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Anton Hofreiter
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Frage von Jürgen S. •

Frage an Anton Hofreiter von Jürgen S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag Herr Dr. Hofreiter,

mein Thema ist der Kulturgutschutzgesetzentwurf von Frau Monika Grütters.

Es geht hier nicht nur um die ganz große Kunst, sondern auch um die Sorgen vom Bierkrug- bis zum Münzensammler und des Handels.

Münzen sind zumeist ein serielles Massenprodukt, sind oftmals im Fernhandel tausende von Kilometern `gewandert`, haben daher nicht nur einen Bezug zum Ursprungsland. Münzen werden seit der Renaissance gesammelt und gehandelt.

Die Erbringung von Herkunftsnachweisen ist in den meisten Fällen überhaupt nicht möglich (Ich befasse mich seit 1972 mit Münzen).

Ich sehe hinsichtlich der Herkunftsnachweise (Stichworte Beweislastumkehr und Rückwirkungsverbot) mögliche Rechtsprobleme hinsichtlich des Eigentumspostulates nach Artikel 14 GG. Auch könnte es fraglich sein, ob der Gesestzesentwurf im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention einhergehend mit diesbezüglicher Rechtsprechung steht.

Weil der Petitionstext von Frau Dr. Ursula Kampmann die Probleme und Sorgen der Sammler und des Handels nach meiner Meinung sehr gut veranschaulicht, möchte ich zu diesem verlinken.

http://www.muenzenwoche.de/de/page/4?&id=3549

Wie ist Ihre Einschätzung? Sind die Sorgen der Sammler und des Handels berechtigt?

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich auf Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Schmidt 12679 Berlin Marzahn
Sammler und Kleinsthänder (ebay-Name stampsdealer)

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Schmidt,

in der öffentlichen Berichterstattung der letzten Wochen zum geplanten Entwurf zur Neuregelung des Kulturgutschutzrechts von Kulturstaatsministerin Monika Grütters ging es vor allem um die vorgesehenen Neuregelungen zur Ausfuhr von Kunst aus Deutschland. Einige HändlerInnen, prominente SammlerInnen und KünstlerInnen befürchten, dass die geplanten Neuregelungen negative Konsequenzen für den Kunsthandel bzw. die Enteignung privater Leihgaben an Museen zur Folge haben könnten. Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat in einer Pressekonferenz Mitte Juli 2015 bereits Korrekturen am kritisierten Referentenentwurf bezüglich einer vermeintlichen automatischen Unterschutzstellung von privaten Leihgaben an öffentliche Museen und einem erweiterten Zutrittsrecht des Staates zu privaten Sammlungen und Galerien vorgenommen, sodass SammlerInnen und KünstlerInnen keinesfalls staatliche Enteignungen oder Beschlagnahmungen befürchten müssen.

In Deutschland gibt es bereits seit 1955 eine Ausfuhrbestimmung, die durch Landeslisten regelt, was national wertvoller Kulturbesitz ist, der in Deutschland verbleiben soll. Für die Ausfuhr von als national wertvoll eingestuftem Kulturgut in außereuropäische Länder galt auch schon unter dem bisherigen Gesetz eine Genehmigungspflicht für den Handel. In anderen EU-Ländern gilt diese etwa bei Gemälden im Wert ab 150.000 Euro und im Alter ab 50 Jahren. Ob das deutsche Gesetz diese Grenzen so übernimmt oder nach oben korrigiert, ist noch offen. Zeitgenössische Kunst soll weiterhin nicht von der Regel betroffen sein. Vorrangig soll per Rechtsverordnung festgeschrieben werden, was national wertvolles Kulturgut ist. Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat es bisher allerdings verpasst, die Frage, was zukünftig als national wertvolles Kulturgut einzustufen ist, in einer breiteren öffentlichen Debatte zu thematisieren. Hier besteht noch dringender Nachholbedarf. Zudem sollen öffentliche Sammlungen als Ganzes unter Schutz gestellt werden.
Die zweite Stoßrichtung der Novelle, der Schutz von Kulturgut ausländischer Staaten, das unrechtmäßig nach Deutschland verbracht wurde und an diese zurückzugeben ist, ist leider in der öffentlichen Diskussion sehr vernachlässigt worden. Nach Waffen- und Drogenhandel steht der Handel mit geraubten Kulturgütern aber an dritter Stelle der internationalen Kriminalität. Zeitungen und Fernsehsendungen liefern uns regelmäßig erschütternde Berichte über die Zerstörung des kulturellen Erbes in Syrien, Irak aber auch anderen Regionen der Welt. Dies geht uns alle an, denn es geht hier um nicht weniger als um die kulturelle Erinnerung an den Beginn der menschlichen Zivilisation.

Hier steht auch Deutschland in der moralischen und politischen Verantwortung. Bekanntlich ist Deutschland aufgrund seiner laxen Gesetzgebung zum Umschlagplatz für geraubte Antiquitäten geworden. Der „Bericht der Bundesregierung zum Kulturgutschutz in Deutschland“ vom April 2013 unterstreicht dies und stellt der deutschen Gesetzgebung ein miserables Zeugnis aus. Umso wichtiger ist es, dass Kulturstaatsministerin Monika Grüttners jetzt endlich eine Novellierung des Gesetzes zum Kulturgüterschutz vorlegen wird. Als Grüne Bundestagsfraktion erwarten wir, dass damit die in dem Bericht aufgezeigten Missstände und Gesetzeslücken konsequent behoben werden.

Die Standards für Ausfuhrpapiere müssen dringend verschärft werden. Es kann nicht sein, dass geraubte Antiquitäten von der Grenze direkt in Auktionshäusern oder auf EBay landen, ohne dass jemand nachfragt, woher sie denn stammen. Deshalb ist auch eine stärkere Bewusstseinsbildung bei den Sammlerinnen und Sammlern durch eine öffentliche Debatte wichtig. Das Sammeln von Antiquitäten unklarer Herkunft muss gesellschaftlich geächtet werden. Und auch die öffentlichen Museen haben hier Nachholbedarf und sollten die Provenienzen ihrer Sammlungen schnellstens klären.
Die Eindämmung des illegalen Handels mit Kulturgut in Deutschland sollte auch im Interesse der HändlerInnen und SammlerInnen in Deutschland selbst liegen, den es geht ebenfalls um die Reputation Deutschlands als Standort für den Kunst- oder auch Münzhandel. Transparente und einheitliche Regelungen für die Ein- und Ausfuhr von Kulturgütern und eine verbesserte Sorgfaltspflicht sind notwendige Instrumente, um den legalen Handel zu stärken und illegale Geschäfte zu verringern.

Noch liegt uns ein autorisierter Entwurf zur Neuregelung des Kulturgutschutzrechts nicht vor, angekündigt wurden aber Sonderregelungen für die Sorgfaltspflichten für PrivathändlerInnen und SammlerInnen, die sich an bereits erprobten Regelungen in anderen EU-Ländern orientieren und sich gegenüber dem professionellen Kunsthandel in einen zumutbaren Aufwand, der sich auch am Wert des Kulturguts ausrichtet, befinden wird.
Wir werden den Gesetzentwurf, sobald er uns vorliegt, gründlich prüfen und ggf. kritisch kommentieren und Verbesserungsvorschläge einbringen. Sicherlich lassen sich die Raubgrabungen selbst nicht durch nationale Gesetzgebung allein stoppen. Wir erwarten aber, dass durch schärfere Regelungen Deutschland ab jetzt seiner Verantwortung für den Schutz des internationalen und nationalen Kulturguts gerechter wird. Ich hoffe, dass wir Ihnen die Grüne Position zum geplanten Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Kulturgutschutzrechts nachvollziehbar darlegen konnten.

Mit freundlichen Grüßen

Team Hofreiter

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