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Bettina Lugk
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Frage von Dr. Lienhard W. •

Wie können wir DIE RUSSISCHE BEVÖLKERUNG WAHRHEITSGEMÄSS INFORMIEREN über Putins Angriffskrieg und die Kriegsverbrechen in der Ukraine?

Guten Tag, liebe Frau Lugk,

Putin führt seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine auch, indem er die russische Bevölkerung von authentischen Informationen abschneidet, freie Presse verbietet und Oppositionelle als "Volksverräter" brandmarkt – wie schon sein Vorgänger Stalin.

Die Folge: Die Mehrheit der Russen glaubt den gleichgeschalteten russischen Staatsmedien. Viele Russen halten Putins Überfall auf die Ukraine für eine Art Nothilfe gegen einen angeblichen "Völkermord" und verhalten sich daher zustimmend zu seinem Krieg oder abwartend.

Je wirksamer wir mit authentischen Informationen PUTINS LÜGENSCHLEIER DURCHBRECHEN, desto eher wird der Krieg und auch Putins Herrschaft enden.

Daher meine Frage an Sie als Mitglied des Auswärtigen Ausschusses:
Wie können wir die russische Bevölkerung wahrheitsgemäß informieren über Putins Angriffskrieg und seine Kriegsverbrechen in der Ukraine?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr W.,

vielen Dank für Ihre Frage.

Sie sprechen eine zentrale Herausforderung an: Wie gelingt es uns, die russische Bevölkerung - entgegen der von Putin betriebenen Propaganda - über den Krieg in der Ukraine zu informieren? Denn während die russischen Staatsmedien nach wie vor von einer "militärischen Spezialoperation" sprechen, führt Putin einen schrecklichen Angriffskrieg gegen sein Nachbarland.

Zunächst müssen wir feststellen, dass Presse und Medien in Russland schon seit vielen Jahren nicht mehr frei und unabhängig sind. Putin kontrolliert alle großen Medienhäuser inklusive dem Staatsfernsehen. Darüber hinaus wurde auch die organisierte Zivilgesellschaft in ihrer Informations- und Aufklärungsarbeit stark behindert bzw. ausgeschaltet. Das Sendeverbot für die Deutsche Welle und das Verbot der Menschenrechtsorganisation Memorial einige Wochen vor Beginn des Krieges haben dies noch einmal verdeutlicht.

Auch das Internet ist in Russland längst kein Ort der freien Rede mehr. Mit dem nun verhängten Verbot der Plattformen Facebook und Instagram hat Putin erneut gezeigt, dass er zu allem bereit ist, um die freie Meinungsäußerung zugunsten der staatlichen Propaganda auszuschalten.

All diesen Repressionen zum Trotz sind in den letzten Wochen tausende Russ:innen auf die Straße gegangen, um gegen den Krieg zu demonstrieren - im Wissen darum, dass ihnen Verhaftungen und Folter drohen, wenn sie sich gegen das Regime aussprechen. Der Mut der Nachrichtenjournalistin, die während einer Live-Sendung im Staatsfernsehen eine Anti-Kriegs-Botschaft in die Kamera hielt, steht exemplarisch für das Aufbegehren der russischen Bevölkerung. Und er zeigt, dass viele Menschen noch immer Zugang zu objektiven Informationen über das Kriegsgeschehen haben - nicht zuletzt dank verschlüsselter Informationsdienste und den Sozialen Medien.

Und  genau hier müssen wir ansetzen: Informationsangebote in russischer Sprache, die auf den Sozialen Medien (teils über sog. VPN-Schlüssel) zugänglich gemacht werden können, sind ein wichtiger Baustein und viele engagierte Journalist:innen arbeiten derzeit an diesen Angeboten. Aber auch die vielen privaten Kontakte nach Russland, die Menschen in Deutschland unterhalten, können im Kleinen dabei helfen, Informationen zu übermitteln. Nicht zuletzt leistet die ukrainische Armee einen großen Beitrag, indem sie desertierte oder gefangen genommene russische Soldat:innen öffentlich sprechen und in Kontakt mit ihren Familien treten lässt, damit sie die Wahrheit über den Krieg zuhause erzählen können.

Angesichts der russischen Abschottung werden all diese Kanäle immer schwieriger zu nutzen sein. Und wir dürfen uns dabei nichts vormachen: Putin hat sich durch den Aufbau eines unfreien, von ihm kontrollierten Medienapparats die Deutungshoheit in weiten Teilen der Gesellschaft gesichert. Am Ende des Tages wird der Druck jedoch mit jeder Familie, die ein Kind an die Front schicken muss, zunehmen.

Ich danke Ihnen erneut für diese Frage und hoffe, dass wir gemeinsam immer neue Wege finden werden, mit der russischen Zivilbevölkerung im Austausch zu bleiben - denn auch die Russ:innen sind Opfer von Putins Krieg, und wir dürfen ihren Mut und Widerstand nicht vergessen.

Mit freundlichen Grüßen

Bettina Lugk

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