Warum möchten Sie Bürgergeldempfänger:innen zu gemeinnütziger Arbeit verpflichten, statt in Aus- und Weiterbildung zu investieren, um Fachkräfte in den Arbeitsmarkt zu bringen?
Die Evidenz spricht klar für Investitionen in Aus- und Weiterbildung statt pauschaler gemeinnütziger Arbeit. Qualifizierungsmaßnahmen, besonders betriebsnahe und zertifizierte Umschulungen/Teilqualifikationen, erhöhen Beschäftigungs- und Lohnchancen nachhaltig und sind fiskalisch rentabel [IZA World of Labor: Card et al. 2018, doi:10.15185/izawol.58; OECD Employment Outlook 2021, Kap. Active Labour Market Policies]. Deutsche Evaluierungen zeigen positive Effekte von Weiterbildung und Teilqualifikationen in Engpassberufen [IAB-Kurzbericht 6/2020; IAB-Forschungsbericht 10/2015]. Workfare-/1‑Euro-Job-Programme erzielen hingegen geringe Übergänge in reguläre Jobs, bergen Verdrängungsrisiken und hohe Verwaltungskosten [IAB-Discussion Paper 6/2009; Eichhorst/Grienberger-Zingerle 2008].

Sehr geehrter Herr P.,
haben Sie vielen Dank für Ihre über abgeordnetenwatch.de gestellte Frage und für die Hinweise auf wissenschaftliche Studien zur Arbeitsmarktpolitik. Gerne möchte ich dazu Stellung nehmen.
Für mich ist klar: Wir brauchen beides, Qualifizierung und Weiterbildung auf der einen Seite, aber auch die Erwartung an Leistungsberechtigte, ihren Teil zur Gesellschaft beizutragen, wenn sie staatliche Unterstützung erhalten. Investitionen in Aus- und Weiterbildung sind ein zentraler Baustein, um Fachkräfte für unseren Arbeitsmarkt zu gewinnen. Gerade in Engpassberufen sehe ich darin eine große Chance, und ich unterstütze ausdrücklich, dass die Jobcenter hier mehr Möglichkeiten zur Förderung nutzen.
Gleichzeitig bin ich der Überzeugung, dass zum Sozialstaat auch die Verpflichtung gehört, die eigene Arbeitskraft einzubringen, wenn dies möglich ist. Deshalb halten wir es für richtig, Bürgergeldempfängerinnen und -empfänger künftig verstärkt zu gemeinnütziger Arbeit heranzuziehen, wenn sie keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Es geht dabei nicht um „1-Euro-Jobs“ oder den Ersatz regulärer Beschäftigung, sondern um einen Beitrag zum Gemeinwesen – verbunden mit der Erwartung, dass staatliche Unterstützung keine Einbahnstraße ist.
Wir als Union wollen so sicherstellen, dass der Grundsatz „Fördern und Fordern“ wieder stärker gelebt wird: Weiterbildung dort, wo sie sinnvoll ist und Menschen dauerhaft in Beschäftigung bringt – aber eben auch eine aktive Mitwirkungspflicht, wenn Integrationsangebote nicht angenommen werden.
Ich bin überzeugt, dass wir nur mit dieser Balance zwischen Qualifizierung und Verbindlichkeit sowohl den Fachkräftebedarf decken als auch die Akzeptanz unseres Sozialstaats sichern können.
Für einen weiteren Austausch zu diesem wichtigen Thema stehe ich Ihnen gerne in meiner Bürgersprechstunde zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Björn Simon