Laut aktuellem Tierschutzgesetz dürfen Ferkel bis zum achten Lebenstag ohne eine Betäubung kastriert werden. Die Große Koalition strebt eine Veränderung dieses Gesetzes an, hatte in der letzten Legislaturperiode allerdings nur eine Übergangszeit beschlossen. Ist dieser Übergangszeit sollten Voraussetzungen geschaffen werden, um Ferkelkastrationen, die ausschließlich unter schmerzstillenden Tierarzneimitteln durchgeführt werden sollen, vorzubereiten. Da das damit gesetzte Ziel nicht erreicht wurde, haben die SPD-Fraktion und die Unionsfraktion diesen Gesetzentwurf eingebracht.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Übergangszeit, in der die betäubungslose Ferkelkastration noch bis zum achten Lebenstag erlaubt ist, um zwei Jahre bis zum 31.12.2020 verlängert werden soll. In dieser Zeit soll das Landwirtschaftsministerium ab Juni 2019 dem zugehörigen Ausschuss halbjährlich berichten, wie fortgeschritten seine Maßnahmen sind. Das Gesetz fordert unter anderem eine flächendeckende Zulassung für das Betäubungsgas Isofluran zur Anwendung an Ferkeln und entsprechende Maßnahmen zur praktischen Umsetzung, so zum Beispiel durch spezielle Inhalationsmasken. Außerdem sollen Bauern in dieser Zeit Schulungen angeboten werden, durch die sie befähigt werden, diese Betäubungsmittel selbst auf Ferkel anzuwenden.
Im Deutschen Bundestag wurde dieser Gesetzentwurf angenommen.
Silvia Breher (CDU/CSU) kritisiert, dass die letzte Frist nicht gereicht habe. Sie betont jedoch, dass nun der Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration nur mithilfe einer erneuten Fristverlängerung erreicht werden könne. Sie spricht über die verschiedenen Anwendungen zu Ferkelkastration mit Betäubung, die allesamt noch nicht ausgereift oder akzeptiert seien. Sie fordert eine ausreichende Weiterbildung der Landwirte, eine garantierte Anwendersicherheit der Geräte und eine Informationskampagne zur Akzeptanz der alternativen Methoden zur schmerzfreien Ferkelkastration.
Stephan Protschka (AfD) kritisiert die Koalitionsfraktionen und die Regierung für mangelnde Bereitschaft, die betäubungslose Ferkelkastration rechtzeitig und angemessen vorzubereiten. Er führt das Beispiel Dänemark an, wo Kastration bei Ferkeln unter lokaler Betäubung erlaubt sei und schlägt diese Methode auch für Deutschland vor. Er beanstandet auch die Anwendung des Betäubungsmittels Isofluran, dass seiner Aussage nach "keine wirksame Schmerzausschaltung" bewirke und Schäden bei Mensch und Tier hinterlasse. Er verlangt auch, die Ebermast nicht zuzulassen, da Eber zu Beißattacken aufeinander neigen würden. Dennoch werde AfD dem Gesetzentwurf "unter Bauchschmerzen" zustimmen, denn es sei besser, ein wenig zu tun als nichts.
Susanne Mittag (SPD) kritisiert, dass das Bundeslandwirtschaftsministerium in den letzten Jahren ungenügend gearbeitet habe. Nun schreibe das Parlament vor, was das Ministerium vor Jahren habe tun sollen, nämlich eine Anwendung von Isofluran zur schmerzbefreiten Ferkelkastration. Sie stellt auch die beiden anderen Methoden heraus, die Ebermast und die Kastration durch Impfung. Sie betont aber auch, dass alle Methoden bisher nicht praktikabel und man daher die neue Zweijahresfrist benötige. Sie spricht auch von verlorenem Vertrauen in Deutschlands Tierschutz, das durch neue Regelungen innerhalb der vorgeschlagenen Frist wiederhergestellt werden müsse.
Carina Konrad (FDP) bemängelt, dass die Große Koalition in den kommenden zwei Jahren erreichen wolle, was man in den fünf Jahren zuvor schon nicht geschafft habe. Sie bezeichnet die Debatte um die Ferkelkastration als Debatte, die in Deutschland momentan am emotionalsten geführt würde und monierte, dass man hierzulande nicht einmal über die Anwendung lokaler Anästhesie nachdenke. Sie bezeichnete die Zulassung von Isofluran als "Anflug von Hyperaktivität", den sich die Kleinbauern nicht leisten könnten und durch den daher kleine landwirtschaftliche Betriebe "vor dem Aus" stünden.
Kirsten Tackmann (LINKE), eine gelernte Veterinärmedizinerin, beginnt mit der Schilderung eigener Erfahrung mit betäubungsloser Ferkelkastration, die für sie nicht nötig sei. Sie kritisiert, dass es schon 2012 geeignete Mittel zur Ferkelkastration gegeben habe und diese nach wie vor nicht implementiert seien. Sie klagt auch die Konzerne an, die den Schlachtbetrieben keine unkastrierten Schweine abnähmen und die Union in der Hand hätten.
Renate Künast (B90/Die Grünen) stellt den Gesetzesvorschlag als verfassungswidrig hin. Ihrer Ansicht nach widerspreche es dem Grundgesetz, das den Tierschutz als Ziel des Deutschen Staates definiere. Sie vertraue außerdem nicht darauf, dass die Regierung die Frist nicht noch einmal verlängern werde. Zudem wirft Sie den Koalitionsparteien vor, wirtschaftliche Interessen über das "Staatsziel" Tierschutz zu stellen.
Mario Mieruch (fraktionslos) stellt die Debatte als "schwierige Abwägung" dar - zwischen Bauern, die ihren Lebensunterhalt bestreiten wollten und den Tierschützern, die Schmerzen für Tiere verhindern wollten. Er plädiert für eine Ausnahmeregelung für die Jungbauern, da er Anästhesie jeglicher Art nicht für ausgereift halte. Dennoch verlangt er vom Plenum, ebenso so wie die Jungbauern das seiner Ansicht nach tun, Ergebnisse.
Kommentare
In eigener Sache: Warum Abgeordnetenwatch die Kommentar-Funktion abgeschaltet hat
DM am 10.12.2018 um 13:15 Uhr
PermalinkDanke für die Offenlegung.
Inhaltlich ist es eine absolute Schande und die Begründungen sind der Hammer.
Aber man sieht natürlich, woher der Wind weht...
Akie am 11.12.2018 um 10:53 Uhr
PermalinkIch danke ebenfalls für die Offenlegung. Wie zumeist, bestätigt es sämtliche Vorurteile die man gegen gewisse Parteien hegt.
Es ist mir komplett unverständlich wie unmenschlich diese Menschen sind.
Deutschgreen am 11.12.2018 um 12:07 Uhr
PermalinkInterkulturell erfolgt bei männlichen Säuglingen die Penispräputiumbeschneidung ohne Anästhesie. Ferkel quieken ja laut, aber es interessiert die Nervatur noch nicht. Trotzdem ließ sich ohne Aufwand eine Betäubungsspritze setzen.
Bundesbürgerin am 25.05.2020 um 14:49 Uhr
Antwort auf von Deutschgreen
PermalinkEntfernt. Bitte beteiligen Sie sich nur, wenn Sie einen konstruktiven Beitrag zur Diskussion leisten möchten. Danke, die Redaktion/db
Sebastian Weber am 19.12.2018 um 06:46 Uhr
PermalinkAndere Gesetzesvorhaben wurden von den Grünen im Bundesrat gestoppt (Stichwort sichere Herkunftsstaaten). Warum war dies nicht auch in diesem Fall möglich? Leider finde ich nirgendwo Infos über das Abstimmungsverhalten (speziell der grün-mitregierten Landesregierungen) im Bundesrat.
Kann hier jemand weiterhelfen?
Martha Lermer am 02.01.2019 um 21:16 Uhr
PermalinkDiese Abstimmung zeigt überdeutlich, wer hier das Sagen hat. Es gibt seit 2012 sehr wohl die Möglickeit, ohne betäubungslose Kastration auszukommen. Die kastrationslose Eberzucht, bei der maximal 5% der Ferkel ausgemustert würden, ist ebenfalls möglich. Hier könnte man die Klein- und Mittelbetriebe entschädigen. Überhaupt ist anzudenken, Großbetrieben die Milliardensubventionen zur Gänze zu streichen. Sie schaden der Umwelt,verpesten das Grundwasser und machen die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung sehr anfällig für Krisen .Der Einwand, dass sich Eber gegenseitig verstümmeln ist der Tierhaltung auf engstem Raum zuzuschreiben, die ja ebenfalls hauptsächlich bei Großbetrieben eingesetzt wird.
Fazit:Eine betäubungslose Kastration dieser armen Geschöpfe ist durch nichts und niemand zu rechtfertigen.Im übrigen widerspricht sie gängigem Gesetz. Alle Abgeordneten, die für diese Barbarei gestimmt haben, sind ihrem Gewissen verantwortlich. Sie müssen sich den Vorwurf der Mittäterschaft zu millionenfacher Tierquälerei gefallen lassen.
Mündige Bürger sollten dies bei der nächsten Wahl berücksichtigen!
Bundesbürgerin am 25.05.2020 um 14:50 Uhr
Antwort auf von Martha Lermer
PermalinkDas Abstimmungsverhalten bei der nächsten Wahl berücksichtigen, und möglichst auf Fleisch verzichten.
Heribert Burdick am 03.03.2019 um 14:16 Uhr
PermalinkFür mich haben die zuständige Ministerin und Abgeordnete, die für die Verlängerung dieser verabscheuungswürdigen Praktik stimmen, jegliche Glaubwürdigkeit verloren. Wer in Sonntagsreden von Tierwohl redet und am Montag so etwas beschließt, ist ein verachtrenswerter Heuchler.
Angelika Deutsch am 01.06.2019 um 18:36 Uhr
PermalinkMir ist schleierhaft, wie man sich hier einer Stimme enthalten kann oder sich gar dafür ausspricht! Ich bin kein Veganer oder Vegetarier und esse sehr gerne Fleisch und ich bin auch nicht grün aber das finde ich im 21. Jahrhundert absolut unnötig und unzivilisiert. Meine Güte!
Herbert Bruder am 03.08.2019 um 21:27 Uhr
PermalinkTiere sind Lebewesen, die fühlen.
Wie so oft entlarvit sich das "C" bei CDU/CSU als inhaltlose Hülle - nur geeignet, um dumme Wähler zu ködern!
Ihr solltet Euch dafür schämen, mit Euerm Beschluss das Tierleid weiter zu zementieren.
Bundesbürgerin am 25.05.2020 um 14:53 Uhr
Antwort auf von Herbert Bruder
PermalinkDa "C" passt doch wunderbar: "Macht Euch die Erde untertan" heißt es in dem bewussten Buch.
Und unsere christlich motivierten Politiker verfolgen dieses Ziel mit aller Ihnen zur Verfügung stehenden Grausamkeit. Und davon haben sie wohl jede Menge.
Keine Partei wählen, die hier zugestimmt hat.
Simon Burger am 16.11.2019 um 18:56 Uhr
PermalinkNatürlich will keiner schuld sein, wenn Tiere gequält weden. Aber die meisten genießen doch Schweinsbratwürste, 400g für 1,39. Wie kommt dieser Preis zustande? Wie kommt dieses Konsumverhalten zustande? Wie viele kleinere Landwirte kämpfen bei einer 70-Stunden-Woche täglich ums Überleben? Um dieses Problem zu lösen müßten wir alle erheblich tiefer in die Tasche greifen.