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Bärbel Bas
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Frage von Ramin A. •

Sehr geehrte Frau Bas, wie werden Sie die menschengemachte Hungerkatastrophe in Gaza stoppen?

Gaza ist aktuell laut WHO:

„Der hungerverursachteste Ort der Welt“

und laut UN: „Einer der schlimmsten Orte für Kinder weltweit“

Ehud Olmert, ehemaliger israelischer Premierminister, sagte: „Was wir jetzt in Gaza tun, ist ein Krieg der Verwüstung: wahlloses, grenzenloses, grausames und kriminelles Töten von Zivilisten. Es ist das Ergebnis politischer Regierungsstrategie – wissentlich, böswillig, niederträchtig und unverantwortlich angeordnet. Ja, Israel begeht Kriegsverbrechen.“

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Sehr geehrter Herr A. K.,

vielen Dank für Ihre Frage.

Ich blicke mit großer Sorge auf den andauernden Krieg in Gaza. Die humanitäre Lage vor Ort ist katastrophal und stellt einen humanitären Abgrund dar. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte berichtet von knapp 800 Palästinenserinnen und Palästinensern, die in der Nähe von Verteilzentren der sogenannten „Gaza Humanitarian Foundation“ getötet wurden. Menschen auf der Suche nach Essen dürfen niemals zu militärischen Zielen werden. Die Berichte über verhungerte Kinder und eine rapide eskalierende Hungersnot zeigen: Wir haben den viel beschworenen „point of no return“ erreicht.

Oberste Priorität ist die Sicherheit und Stabilität im Nahen Osten. Dafür braucht es alle diplomatischen Anstrengungen, um weiteres Leid zu verhindern. Für mich als Sozialdemokratin gilt: Die Achtung des Völkerrechts und ein Ende der Gewalt stehen an erster Stelle.

Es ist sowohl ein Gebot der Menschlichkeit als auch des internationalen Rechts, die humanitäre Lage im Gazastreifen substanziell zu verbessern. Der Schutz der Zivilbevölkerung muss oberstes Ziel aller Bemühungen sein. Vertreibungen in sogenannte „sterile Zonen“, die Verwehrung des Zugangs zu Wasser oder die unzureichende Versorgung mit humanitärer Hilfe sind nicht zu rechtfertigen und stellen einen Bruch mit dem Völkerrecht dar.

Das mit Israel vereinbarte EU-Abkommen zur Verbesserung des humanitären Zugangs bleibt bislang wirkungslos. Parallel nehmen Planungen für eine erzwungene und dauerhafte Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung konkrete Formen an – ob durch neuerliche Ankündigung von militärischen Sperrgebieten im Gazastreifen, angebliche Gespräche mit Drittstaaten oder die systematische Zerstörung ziviler Infrastruktur durch Abrissarbeiten in Gaza, die durch das israelische Militär vorgenommen werden. Dies ist ein systematischer Vertreibungsprozess, den wir in aller Schärfe ablehnen.

Wir in der SPD-Bundestagsfraktion fordern daher klare und umgehende Konsequenzen. Die völkerrechtswidrige Besatzung und die anhaltende Missachtung grundlegender Menschenrechte lassen keinen politischen Interpretationsspielraum mehr zu. Es ist an der Zeit, dass sich die Bundesregierung den Initiativen auf europäischer Ebene anschließt, bestehende Kooperationen, wie das Assoziierungsabkommen, auf Eis legt und weitere Maßnahmen, wie den Stopp von Waffenexporten an die israelische Regierung, die völkerrechtswidrig eingesetzt werden, durchsetzt. Das ist geboten, um unsere völkerrechtliche Verantwortung, die in unserem Grundgesetz verankert ist, konsequent zu erfüllen.

Wir rufen die israelische Regierung weiter dazu auf, den uneingeschränkten, dezentralen Zugang zu Lebensmitteln, Wasser und medizinischer Versorgung für die Zivilbevölkerung unverzüglich sicherzustellen – ohne politische oder militärische Bedingungen. Ein Unterlassen verletzt grundlegende humanitäre Prinzipien. UN-Organisationen, anerkannte Hilfsorganisationen und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz müssen freien Zugang erhalten und ihre Arbeit sicher ausüben können. Wir begrüßen die eingeleiteten Reformen beim Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA), dessen Rolle für die Versorgung der Menschen in Gaza derzeit unersetzlich ist.

Zudem haben uns die vergangenen 21 Monate gezeigt, dass es nur auf der Grundlage von diplomatischen Verhandlungen zur Waffenruhe gekommen ist, Geiseln freigekommen sind und das humanitäre Leid gelindert werden konnte. Deshalb muss es zum Ende der militärischen Operation in Gaza und zum Ende des illegalen Siedlungsbaus in der Westbank kommen sowie einen politischen Willen zur perspektivischen Zwei-Staaten-Lösung geben.

Ich verurteile die Hamas für ihre terroristischen Angriffe auf Israel, die Instrumentalisierung der palästinensischen Bevölkerung und fordere die bedingungslose Freilassung aller Geiseln. Ihre Strategie, zivile Einrichtungen für militärische Zwecke zu missbrauchen, schadet der palästinensischen Bevölkerung und verhindert jede Friedensperspektive. Zivilen Widerstand aus Reihen der Palästinenserinnen und Palästinenser gegen die Hamas begrüße ich ausdrücklich. Ich stehe solidarisch an der Seite all jener in Israel, die für Frieden, Demokratie und ein Ende des Krieges eintreten.

Ich begrüße zudem internationale Bemühungen zur Überwindung des Krieges, insbesondere die arabische Initiative zu einem Wiederaufbauplan für Gaza. Die arabische Friedensinitiative von 2002 bleibt eine tragfähige Grundlage für Verhandlungen.

Das langfristige Ziel bleibt die friedliche Koexistenz zweier souveräner und lebensfähiger Staaten – Israel und Palästina – im Rahmen einer verhandelten Lösung. Die Anerkennung eines palästinensischen Staates kann dabei auch ein Zwischenschritt sein, sofern sie dem Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung dient. Kein Akteur darf in der Lage sein, diese Lösung zu torpedieren. Dazu gehört eine reformierte Palästinensische Autonomiebehörde, die auch die zivile Verwaltung in Gaza – ohne Hamas – mit übernehmen kann.

Für mich als Sozialdemokratin ist klar: Nur durch Dialog, Verhandlungen und politische Lösungen kann dauerhafter Frieden, Stabilität und Sicherheit für alle Menschen im Nahen Osten erreicht werden. Deutschland hat eine besondere völkerrechtliche Verantwortung – wir nehmen sie ernst und dürfen es auch nicht bei mahnenden Worten belassen. Es braucht konkretes Handeln. Dies sollte Deutschland im Einklang mit unseren europäischen Partnern tun.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass Sie selbstverständlich die Möglichkeit haben, auch auf direktem Weg mit dem Deutschen Bundestag, seinen Abgeordneten oder mir Kontakt aufzunehmen – zum Beispiel über: https://www.bundestag.de.

Mit freundlichen Grüßen

Bärbel Bas

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