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Anton Hofreiter
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Frage von André Dr. H. •

Frage an Anton Hofreiter von André Dr. H. bezüglich Kultur

Sehr geehrter Herr Dr. Hofreiter

Erfreulicherweise haben Sie zu der Thematik des Entwurfes zum neuen Kulturgutschutzrecht eine ausführliche Antwort gegeben. Sie haben sich also intensiver beschäftigt. Das ist nicht selbstverständlich und spricht für Sie als Ansprechpartner.

Ist Problematik, auf die Herr Schmidt und Herr Hoffmann bereits eingegangen sind, ist aber nach wie vor ungeklärt.

Man muss unterscheiden zwischen nationalem Kulturgut und "archäologischen Kulturgut". Mit letzterem sind alle Gegenstände gemeint, die mindestens 100 Jahre alt sind. Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass für "archäologisches Kulturgut" ab einem Wert von 100 Euro es lückenlos zu dokumentieren ist, wo sich dieser Gegenstand befunden hat.
Es gibt alleine im Bereich der Goldmünzen mehr als 1 Milliarde (sic!) Exemplare, die von dieser Regelung betroffen wären. Das meiste davon ist Anlagegold der lateinischen Münzunion und sicherlich nicht aus Raubgrabungen muslimischer Terroristen an den Mann/die Frau gebracht worden.

Diese Münzen waren sogar lange Zeit in jeder Dorfbank- und Sparkassenfiliale zu bekommen. Der britische Sovereign (von denen es viele Millonen Exemplare älter als 100 Jahre gibt) ist formal sogar immer noch gültiges Zahlungsmittel.

Daher meine überspitzte Frage, die aber das Problem verdeutlicht:

Wissen Sie, wo sich der 100 Euro-Schein in Ihrer Tasche die letzten 20 Jahre befand? Laut des Kulturgutschutzgesetztes müssten Sie das können, wenn der Schein 100 Jahre alt ist und noch gültig ist.

Mit Münzen verhält das eben genauso. Es sind und waren Zahlungsmittel. Es ist nur in sehr wenigen Fällen im Mikroprozent-Bereich überhaupt möglich, einen solchen Herkunfts-Stammbaum zu erstellen.

Auch ist der Entwurf massiv verfassungswidrig (Beweisumkehr, Rückwirkung des Gesetzes, Datenschutz, Einschränkung der Unversehrtheit der Wohnung). Das sollte gerade Ihnen als Mitglied der "Grünen" doch massiv aufstoßen.

Vielen Dank für Ihre Mühen

Dr. André Hansen

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Dr. Hansen,

vielen Dank für Ihr Schreiben. Auf ihre dort formulierten Sorgen im Hinblick auf mögliche Folgen für MünzsammlerInnen durch die aktuelle Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes durch die Beauftrage für Kultur und Medien, Monika Grütters, möchte ich sehr gerne noch mal eine Antwort geben. Grundsätzlich ist und bleibt die Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes weiterhin ein sehr wichtiges und sinnvolles Anliegen. Deutschland ist außerdem dazu verpflichtet, eine EU-Richtlinie zur Kulturgüterrückgabe in nationales Recht bis Ende 2015 umzusetzen.

Der seit dem 14. September 2015 nun offiziell vorliegende Referentenentwurf, den Sie auf der Homepage der Kulturstaatsministerin einsehen können (http://www.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen/BKM/2015/2015-09-15-kgsg-entwurf-online.pdf?__blob=publicationFile&v=3), enthält dringende Neureglungen für einen verbesserten Kulturgutschutz. Vor allem bessere Einfuhrkontrollen sind notwendig, damit geraubte Antiquitäten nicht mehr direkt von der Grenze in Auktionshäusern oder auf Ebay landen. Ebenso notwendig ist die Abschaffung des Listenprinzips, damit Ursprungsländer geraubte Kulturgüter endlich zurückbekommen. Und auch die neuen Ausfuhrregelungen für einen verbesserten Schutz von national wertvollem Kulturgut in Deutschland sind überfällig gewesen. Mit einer ersten Fassung des Referentenentwurfs, der im Juni 2015 öffentlich kursierte, hatte die Kulturstaatsministerin leider dazu beigetragen, dass es zu Panikreaktionen bei einigen Sammlern und Künstlern gekommen ist. Die dort enthaltenen Regelungen zur Unterschutzstellung privater Leihgaben in öffentlichen Museen und Zutrittsrechte zu privaten Sammlungen waren unausgegoren, das führen Sie in Ihrem Schreiben zurecht auf. Hier hat die Kulturstaatsministerin Monika Grütters jetzt aber im vorliegenden Entwurf entsprechend nachgebessert. Münzen und Kunst sind nicht über denselben Kamm zu scheren, es gibt hier sicherlich Unterschiede und auf diese wird auch im bisherigen Referentenentwurf zum zukünftigen Kulturgutschutz eingegangen. Bisher sind die Voraussetzungen für die Eintragung in die Liste national wertvollen Kulturgutes so formuliert, dass Münzsammler davon regelmäßig nicht betroffen sind. Insbesondere scheidet die Eintragung einzelner Münzen, abgesehen von absolut herausragenden Einzelfällen, aus. Was als national wertvoll eingestuft wird, darüber entscheiden auch zukünftig Expertergremien der Länder mit, und keinesfalls allein die Verwaltungen. Voraussetzung ist die Zustimmung von Experten und Sachverständigen aus Museen, Wissenschaft, Kunsthandel und Sammlerkreisen, die über die Eintragung ins Verzeichnis national wertvollen Kulturguts beraten. Die Frage, was ganz konkret unter national wertvollem Kulturgut im 21. Jahrhundert zu verstehen ist, hat die Kulturstaatsministerin leider noch nicht ausreichend beantwortet. Hier besteht noch Handlungsbedarf. Der Gesetzentwurf enthält darüber hinaus Sorgfaltspflichten, die bei einem Verkauf für Alle und damit auch für Münzsammler gelten. Danach muss ein Münzsammler allein dafür Sorge tragen, dass er keine Münzen in Verkehr bringt, die gestohlen, illegal eingeführt oder illegal ausgegraben wurden. Diese Sorgfaltspflicht beschränkt sich auf den "zumutbaren Aufwand“ für Privatpersonen. Über die allgemeinen Sorgfaltspflichten hinaus gelten für gewerbliche Münzhändler weitere professionelle Sorgfaltspflichten. Auch diese Sorgfaltspflichten greifen aber nur dann, wenn eine einzelne Münze mehr als 2.500 Euro wert ist. Handelt es sich um antike Münze aus einer archäologischen Grabung, verringert sich der Grenzwert auf 100 Euro, es sei denn, die Münze hat sich schon mindestens 20 Jahre in einer Sammlung befunden oder ist wiederholt gehandelt worden. Für die Ausfuhr in Länder außerhalb der EU (etwa in die Schweiz und die USA) bleibt die geltende EU-Rechtslage unverändert. Neu eingeführt werden soll eine Ausfuhrkontrolle auch in andere EU-Staaten, wenn gewisse Alters- und Wertgrenzen der Münzen überschritten werden. Diese sollen über den Schwellenwerten des EU-Rechts bei 70 Jahren und 300.000 Euro liegen.

Mit freundlichen Grüßen

Team Dr. Hofreiter

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