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Frage von Tobias R. •

Frage an Brigitte Zypries von Tobias R. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Zypries!

Vor einiger Zeit habe ich einige Kritik und Anregungen zum "Gesetzentwurf zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie" vorgetragen. Mittlerweile wurde dieser Gesetzentwurf in einigen Punkten abgeändert, was mir zeigt, daß meine Kritik scheinbar nicht ganz unberechtigt war, und in dieser abgeänderten Form auch beschlossen.

Nun war es leider so, daß der endgültige Gesetzentwurf erst sehr spät - wenige Tage vor der Abstimmung - an die Öffentlichkeit gelangt ist und daß eine weitere Debatte dadurch unterbunden wurde. Zu dem nunmehr beschlossenen Gesetz habe ich folgende Fragen:

Das Gesetz operiert mit folgenden Kategorien von "Jugendpornographie":
1. Tatsächliches Geschehen.
2. Wirklichkeitsnahes Geschehen.
3. Sonstiges (nicht wirklichkeitsnahes) Geschehen.

Erste Frage: Wie definieren Sie die letzten beiden Kategorien?

Zweite Frage: Wenn zur Definition "Scheinjugendliche" gehören, wie sollen diese optisch von jungen Erwachsenen unterschieden werden? Weiterhin: In welche Richtung läuft hier die Beweislast? Muß man bei einer real 25-Jährigen annehmen, daß diese "jugendlich" ist, bis das Gegenteil bewiesen wurde? Wie sieht es mit Zeichnungen, Computergrafiken, Schriftstücken aus, denen ja keine realen Personen egal welchen Alters zugrunde liegen?

Dritte Frage: Was ist der Schutzzweck des Verbreitungsverbotes von Jugendpornographie, der kein tatsächliches Geschehen zugrunde liegt? Warum hat die Bundesregierung bei der Umarbeitung des Gesetzesentwurfs keinen Gebrauch von den diesbezüglichen Ausnahmeregelungen der EU-Richtlinie gemacht?

Vierte Frage: Wird es bald notwendig werden, die Videotheken in diesem Land flächendeckend zu schließen, weil sie "Scheinjugendpornographie" verbreiten? Welche Kapazitäten von Polizei und Justiz werden, wenn ja, dafür aufgewendet?

Mit freundlichen Grüßen

Tobias Riepe

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Sehr geehrter Herr Riepe,

der neue § 184c des Strafgesetzbuchs (Verbreitung, Erwerb und Besitz jugendpornographischer Schriften) operiert mit den Begriffen "tatsächliches Geschehen" und "wirklichkeitsnahes Geschehen". Diese Begriffe sind dem geltenden § 184b des Strafgesetzbuchs (Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften) entnommen. Als „Geschehen“ sind dabei sexuelle Handlungen von, an oder vor Personen zwischen 14 und 18 Jahren zu verstehen, die Gegenstand einer jugendpornographischen Schrift sind. "Wirklichkeitsnah“ ist ein Geschehen, bei dem ein durchschnittlicher, nicht sachverständiger Beobachter nicht sicher ausschließen kann, dass es sich um ein tatsächliches Geschehen handelt.

Auf die Kategorie "Scheinjugendlicher" bezogen bedeutet das, eine jugendpornographische Schrift liegt vor, wenn aus der Sicht eines verständigen Beobachters nicht sicher ausgeschlossen werden kann, dass die Darsteller Jugendliche sind. Mit dem Gesetz sollen Jugendliche vor der Ausbeutung durch die Porno-Industrie geschützt werden. Das Gesetz würde in der praktischen Anwendung aber nahezu leer laufen, wenn nur die Verbreitung tatsächlicher Jugendpornographie strafbar wäre. Dann müsste nämlich bei jedem Bild der Darsteller ausfindig gemacht werden, um nachzuweisen, dass dieser zum Zeitpunkt der Herstellung noch unter 18 Jahre alt war. Natürlich werden Polizei und Justiz wie in jedem anderen Fall auch für die Einhaltung des Rechts Sorge tragen; die flächendeckende Schließung von Videotheken im Bundesgebiet halte ich aber für eine abwegige Befürchtung.

Weiterführende Informationen können Sie der Homepage des Bundesministeriums der Justiz unter www.bmj.de entnehmen.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries