Dr. Achim Kessler - Mitglied des Bundestages
Achim Kessler
DIE LINKE
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Frage von Anna L. •

Frage an Achim Kessler von Anna L. bezüglich Umwelt

Sehr geehrter Herr Kessler,
Mit Sorge verfolge ich die Entwicklungen der Klimakrise(scheinbar schon erreichte Kipppunkte, Naturkatastrophen in aller Welt) und lese von den zu erwartenden Konsequenzen wenn sie co2 Emissionen nicht massiv eingeschränkt werden in den nächsten 11Jahren(eine Welt die quasi als unbewohnbar beschrieben wird nachdem zahlreiche.fliehen müssen und Nahrung und Trinken nicht mehr für alle reicht).

Wenn ich dies lese kann ich die Bemühungen der Regierung kaum verstehen, denn sie greifen VIEL zu kurz oder zu spät (kohleausstieg 2038...).

Wie kann es bei solch einer existenziellen Bedrohung etwas geben, das für die Zuständigen wichtiger erscheint?
Auch die finanziellen Schäden werden die Kosten die jetzt entstehen werden um ein Vielfaches übersteigen.

Ich habe Vertrauen gehabt und bin nun fassungslos wie mit der Zukunft meiner kleinen Kinder umgegangen wird.

Was tun sie um die Klimapolitik voran zu treiben und Emissionen zu verringern?

Dr. Achim Kessler - Mitglied des Bundestages
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Lange,

das kommende Jahrzehnt wird das entscheidende für die Menschheit. Die Erkenntnisse der Klimawissenschaft sowie die derzeit schon beobachtbaren Folgen der Erderwärmung sprechen eine klare Sprache. Der Zeitpunkt für entschiedenes Handeln ist nicht irgendwann, sondern jetzt.

Der Ausstoß von Treibhausgasen muss drastisch sinken, der ökologische Umbau ist deshalb eine existenzielle Notwendigkeit. Er kann umso schneller und breiter erfolgen, je mehr er den Geist sozialer Gerechtigkeit atmet und die Menschen demokratisch ermächtigt. Die Freiheit von Angst und die Gewissheit, dass die Zukunft nicht nur für wenige, sondern für alle zu gestalten ist – das sind die mobilisierenden Triebkräfte, die wir jetzt brauchen.

Es geht um die Bereitschaft, Wirtschaft und Gesellschaft so umzubauen, dass sie wirklich klimaneutral, ökologisch und sozial werden. Es geht um neue Produktions- und Lebensweisen – frei von fossilen Energien, ohne Ausbeutung von Mensch und Natur. Der Kern dieses Erneuerungsprojekts ist Klimagerechtigkeit, das Bündnis aus sozialer Gerechtigkeit und Ökologie.

Die Klimakrise ist Ausdruck des größten Marktversagens der Menschheitsgeschichte. Deshalb ist die sichtbare und spürbare Hand der Politik gefragt. Die Klimakrise verlangt große und schnelle Schritte in die richtige Richtung. Die Fraktion DIE LINKE hat hierzu ihren Aktionsplan Klimagerechtigkeit beschlossen.

Den Aktionsplan der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag finden Sie hier: https://www.linksfraktion.de/fileadmin/user_upload/PDF_Dokumente/2020/LINKE_BTF_Broschuere_Klimagerechtigkeit_Web.pdf

Kurz zusammengefasst: 5 Punkte für einen LINKEN Klimaschutz

1. Raus aus der Kohle, saubere Energien fördern

Es höchste Zeit, aus dem schmutzigsten aller Energieträger auszusteigen. Der Kohleausstieg muss europaweit sofort beginnen und 2030 abgeschlossen sein. Erneuerbare Energien müssen ausgebaut werden. Der Anteil erneuerbarer Energien am Verbrauch in der EU muss bis 2030 auf mindestens 45 Prozent ansteigen, bis 2040 auf 100 Prozent. Die Vorgaben für die Wirtschaft zum Energiesparen und die Energieeffizienzrichtlinie müssen verschärft werden. Wir wollen in der EU ein Recht auf erneuerbare Energie festschreiben, die für alle bezahlbar ist.

Sofortmaßnahmen:

Die 20 schmutzigsten Kohlekraftwerke in Europa müssen umgehend, spätestens bis 2020, abgeschaltet werden.

Die Steuerprivilegien auf Flugbenzin und Diesel müssen aufgehoben werden. Die Subventionen für den auf fossilen Brennstoffen basierenden Transportsektor müssen im kommenden Finanzrahmen der EU eingefroren werden.

Gerechte Übergänge:

Der Einstieg in den Kohleausstieg muss europaweit mit Investitionshilfen und einer sozialen Abfederung des Strukturwandels verbunden werden.

Der Kohleausstieg darf nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden. Die linke Fraktion im Europaparlament, die GUE-NGL, hat hierzu einen JustTransition-Fonds vorgeschlagen. Die Beschäftigten brauchen Einkommensgarantien. Vor allem muss der Übergang in Arbeitsplätze mit Zukunft organisiert werden: klimaneutrale Mobilität, Zukunftstechnologien, Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge. Der Strukturwandel in den Braunkohleregionen in Deutschland muss mit Bundesmitteln unterstützt und sozial abgesichert werden. Und wir setzen uns dafür ein, dass die von der Kohlekommission vorgeschlagenen 40 Milliarden Euro für Umbaumaßnahmen eingesetzt werden, die sozial und ökologisch sinnvolle Arbeitsplätze schaffen.

2. Energieversorgung – demokratisch und in Bürgerhand, statt Wettbewerb und steigende Preise

Die Macht der Konzerne ist zentrales Hindernis für Klimagerechtigkeit und Klimaschutz. Die Liberalisierung des Energiemarktes hat dazu geführt, dass die Leistungen unterm Strich teurer und qualitativ schlechter wurden und die Gehälter herunter gingen. Rauf gingen hingegen die Renditen der Aktionäre.

Sofortmaßnahmen:

Die Preise für Strom, Gas und Wasser müssen in allen Mitgliedstaaten der EU durch staatliche Preisaufsichten kontrolliert werden. Europaweit sollen Kommunen an den Erträgen aus Wind und Solarkraft beteiligt werden, die Investoren auf dem Gemeindegebiet erwirtschaften.

Gerechte Übergänge:

Die großen Energiekonzerne wollen wir vergesellschaften. Energie muss in ganz in Europa dezentral, in Bürgerhand und nachhaltig produziert werden. Das müssen die Förderkriterien widerspiegeln: Vorfahrt für Energiegenossenschaften und Stadtwerke.

3. CO2-Ausstoß reduzieren – sozial gerecht

Je reicher die Menschen, desto größer ihr ökologischer Fußabdruck und höher ihr Energieverbrauch. Klimagerechtigkeit bedeutet auch: Abgaben und Steuern müssen sich am Verbrauch orientieren und dürfen nicht zu Energiearmut und Stromsperren führen.

Sofortmaßnahmen:

Die Industrierabatte für Energie müssen entfallen.

Gerechte Übergänge:

Wir führen sozial gestaffelte Energiepreise ein, die ein Basiskontingent preiswert halten, bei hohem Verbrauch schnell ansteigen.

Nach demselben Prinzip muss eine CO2-Steuer funktionieren: Sie kommt als Öko-Bonus Menschen mit geringem Einkommen zugute. Der Zugang zu Energie und Wasser sind soziale Grundrechte – dies muss in der europäischen Gesetzgebung verankert werden.

4. Mehr Mobilität mit weniger Verkehr

In Europa sterben jedes Jahr etwa 400 000 Menschen vorzeitig durch Feinstaub. In den Innenstädten sorgt mit 61 Prozent hauptsächlich der Verkehr für die Stickstoffdioxid-Belastung, knapp drei Viertel stoßen Diesel-Fahrzeuge aus. Europaweit fehlen Investitionen in den ÖPNV und die Infrastruktur. DIE LINKE will, dass Mobilität als essenzielle Dienstleistung zu verstehen ist, auf die jeder und jede in der EU einen Rechtsanspruch hat. Das gilt in den ländlichen Gebieten, die durch Privatisierungen und Kürzungsmaßnahmen buchstäblich von der Welt abgeschnitten wurden. Und das gilt für Europas Städte, die unter der Belastung der Autoabgase in die Knie gehen. Die EU muss den Mitgliedstaaten einen Weg zu flächendeckendem kostenfreiem ÖPNV aufzeigen und mit Mitteln aus dem neuen mehrjährigen Finanzrahmen unterstützen.

Sofortmaßnahme:

SUVs aus den Innenstädten verbannen und ihre steuerliche Besserstellung gegenüber Kleinwagen beenden. Wir wollen eine EU-weite Kerosinsteuer und die Mehrwertsteuer auf Flugtickets einführen.

Gerechte Übergänge:

Statt auf immer mehr Autos setzt DIE LINKE auf den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs. Unser Ziel: Europaweit den ÖPNV kostenlos machen. Wir wollen ein Förderprogramm, bei dem der Nahverkehr verbessert und die Fahrpreise schrittweise auf den Nulltarif gesenkt werden. Ein EU-weit koordiniertes Zukunftsprogramm durch einen Mix aus bestehenden Förderprogrammen, aus Umwidmung von Geldern, die für Rüstung und PESCO geplant sind, und aus einer höheren Besteuerung von Großkonzernen, großen Vermögen und Spitzeneinkommen in den EU-Staaten.

Ausbaupläne für Schienenverkehr und ÖPNV stoßen immer wieder an Grenzen: auf dem Weltmarkt sind nicht ausreichend Busse und Bahnen zu erhalten. Hier müssen von der EU Anreize für eine zukunftsfähige industriepolitische Wirtschaftsstrategie für die Produktion von kollektiven Verkehrsmitteln und den Aufbau einer entsprechenden Zulieferstruktur geliefert werden. Besonders öffentliche Unternehmen können die Lücken des Marktes füllen. Die nationalen öffentlichen Haushalte dürfen in diesem Fall nicht von der 3%-Regel zur Neuverschuldung beschränkt werden.

5. Regionale Landwirtschaft

Viel von dem, was wir essen, wird unter schlechten Arbeitsbedingungen produziert und über lange Wege transportiert. Subventionierten Agrarprodukte aus der EU zerstören Märkte im globalen Süden und belasten die Umwelt überproportional. Wir wollen eine sozial und ökologisch verträgliche nachhaltige Landwirtschaft, die gesunde Nahrungsmittel produziert. Dabei müssen regionale Wirtschaftskreisläufe gestärkt werden.

Sofortmaßnahme:

Subventionen von Agrarkonzernen, die ökologische und arbeitsrechtliche Standards nicht einhalten, werden ausgeschlossen.

Gerechte Übergänge:

Die Strukturfonds wollen wir so umbauen, dass soziale und ökologische Kriterien verpflichtend für eine Subventionszahlung sind. EU-Landwirtschaftssubventionen dürfen nicht nur auf Grundlage der Flächengröße vergeben werden, wodurch vor allem Agrarkonzerne gefördert werden. Fördermittel darf es nur noch für konkrete gesellschaftliche Leistungen, die Einhaltung anspruchsvoller sozialer, ökologischer und Tierschutz-Kriterien und einen nachhaltigen Umbau von Landwirtschaft und Ernährung geben. Wir wollen EU-Subventionen für regionalen Vertrieb und neue genossenschaftliche Supermarkt-Modelle.

Mit solidarischen Grüßen

Dr. Achim Kessler