Warum den Mindestlohn erhöhen, wenn dadurch die Preise steigen könnten? Besteht die Gefahr, dass höhere Löhne durch höhere Kosten wieder ausgeglichen werden und faire Löhne so verloren gehen?
Sehr geehrte Frau Bas,
Eine Erhöhung des Mindestlohns kann dazu führen, dass Unternehmen ihre gestiegenen Lohnkosten durch höhere Preise an die Verbraucher weitergeben. Dies kann eine sogenannte Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen, bei der steigende Löhne zu höheren Preisen führen, was wiederum weitere Lohnerhöhungen nach sich ziehen könnte.
Eine Senkung der Lohnsteuer für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie eine Umverteilung der Steuerlast auf vermögende Betriebe könnte dazu beitragen, den Spielraum für Arbeitgeber bei der Bezahlung ihrer Mitarbeiter zu erweitern. Dies könnte nicht nur faire Löhne sichern, sondern auch die Belastung für Endverbraucher möglichst gering halten. Zudem besteht die Möglichkeit, dass eine solche Steuerpolitik die Wirtschaft ankurbeln könnte, da mehr Einkommen bei den Beschäftigten für Ausgaben zur Verfügung stünde.
Wie sehen Sie diesen Ansatz, um sowohl soziale Gerechtigkeit als auch wirtschaftliches Wachstum zu fördern?
Serkan E.

Sehr geehrter Herr E.,
vielen Dank für Ihre Frage. Da Sie sich auf meine Aufgaben als Bundesministerin für Arbeit und Soziales beziehen, antworte ich Ihnen nicht in meiner Funktion als Abgeordnete, sondern als Mitglied der Bundesregierung sowie dank der Zuarbeit der Bundesverwaltung:
Zunächst einmal geht es beim Mindestlohn nicht nur um das verfügbare Einkommen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Vielmehr stellt der Mindestlohn eine stundenbezogene absolute Lohnuntergrenze dar, die ein Mindestmaß an Arbeitnehmerschutz und Gerechtigkeit sichert. Damit verhindert der Mindestlohn sehr niedrige Löhne, die für ein Land wie Deutschland unwürdig sind. Arbeitgeber können sich zudem nicht mehr durch Niedrigstlöhne Wettbewerbsvorteile verschaffen. Diese Zielsetzung lässt sich durch Änderungen im Steuerrecht nicht gleichermaßen erreichen.
Die Wirkung des Mindestlohns wird regelmäßig evaluiert. Die Ergebnisse zeigen, dass der Mindestlohn in einigen Bereichen zu Preissteigerungen geführt hat. Gesamtwirtschaftlich sind die Effekte aber moderat und eine Lohn-Preis-Spirale durch den Mindestlohn ist nicht erkennbar.
Bitte haben Sie Verständnis, dass ich mich als Bundesministerin für Arbeit und Soziales nur am Rande zu Ihren Steuervorschlägen äußern kann. Vielleicht nur so viel: Bei einer Senkung der Einkommensteuer - beim Lohnsteuerabzug handelt es sich letztlich um eine Art Vorauszahlung auf die Einkommensteuer - besteht die Gefahr, dass die Zielgruppe gar nicht von einer Absenkung profitiert. Für die zu leistende Einkommensteuer sind u.a. die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen, z.B. der Familienstand, Kinder, andere Einkommen sowie die Arbeitszeit relevant. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die den Mindestlohn erhalten, zahlen oftmals eine geringe oder gar keine Einkommensteuer, auch weil sie häufig in Teilzeit oder geringfügig beschäftigt sind. Der Mindestlohn ist in diesen Fällen das zielgenauere Instrument.
Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass Sie selbstverständlich die Möglichkeit haben, auch auf direktem Weg mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales Kontakt aufzunehmen. Alle Kontaktmöglichkeiten finden Sie hier: https://www.bmas.de/DE/Service/Kontakt/kontakt.html.
Mit freundlichen Grüßen
Bärbel Bas