und -märkte ausgedehnt werden, um systemische Risiken frühzeitig erkennen und darauf eingehen zu können. Insbesondere Hedgefonds und Ratingagenturen sollen in Zukunft dieser verbindlichen Regulierung und Aufsicht unterliegen. In diesem Zusammenhang wurde beschlossen, nationale Regulierungsbehörden mit der nötigen Macht auszustatten um besseren Zugriff auf die relevanten Informationen aller Finanzeinrichtungen zu haben. Die momentane Diskussion um die BaFin und ihre Befugnisse zeigt deutlich, dass dieser Prozess noch lange nicht abgeschlossen ist. Im Gegenteil, wir müssen ihn noch beschleunigen. Im Finanzausschuss des Bundestages, dessen Mitglied ich bin, ist dies daher ein Dauerthema, das wir parlamentarisch sehr eng begleiten. Auch der Ausbau des 2011 installierten europäischen Aufsichtssystems wird durch die Einführung eines einheitlichen Aufsichtsmechanismus für die größten europäischen Banken permanent weiterentwickelt und ergänzt. Die Bilanzierung bei Finanzinstituten soll anhand global einheitlicher Standards erfolgen und dadurch mehr Transparenz ermöglichen.

Seit 2015 ist bei der BaFin zudem der kollektive Verbraucherschutz als Aufsichtsziel fixiert. Um diesem Ziel gerecht zu werden, hat die BaFin Anfang 2016 eine Abteilung für verbraucherschutzrelevante Themen geschaffen, nachdem das Kleinanlegerschutzgesetz ihr eine Reihe an Aufsichtsinstrumenten zur Prävention und Beseitigung von Missständen an die Hand gegeben hat. So kann sie Anordnungen treffen, um verbraucherschutzrelevante Missstände zu verhindern oder zu beseitigen, wenn eine generelle Klärung im Interesse des Verbraucherschutzes geboten erscheint.
In schwerwiegenden Fällen kann sie sogar den Vertrieb von Produkten beziehungsweise bestimmte Vertriebspraktiken einschränken oder gänzlich untersagen - nämlich dann, wenn der Anlegerschutz, die Funktionsfähigkeit oder die Integrität der Finanzmärkte gefährdet ist.
Es wurden nachhaltigen Entlohnungsstrukturen entwickelt, die vorsehen, die Manager-Vergütung künftig stärker am langfristigen Erfolg einer Bank auszurichten. Aktionären sollen zudem bessere Informationen zur Verfügung gestellt werden. Die Überwachung dieser Vorgabe soll durch die Aufsichtsbehörden erfolgen. Als Vorgabe wurden - um das Vertrauen von Anlegern, Verbrauchern und KMU zu stärken - weiter beschlossen und größtenteils auch bereits umgesetzt:
- Eine verbraucherfreundlichere Mitteilung über Anlageprodukte für Kleinanleger, die klarer über Kosten und Risiken informieren (MIFID II)
- Maßnahmen zur Stärkung des Schutzes von Einlegern, Anlegern und Versicherungsnehmern
- Maßnahmen für verantwortungsvolles Kreditgebaren.
- Schließlich sollen wirkungsvollere Sanktionen gegen Fehlverhalten am Markt ermöglicht werden.

Sehr geehrter Herr K., ich denke Sie sehen, es ist eine Menge passiert in der Zwischenzeit um Verbraucher zu schützen und die Märkte zu stabilisieren. Bei den von Ihnen angesprochenen Warentermingeschäften ist ebenfalls ein langer Atem angesagt und viel internationales Verhandlungsgeschick um auch hier die Gefahren einzudämmen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr.Carsten Brodesser

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