Antrag auf Abschiebestopp nach Afghanistan

Der Antrag zur Abschiebestopp von Geflüchteten aus Afghanistan wurde mit den Stimmen von CDU, Grüne und FDP mehrheitlich abgelehnt.

Weiterlesen
Dafür gestimmt
41
Dagegen gestimmt
65
Enthalten
0
Nicht beteiligt
4
Abstimmungsverhalten von insgesamt 110 Abgeordneten.
Symbolbild Flüchtlinge Abschiebung

Der Antrag der Linksfraktion zur Aussetzung der Abschiebung von Geflüchteten aus Afghanistan wurde mit dem Stimmen von CDU, Grüne und FDP abgelehnt. Anlass des Antrags war die Initiative des schleswig-holsteinischen Innenministers Stefan Studt ein Konsultationsverfahren gegenüber Bund und Ländern mit dem Ziel einer bundeseinheitlichen Regelung zur Aussetzung von Abschiebungen nach Afghanistan einzuleiten. Herr Studt reagierte damit auf einen Lagebericht des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, wonach sich die Sicherheitslage in Afghanistan in den vergangenen Monaten „deutlich verschlechtert" habe und ein „pauschalisierender Ansatz“ bestimmte Regionen als sichere und zumutbare innerstaatliche Fluchtalternativen anzusehen „vor dem Hintergrund der aktuellen Situation in Afghanistan nicht möglich" sei.

Die hessische Linksfraktion schloß sich mit ihrem Antrag dieser Forderung an und kritisiert, dass Abschiebungen nach Afghanistan zurzeit „unverantwortlich“ seien und sie eine Gefährdung der „Gesundheit und Leben der Betroffenen“ darstellten.

Ein ähnlicher Antrag wurde zuvor von der SPD gestellt. Auch diese Fraktion fordert, dass Abschiebungen nach Afghanistan bis auf Weiteres nicht mehr stattfinden sollten, da „es in Afghanistan zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine sicheren Regionen gibt, in die Menschen abgeschoben werden könnten“.

Als Reaktion auf diese beiden Anträge entwarfen die Regierungsfraktionen der CDU und der Grünen einen Gegenantrag, in welchem sie betonen, dass Menschen, „die aus politischen und humanitären Gründen nach Hessen kommen, […] Schutz erhalten“, dass aber „[a]ndererseits […] diejenigen, die nach Prüfung ihres Asylantrags kein Bleiberecht haben, in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden“ müssten. Die Beurteilung der Sicherheitslage in Afghanistan sei in der alleinigen Kompetenz des Bundes und der Ermessensspielraum der Länder bzgl. der Umsetzung von Abschiebungen nur gering. Die bisherigen Prüfungen individueller Abschiebehindernisse auf Landesebene werden daher zwar weiterhin begrüßt, doch „[i]n Fällen, in denen […] Ausreisepflicht besteht und individuelle Abschiebehindernisse nicht gegeben sind, sollte die freiwillige Ausreise Vorrang vor der Abschiebung haben“. Eine vorrangige Abschiebung von Straftäter*innen sei erwünscht.

In der anschließenden Diskussion um die strittigen Anträge verteidigte die SPD-Fraktion, vertreten durch Ernst-Ewald Roth und Gerhard Merz, die Entscheidung der SPD, einen Abschiebestopp nach Afghanistan zu fordern, damit, dass – laut Aussage des UNHCR – sich die Sicherheitslage im Land in den letzten Monaten noch einmal deutlich verschlechtert habe. Es wurde angekündigt, dass sich die SPD-Fraktion daher dem Antrag der Linken anschließen werde.

Auch Die Linke kritisierte, dass weiterhin Abschiebungen in „ein Kriegsgebiet“ stattfänden. Gabriele Faulhaber (Die Linke) schloß sich daher der Meinung des Geschäftsführers von Pro Asyl, Günter Burkhardt, an, der diese Abschiebungen als „Tabubruch“ bezeichnet habe. Weiterhin zitiert sie den UNHCR-Lagebericht, wonach „[g]anz Afghanistan […] von einem bewaffneten Konflikt überzogen“ sei. Eine Unterscheidung zwischen sicheren und unsicheren Regionen sei nicht möglich. Weiterhin kritisiert sie auch die Politik der Grünen, die die Forderung des Bundesinnenministers de Maizière nach einer Intensivierung der Abschiebungen unterstützen. Sie fordert ein „Kontrastprogramm der Solidarität“ zur Politik des Innenministeriums – auch bzgl. der Abschiebung von Straftäter*innen. Abschiebungen von Menschen nach Afghanistan verstießen gegen Art. 1 des Grundgesetzes. Ebenfalls gegen Abschiebungen spricht sich Janine Wissler (Die Linke) aus. Sie berichtet von individuellen Fällen, in den Menschen nach Afghanistan zurückkehren müssen und dort nun um ihr Leben bangten.

Astrid Wallmann und Peter Beuth von der CDU widersprechen der Meinung ihrer Vorredner*innen. So verweist Frau Wallman darauf, dass „Menschen, die keinen Schutzgrund zugesprochen bekommen, […] Deutschland wieder verlassen“ müssten. Eine freiwillige Ausreise würde hierbei bevorzugt, doch würde diese nicht in Anspruch genommen, müsste die „Ausreise im Rahmen einer Abschiebung durchgesetzt“ werden. Dies begründete sie damit, dass die Gesellschaft zusammengehalten werden müsse und es nicht – als Folge der Aufnahme von bisher tausenden Menschen – zu einer Überforderung kommen dürfe. Dabei sei es wichtig, dass es „funktionierende Regeln“ gebe, die „dafür sorgen, dass Menschen, die nicht hierbleiben können, in ihr Heimatland zurückkehren“. Sie betonte, dass in jedem Einzelfall eine Prüfung stattfände, ob die betreffende Person im Einklang mit geltendem Recht zurückgeführt werden könne. Hierbei gäbe es nach der Einschätzung des Bundes auch sichere Regionen in Afghanistan. Es gäbe keinen Grund dafür, diesen staatlichen Institutionen und ihre Einschätzungen nicht zu trauen.

Dies griff Marcus Bocklet (Die Grünen) auf. Auch er betont, dass die Einschätzung der Sicherheitslage eines Landes in die Kompetenzen des Bundes fällt. Den Ländern obliege es hingegen lediglich, diese Entscheidungen umzusetzen. Er kritisiert die Kolleginnen und Kollegen der SPD, die auf Bundesebene gemeinsam mit der CDU die Regierung stellten und somit auch den Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Das Außenministerium erstelle die Berichte, auf dessen Grundlage das Innenministerium entscheide, in welche Länder abgeschoben werden könne. Die Kritik der SPD-Fraktion an die hessischen Grünen sei daher „absurd“. Zwar stimmte er zu, dass der aktuelle Bericht der UNHCR „im hohen Maße zur Beunruhigung“ beitragen müsse, doch unterliege dem Land hinsichtlich der Abschiebungen nach Afghanistan lediglich die Möglichkeit individuelle Abschiebehemmnisse „intensiv“ zu prüfen. Auch Matthias Wagner von den Grünen, stellte klar, dass seine Fraktion nicht der Meinung sei, dass nach Afghanistan abgeschoben werden sollte, die Kompetenzen über diese Entscheidung aber nicht beim Land lägen.

Der Vertreter der FDP, Wolfgang Greilich, gab zu, dass Afghanistan nicht „zu den sichersten Ländern der Welt“ gehöre, die Frage, die sich daraus ergebe, aber sei, „ob man deswegen keine Abschiebungen nach Afghanistan vornehmen darf“. Auch er verwies auf die Rolle der SPD in der Bundesregierung, aus der er eine Dissonanz mit dem Verhalten der SPD auf Landtagsebene erkenne. Weiterhin sieht er eine Widersprüchlichkeit in der angeblich schlechten Sicherheitslage in Afghanistan und dem Einsatz von deutschen Soldaten im Land. So argumentierte er, falls „Afghanistan so unsicher wäre, dass wir es keinem einzigen Menschen, selbst den Menschen aus Afghanistan nicht, zumuten könnten, dort zu leben, wie wollen wir es dann verantworten, knapp 1.000 deutsche Soldaten dorthin zu schicken und in Gefahr zu bringen?“. Dennoch sei Afghanistan kein sichereres Herkunftsland und es bedürfe weiterhin der Einzelfallprüfung. Abschließend dankte er der Fraktion der Union, dass sie sich in diesem Thema gegen den Willen der Grünen durchgesetzt habe und somit sicherstelle, dass nach „Recht und Gesetz verfahren“ werde.