Organspenden-Reform: Widerspruchslösung

Der Bundestag stimmt über zwei überfraktionell eingebrachte Gesetzesentwürfe ab, welche die Bundesregierung auffordern, dass Organspendemodell in Deutschland zu reformieren. Die Abgeordneten entscheiden über die Einführung einer Widerspruchslösung oder einer Zustimmungslösung.

Über die Widerspruchs- und die Zustimmungslösung sowie über einen AfD-Antrag wurde jeweils namentlich abgestimmt. Hier finden Sie die Ergebnisse zur Widerspruchslösung.

Mit 292 Ja-Stimmen und 379 Nein-Stimmen wurde der Antrag zur Widerspruchslösung bei 3 Enthaltungen abgelehnt. Die Abstimmungsergebnisse zur angenommen Zustimmungslösung finden Sie hier.

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Dafür gestimmt
292
Dagegen gestimmt
379
Enthalten
3
Nicht beteiligt
35
Abstimmungsverhalten von insgesamt 709 Abgeordneten.

In der kontroversen Debatte zur Reform des Transplantationsgesetzes wurden zwei fraktionsübergreifende Gesetzesentwürfe eingereicht - die Widerspruchslösung und die  Zustimmungslösung. Man verfolge grundlegend das Ziel, die Anzahl der Organspenden zu erhöhen und die eigentlich vorhandene Bereitschaft der Bevölkerung abzurufen. Die AfD fordert in einem Antrag eine sogenannte Vertrauenslösung. Die Abstimmungsergebnisse zur Zustimmungslösung finden Sie hier.

Anlass für die Reform sei es, dass in Deutschland etwa 9.500 Menschen auf ein Spenderorgan warteten, es im Jahr 2018 jedoch bundesweit lediglich 955 Organspender:innen gab. Damit liegt Deutschland im europäischen Vergleich auf Platz 7 (Zahlen und Fakten des BZgA). Zudem zeigt die Spendenbilanz 2019 auf, dass die Zahl der gespendeten Organe laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) von 3.113 auf 2.995 sank. Aus einer repräsentativen Umfrage der BZgA 2018 geht hervor, dass 72% der Befragten bereit wären, nach dem Tod Spender:in zu werden.

Um diesem Problem entgegenzutreten, wurden drei unterschiedliche Lösungsansätze erarbeitet:

  • Der Gesetzesentwurf von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU/CSU) und dem SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach fordert die Einführung einer doppelten Widerspruchslösung. Damit gelte jede:r Bundesbürger:in als Spender:in, sofern die Person nicht zu Lebzeiten widerspricht. Ein etwaiger Widerspruch solle in einem Zentralregister eingetragen werden. Für den Fall, dass es keinen dokumentierten Widerspruch im Register gibt, müssen die Angehörigen befragt werden, darum doppelter Widerspruch. Kritiker:innen wie der ehemalige Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sehen in dieser Lösung einen Verlust des Selbstbestimmungsrechts. Mit dieser Lösung werde man "gleichsam nach dem Tode zum Gemeineigentum, dessen Organe zur Verfügung gestellt werden können." Eine Organspende müsse eine Spende bleiben, so  Gröhe im Tagesschau Interview. Spahn selbst befürwortet die Widerspruchslösung als "ein ermutigendes Signal für alle Patienten, die auf ein Spenderorgan warten" (Quelle: Tagesspiegel).
  • Eine Gruppe um die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock und Linken-Vorsitzende Katja Kipping schlägt vor, das Modell der Zustimmungslösung einzuführen. Diese Lösung sieht vor, dass Organe nur entnommen werden dürfen, sofern die verstorbene Person zu Lebzeiten ausdrücklich zugestimmt hat. Allerdings soll hierbei die Spendebereitschaft regelmäßig erfragt werden, z.B. bei der Neubeantragung eines Personalausweises (Quelle: DLF). Auch bei dieser Lösung soll den Bürger:innen ermöglicht werden, ihre Entscheidung in einem Zentralregister zu dokumentieren, zu ändern und zu widerrufen. Zudem sollen Hausärzt:innen ihre Patient:innen regelmäßig zur Eintragung in das Register ermutigen. Die Entscheidungslösung hält SPD-Gesundheitsexperte  Karl Lauterbach für "zu kompliziert". Er ist Befürworter der Widerspruchslösung und erklärt auf Nachfrage, das "ist das einfachste". Zudem sei die Widerspruchslösung seiner Meinung nach unbürokratischer.
  • Die AfD-Fraktion sieht laut Antrag das Problem in dem durch verschiedene Skandale begünstigte und aus ihrer Sicht verbreitete Misstrauen der Bevölkerung gegenüber den Vermittlungs- und Koordinierungsstellen und spricht sich daher für eine Vertrauenslösung aus. Diese fordert vor allem, dass die Koordinierung des Organspendeprozesses von einer unabhängigen, öffentlich-rechtlichen Institution übernommen werde. Die AfD kritisiert, dass die Organisation "Eurotransplant", die aktuell die Vergabe von Spendeorganen organisiert, von einer Untersuchungskommission überwacht werde, in dem zu viele befangene Institutionen säßen - so dürfen seit 2010 auch der Vorstand der "Deutschen Stiftung Organtransplantation" sowie Direktor:innen von "Eurotransplant" selbst als Gäste an den Gremiumssitzungen teilnehmen. Eine unabhängige Kontrolle der Tätigkeiten sei laut der Fraktion demnach zurzeit nicht gegeben. Außerdem fordert die AfD ein Plus an Informationen für die Bevölkerung zum Thema Organspenden.

Bei der Abstimmungen sollen die Abgeordneten eine Gewissensentscheidung treffen - der sonst übliche "Fraktionszwang" soll somit entfallen.

Mit 292 Ja-Stimmen und 379 Nein-Stimmen wurde der Antrag zur Widerspruchslösung bei 3 Enthaltungen abgelehnt.

Kommentare

In eigener Sache: Warum Abgeordnetenwatch die Kommentar-Funktion abgeschaltet hat

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Nehmt bitte egal was, nur keinen doppelpunkt zum gendern, das stört enorm den lesefluss

Antwort auf von Nadine

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Hallo, mir fällt es gar nicht auf. Ich lese die für mich passende Form.
Finde es aber wichtig das es gemacht wird!

Antwort auf von Nadine

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+1

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1. Das Gendern stört überhaupt und ist so überflüssig.
2. Hoffe ich sehr, dass der Spahn-Vorschlag angenommen wird, weil er überfällig ist.
3. Hoffe ich, dass bei solchen Entscheidungen die Möglichkeit des Volksbegehrens genutzt wird, weil mir die Abgeordneten oft schon viel zu weit von der Basis entfernt sind.

Antwort auf von Kerstin

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zu 1) das Gendern stört nicht und ist überhaupt nicht überflüssig.

Antwort auf von Rebeccca

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Doch!

Antwort auf von Rebeccca

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Menschen mit Leseschwäche wird es nur noch schwerer gemacht.

Antwort auf von Rebeccca

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Doch - Gendern ist völliger Unsinn und nur ein Kniefall vor den lauten Feministinnen, die sonst (zu ihrem Glück) keine Probleme haben.

Antwort auf von Kerstin

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Volle Zustimmung Kerstin. Hätte ich nicht besser formulieren können.
Zum Gendern: Wir nehmen unnötige Rücksicht. Aber wenn es wichtig oder teuer wird oder wirkliches Umdenken erforderlich ist, wie bei der Organspende, dann wird gekniffen!
Außerdem ist Gendern kulturlos denn es greift unsensibel und "von Oben" in unsere Sprachtradition ein.

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Eure Lesbarkeit nimmt dadurch enorm ab und Gerechtigkeit ist damit schon lange nicht geschaffen.

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Danke für den wirklich gelungenen und informativen Artikel!
Und, gendern bitte weiter durchziehen, aber das wisst ihr ja. ;)

Antwort auf von Julia S.

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Gendern bitte einstellen. Aber das wisst ihr im Grunde Eures Herzens ja. :-)

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Ganz im Ernst, ich schreibe jetzt eine Mail an meinen Abgeordneten. Also wirklich,
als ob irgendjemanden es kuemmern wuerde. Wen es kuemmert, kann doch nein sagen.

Antwort auf von Nina

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Hallo Nina,
leider kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass dies nur wenig bringt. Ich habe den Abgeordneten aus meinem Wahlkreis auch schon Mails geschrieben. Diese werden höchstwahrscheinlich nicht mal angeschaut, sondern gleich gelöscht. Ich finde, was dort im Bundestag gemacht wurde, ist ein Schlag ins Gesicht, für alle die auf ein Spenderorgan warten evtl. kann man auch sagen, dass die Abgeordneten damit für Betroffene den Totenschein unterschrieben haben.

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Gendern ist richtig und wichtig, aber ich muss Nicole zustimmen, der doppelpunkt stört, die anderen formen, allen vorran der genderstern sind da deutlich angenehmer.

Antwort auf von KatrinS

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Nadine meine ich natürlich, sorry ?

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Entfernt. Bitte beteiligen Sie sich nur, wenn Sie einen konstruktiven Beitrag zur Diskussion leisten möchten. Danke, die Redaktion/db

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Als ob es hier nur ums Gendern ginge...

Zum Thema: Ich finde es wichtig und gut, dass die Spahnsche Widerspruchslösung mehrheitlich abgelehnt wurde. Denn ich bin für Grundrechte und medizinische Selbstbestimmung - auch nach dem Ableben!

Antwort auf von Peter Wunder

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Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie ein Organ benötigen werden, ist größer als die ein Organ zu spenden.
Wäre interessant zu wissen, wie Sie im Bedarfsfall reagieren.
Ich bin von der Entscheidung der Volksvertreter absolut enttäuscht.

Antwort auf von Pedro

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Organ-Spende sollte im Sinne des Wortes auch als solche freiwillig erfolgen..
Menschenwürde bedeutet auch, dass jeder entscheiden sollte, ob er spendet oder nicht...
Tote Menschen sind keine Ersatzteillager...über den der Staat nach Belieben bestimmen darf...

Antwort auf von Mo

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Hallo Mo,
was ist unter "Widerspruchslösung" nicht zu verstehen? Widerspruch heißt, Du kannst
"widersprechen", d.h. "dagegen sein" und somit nicht zustimmen!
Du solltest Dich, wie sämtliche Abgeordnete, die dagegen gestimmt haben, zu einem Kind
im Krankenhaus hinsetzen und beim Sterben zuschauen müssen! Vielleicht sogar bei
einem Angehörigen. Hauptsache Deine Organe werden im Fall eines tödlichen Unfalls (wünsch ich keinem)
mit Dir eingegraben oder verbrannt. Für mich leider nicht verständlich.

Antwort auf von Peter Wunder

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Tote sind nur leider tot.
sie brauchen weder herz, noch lunge, während tuasende leute sie gut gebrauchen könnten, um weiter zu leben und nicht auch zu sterben.
Ich finde es unverantwortlich lebenswichtige organe einfach verrotten zu lassen, und die wartenden, wegen des egoismus der ehemals lebenden, elendig verrecken zu lassen

Antwort auf von Nadine

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Ich habe mit sehr vielen Menschen Kontakt, die auf der Warteliste stehen, oder Transplantiert wurde. Bin 2001 Herz+Nieren Transplantiert. Seit der Misere mit der Abstimmung sortiere ich persönlich keinen Müll mehr. Ich bin sehr erschüttert.

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Ich bin froh und dankbar, dass das Parlament - trotz massiver vorheriger Propaganda von allen Seiten - sich doch gegen die Widerspruchsregelung und damit gegen den Ausverkauf des Grundrechtes auf Selbstbestimmung entschieden hat.
Ich frage mich, wie man es - als Befürworter der Widerspruchsregelung - mit seinem Gewissen vereinbaren kann, im Fall der Fälle ein Organ von jemandem zu nehmen, der dafür gar nicht sein Einverständnis gegeben hat. Das ist ja dann im Grunde genommen Organraub. Dies vor dem Hintergrund, das die Definition von Hirntod als Tod gar nicht so eindeutig ist, wie sie von offizieller Seite immer dargestellt wird. Und es ist auch nicht erwiesen, dass ein sog. Hirntoter wirklich keine Schmerzen empfindet.
Als Veganerin bin ich da natürlich besonders sensibilisiert bei dem Thema.

Antwort auf von Lola

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Hallo Lola,

könntest du bitte deine Aussage einem 12 jährigen Kind im Krankenhaus sagen, welches seit seinem 10. Geburtstag im Krankenhaus ist und auf eine Spenderlunge warten. Höllische Schmerzen beim Atem hat vermutlich ohne Spenderorgan seinen 12. Geburtstag nicht mehr erleben wird. Dessen Eltern mit mehreren zehn tausend Euro bei Freunden, Verwanden und der Bank Schulden haben nur damit sie bei Ihrem Kind sein können.

OT: Armes Deutschland wenn es menschen gibt die nur an sich denken. Du würdest wahrscheinlich niemals dein leben für andere in Gefahr bringen, dabei beleidigt werden und nichtmal eine Entschädigung dafür bekommen? Dann um 5 Uhr morgens Heim kommen und um 6 Uhr zur Arbeit fahren. Du fragst dich warum ich dies dich frage? Frag doch mal einen Freiwillige(n) Feuerwehrmann/frau wie das ist. ICH, ICH, ICH ... man muss sich vegan ernähren oh nein ich habe ein Grundrecht auf Selbstbestimmung. Dieses Grundrecht auf Selbstbestimmung ist dir doch scheiß egal wenn du nachts um 4 aus einem Brennenden Haus befreit wirst. Das gleiche kannst du hoffentlich auf auf diese Widerspruchsregelung anwenden. Wenn du darauf angewiesen bist ist dir das Grundrecht eines anderen scheiß egal. Deshalb einfach mal vorher denken und vielleicht die klappe halten.