Ates Gürpinar
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DIE LINKE
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Frage von Anneke S. •

Sie lehnten die Impfpflicht gegen SARS-CoV-2 ab. Was werden Sie tun, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern? Wie werden Sie vulnerable Mitmenschen schützen, alte, immungeschwächte?

Sie lehnten die Impfpflicht gegen SARS-CoV-2 ab. Was werden Sie tun, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern? Wie werden Sie vulnerable Mitmenschen schützen, alte, immungeschwächte?

Ates Gürpinar
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau S.,

die Covid-Impfung schützt gut und zuverlässig gegen einen schweren Verlauf einer möglichen Corona-Erkrankung. Das zeigen uns Studien und insofern ist die Corona-Impfung die beste Möglichkeit, die wir alle individuell haben, uns zu schützen, und eine hohe Impfrate ist wichtig, um das Gesundheitssystem vor weiterer Überlastung zu bewahren. Trotzdem habe ich im Bundestag dem Gesetzesentwurf einer Impfpflicht ab 60 Jahren nicht zugestimmt.

               Meine Entscheidung muss in jedem Fall vor dem Kontext gesehen werden, dass die gleiche Koalition, die nun in großen Teilen diesen Gesetzentwurf einbringt, quasi zeitgleich fast alle weiteren, sehr viel milderen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung fallengelassen hat. Die Argumentation des Kollegen Ullmann verweist nur noch auf die drohende Überlastung der Krankenhäuser. Meines Erachtens hätte diese Begründung vor einem Gericht nicht standhalten können, denn zum einen sind sanftere Mittel zuvor aufgegeben worden, zum anderen ist die dauerhafte Überlastung von Beschäftigten in Kliniken Teil des Systems, an dem die Bundesregierung aber nichts verbessern will. Entscheidend: Der von Ihnen benannte Fremdschutz immungeschwächter Personen spielte bei der Impfpflicht keine Rolle mehr. Denn um Fremdschutz ging es bei der Impfpflicht nicht mehr, auch die Impfpflichtbefürworter zielten darauf nicht ab. Daher verstehe ich Ihre Sorge, muss Ihnen aber leider mitteilen, dass die Impfpflicht für die Beseitigung Ihrer Sorge nicht das geeignete Mittel ist.

               Dabei bin ich nicht prinzipiell gegen eine Impfpflicht, halte sie aber unter den gegebenen Bedingungen und mit den vorgenommenen Änderungen nicht für das geeignete Mittel. Neben vielen Argumenten scheinen mir zwei gegensätzliche Punkte in der Diskussion entscheidend: Die Impfpflichtbefürworter*innen argumentieren, dass wir sofort eine Impfpflicht brauchen, um in einem halben Jahr mit ausreichend Vorlauf zur nächsten Welle genügend Menschen geimpft zu haben. Eine quasi „Scharfstellung“ einer Impfpflicht zur nächsten Welle sei zu spät. Das entscheidende Argument der ernstzunehmenden Gegner*innen einer Impfpflicht ist, dass nicht klar sei, inwiefern die Pflichtimpfung mit den vorhandenen Impfstoffen die nächsten Virusvarianten entscheidend zurückdrängen. Bereits für die Omikronvariante lasse die Wirksamkeit des Impfstoffs nach. Ebenso sei zwar die Anzahl der Impfungen durch die Verpflichtung festgelegt, es sei aber mitnichten sicher, ob das ausreichend schütze.

               Letztlich gebe ich beiden Einwänden recht. Allerdings erscheint mir bei dieser Ungewissheit die Entscheidung gegen eine Handlungsverpflichtung näher. Es müsste schon sehr viel wahrscheinlicher sein, dass das Gesetz dauerhaft Fremd- und Selbstschutz erzeugt, um zur Handlung zu verpflichten. Ich kann einer verpflichtenden Impfung nicht zustimmen, wenn vorher nicht die sanfteren anderen Möglichkeiten zur Eindämmung der Pandemie ausgeschöpft sind.    

               DIE LINKE streitet für aufsuchende Impfkampagnen und kämpft für eine weltweite Unterstützung solcher Maßnahmen, um neue Varianten des Virus unwahrscheinlich zu machen. Der Versuch einer Impfpflicht hierzulande bei gleichzeitiger Ablehnung der Patentaufhebung halte ich für einen Skandal. Wir drängen die einen Menschen zur Impfung, obgleich weltweit nach wie vor viele keinen richtigen Zugang zu Impfungen haben. Abschließend sei mir noch ein Hinweis erlaubt zum einzig übriggebliebenen Argument für eine Impfpflicht, die Kliniken nicht überlasten zu wollen: Bessere Arbeitsbedingungen in Kliniken, mehr und besser bezahlte Beschäftigte, inklusive einer guten Personalbemessung - das alles muss dringend vorangebracht werden. Wenn die Koalition die Beschäftigten also tatsächlich wirksam vor Überlastung schützen möchte, muss sie hier endlich aktiv werden.

Mit herzlichen Grüßen

Ates Gürpinar

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