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Wilhelm Halder
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Carsten G. •

Frage an Wilhelm Halder von Carsten G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Halder,
1.Wie stehen Sie zum Schutz des ungeborenen Lebens?
2.Wie stehen Sie zur Erhaltung unseres Bargeldes?
3.Wie stehen Sie zur Chinesischen Initiative "neue Seidenstraße"?
4.Wie stehen Sie zur Aufhebung der Sanktionen gegen Russland?
5.Wie stehen Sie zu TTIP,TISA und CETA? Zwar dürfen Abgeordnete Akteneinsicht nehmen, müssen darüber jedoch unbedingtes Stillschweigen bewahren.
6.Was wollen Sie Wohnungsbautechnisch in die Wege Leiten, um allen Menschen, die bei uns Schutz suchen, zeitnah mit Wohnraum versorgen zu können?
7.Was wollen Sie dem entstandenen Preiswucher in der Bauindustrie entgegen stellen?
8.Warum müssen auf ausgezahlte Renten Steuern gezahlt werden? Die Beiträge zur Rentenkasse unterlagen doch schon der Steuerpflicht.
9.Warum werden unsere Soldaten entgegen des Grundgesetzes in sämtliche Krisenherde dieser Welt geschickt? In keinem Einsatzgebiet haben sich die Dinge zum besseren gewendet. Derzeit ist Syrien der gefährlichste Einsatzort, weil sich dort alle 5 offiziellen Atommächte gegenüber stehen.
10.Welchen Sinn macht es, über die Zusammensetzung des Ba.-Wü.-Landtags zu bestimmen, da der Löwenanteil der Verordnungen, die unseren Alltag bestimmen, aus Brüssel kommen und von Berlin lediglich abgenickt werden?
Da eine politische Wahl auch eine Gewissensfrage ist, hoffe ich, daß Sie mir mit der Beantwortung der Fragen helfen können,
vielen Dank
G.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr G.,

vielen Dank für Ihre Anfrage.
Gerne nehme ich zu den von Ihnen angesprochenen Punkten Stellung.

1. Schutz des ungeborenen Lebens
Für mich haben sowohl der Schutz des ungeborenen Lebens als auch die Selbstbestimmung jedes Menschen einen hohen Stellenwert. Aus diesem Grund halte ich es für richtig, dass Frauen frei und ohne Kriminalisierung über ihre Schwangerschaft entscheiden können. Dabei haben sie ein Recht auf Information und freiwillige Beratung. Dazu gehören auch freiwillige Angebote rund um vorgeburtliche Untersuchungsmethoden. Restriktive Regelungen haben zu keiner Zeit geholfen, werdendes Leben vor einem Abbruch der Schwangerschaft zu schützen. Stattdessen brachten sie viele Frauen in entwürdigende und lebensgefährliche Situationen. Deshalb sind freiwillige, qualifizierte und ergebnisoffene Beratungen wichtig, um Frauen bei ihrer Entscheidung zu unterstützen und ihnen in schwierigen Situationen beizustehen.

2. Erhalt des Bargeldes
Überlegungen hinsichtlich der Abschaffung des Bargeldes sehe ich äußerst kritisch. Für mich sprechen nicht nur datenschutzrechtliche Gründe gegen eine Abschaffung des Bargeldes. Auch bin ich der Überzeugung, dass durch eine Abschaffung des Bargeldes viele Menschen den Bezug zu Geld und dessen Wert verlieren würden. Gerade für Jugendliche und junge Erwachsene sehe ich hier große Gefahren.

3. Chinesische Initiative „neue Seidenstraße“
Mit der Initiative „neue Seidenstraße“ soll sowohl die Landverbindung zwischen Asien und Europa als auch die Seeverbindungen ausgebaut und reaktiviert werden. Genaueres über die Ziele und Hintergründe dieses Projekts sind mir leider nicht bekannt. Wenn Sie hierzu an weiteren Informationen interessiert sind, würde ich Ihnen empfehlen sich an die Grüne Bundestagsfraktion zu wenden.

4. Aufhebung der Sanktionen gegen Russland
Nach wie vor halte ich gute und intensive Beziehungen mit Russland für wünschenswert. Deshalb ist es wichtig, weiter auf Dialog zu setzen. Die derzeitige Ausrichtung der russischen Außen- und Sicherheitspolitik sehe ich in vielen Bereichen jedoch kritisch. Aus diesem Grund erscheinen mir Lockerungen der Sanktionen derzeit nicht gegeben. Die Bedingungen für die Aufhebung der Sanktionen sind klar formuliert und bis zu einer vollständigen Umsetzung des Minsker Abkommens ist es noch ein weiter Weg.

5. TTIP, TISA und CETA
Bei den Freihandelsabkommen TTIP, TISA und CETA stehen wir Grüne für transparente Verhandlungen und faire Regeln für den internationalen Handel. Sie sollen daher nur umgesetzt werden, wenn Werte wie Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit, Wahrung der Menschenrechte und nachhaltige Entwicklung berücksichtigt werden. EU-weit errungene Standards in den Bereichen Umweltschutz, Gesundheit, Soziales, Arbeitsschutz und Verbraucherschutz sowie Datenschutz müssen unangetastet bleiben. Dazu gehört auch das wichtige und lang erkämpfte europäische Prinzip der Vorsorge, das das Ausmaß und den Eintritt von Schadensfällen in all diesen Bereichen wirksam reduziert. Bestehende Regulierungen werden auf kommunaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene demokratisch fortentwickelt, dies darf nicht von den Vereinbarungen transatlantischer Handelsverträge beeinträchtigt werden.

Die Weiterentwicklung unserer ökologischen, sozialen und gesellschaftlichen Standrads muss Gegenstand von öffentlichen Prozessen sein und im Rahmen der Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative erfolgen statt hinter verschlossenen Türen. Genauso dürfen auch unsere Verbraucherrechte nicht eingeschränkt werden, Kennzeichnungspflichten nicht ausgehöhlt und die Qualität unserer Lebensmittel nicht verringert werden. Die Abkommen dürfen keinesfalls durch die Hintertür Gentechnik in Baden-Württemberg einführen.

Investor-Staats-Klagen (ISDS) vor privaten Schiedsgerichten unterhöhlen den Rechts- und den Verfassungsstaat, privilegieren externe Investoren gegenüber heimischen Unternehmen und schwächen die Demokratie. Wir halten sie daher für grundfalsch. Der Schutz von Mensch und Umwelt, der unabhängig von wirtschaftlichen Interessen ist, ist nur durch eine öffentliche Rechtsprechung zu gewährleisten. Deshalb fordern wir, dass ordentliche staatliche Gerichte für die Streitbeilegung zwischen Investoren und Staaten zuständig sind und ausländischen Investoren keine Sonderrechte gegenüber inländischen Betrieben eingeräumt werden.
Nach heutigem Kenntnisstand lehnen wir GRÜNE CETA ab. Insbesondere das Thema Schiedsgerichte sehen wir sehr kritisch. Darum muss die Bundesregierung CETA zwingend nachverhandeln, weil Privilegien für internationale Investoren in diesem Abkommen nach wie vor vorgesehen sind und damit US-Unternehmen die Möglichkeit erhalten würden, mittels kanadischer Tochterfirmen Schiedsgerichtsverfahren gegen EU-Staaten durchzuführen. Mit der neu gewählten kanadischen Regierung sehen wir eine neue Chance, CETA noch zu verändern. Die öffentliche Daseinsvorsorge – wie etwa die Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung, der Öffentliche Personennahverkehr, Sozialdienstleistungen oder die Gesundheitsversorgung – braucht Bestandsschutz und muss aus den TTIP-Verhandlungen explizit ausgenommen werden. Dies gilt auch für die sensiblen Bereiche Kulturgüter, Verbraucherschutz und Landwirtschaft. Diese Bereiche müssen auch in Zukunft von staatlicher Seite aus regulierbar sein.

Nur die Herausnahme der im Gemeinwohlsinne nicht verhandelbaren Bereiche aus den Verhandlungen kann ausschließen, dass sie als Dispositionsmasse für einen Kompromiss enden. Handelsabkommen dürfen weder direkten noch indirekten Druck zur weiteren Liberalisierung und Privatisierung von Daseinsvorsorgebereichen ausüben oder Möglichkeiten zur Rekommunalisierung, etwa im Energiebereich, einschränken.

Wir halten die Verhandlungsmandate der EU-Kommission bei TTIP und TISA für inhaltlich falsch. Wir fordern einen Neustart der Verhandlungen nach diesen Maßstäben. Mit unseren Forderungen an die Verhandlungen transatlantischer Handelsverträge sind wir nicht allein. Eine breite Allianz im Land setzt sich mit uns für diese Grundsätze ein. Unter unseren Mitstreiter*innen sind kommunale Landesverbände, Vertreter*innen der mittelständischen Wirtschaft, Gewerkschaften, Verbände, Datenschützer*innen, Kirchen, politische Stiftungen und zivilgesellschaftliche Akteur*innen.

6. Wohnraumversorgung
Zur Schaffung von günstigem Wohnraum hat die grün-geführte Landesregierung die Wohnraumförderung von 45 auf 75 Millionen Euro erhöht und den Schwerpunkt auf sozial gebundene Mietwohnungen gelegt. Damit haben wir den Zuschuss für jede neue Sozialwohnung fast vervierfacht. Die neuen Mittel des Bundes von 40 Millionen Euro setzen wir gezielt für den sozialen Wohnungsbau ein.

Das Land fördert außerdem den Erwerb von Anteilen an Wohngenossenschaften, damit auch diese Genossenschaften weiter in neue Sozialwohnungen investieren. Um hier noch verstärkt aktive Sozialpolitik zu leisten, wollen wir noch die wirkungsvollen Investitionen in den sozialen Wohnungsbau erhöhen.

Familien, Geflohene, Studierende und Menschen mit geringem Einkommen sind auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen. Deshalb brauchen wir einen Aufbruch für mehr integrativen, nachhaltigen und günstigen Wohnraum. Das bedeutet mehr Anstrengungen und Fördermöglichkeiten im sozialen Wohnungsbau. Wir werden deshalb die Einführung von regionalen revolvierenden Wohnbaufonds und sogenannte verlorene Zuschüsse prüfen, um den sozialen Wohnungsbau weiter gezielt zu fördern. Bund und Land müssen dafür Sorge tragen, dass Kommunen und Wohnungsunternehmen, die sozialen Wohnraum schaffen wollen, finanziell unterstützt werden. Kommunen mit zu wenig günstigem Wohnraum, die über kein kommunales Wohnungsunternehmen verfügen, sollen vom Land bei der Suche nach Partnern in der Wohnungswirtschaft unterstützt und beraten werden. Neu geschaffener Wohnraum darf nicht städtebaulich eintönig werden. Deshalb werden wir Modellprojekte für integrativen Wohnraum in den Regionen des Landes ausschreiben. Durch steuerliche Anreize wollen wir privates Kapital gezielt für den sozialen Wohnungsbau aktivieren.

7. Preiswucher in der Bauindustrie
In den vergangenen Jahren hat die deutsche Bauindustrie einen starken Boom erlebt – sowohl im Bereich des Neubaus als auch bei Sanierungen von Bestandsgebäuden. Aufgrund der steigenden Nachfrage nach Bauleistungen sind auch die Preise angestiegen. Ähnliches kann man auch bei den Preisen für Bauplätze beobachten. Ein Eingreifen in den Markt von politischer Seite halte ich für schwierig.

8. Zahlung von Steuern auf ausgezahlte Renten
Das Gesetz zur Rentensteuer wurde damals unter der rot-grünen Bundesregierung beschlossen. Wir Grüne stehen weiterhin für eine Rentenversicherung, die verlässlich ist. Deshalb wollen wir die gesetzliche Rentenversicherung weiterentwickeln. Denn manche Personengruppen schützt sie bereits heute nur unzureichend vor Armut. Unter Rot-Grün wurde im ersten Schritt die Grundsicherung im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung eingeführt. Jetzt geht es darum, die Grundsicherung auf ein Niveau anzuheben, das Teilhabe tatsächlich ermöglicht.

9. Auslandseinsätze der Bundeswehr
Die Bundeswehr muss meiner Ansicht nach eine Parlamentsarmee bleiben. Eine Aufweichung der parlamentarischen Mitwirkung des Bundestags bei Einsätzen der Bundeswehr halte ich für äußerst problematisch. Stattdessen sollte eine Stärkung der parlamentarischen Kontroll- und Informationsrechte erfolgen – insbesondere was den Einsatz von Spezialkräften der Bundeswehr anbelangt.

10. Landtag von Baden-Württemberg
Mittlerweile werden zahlreiche Richtlinien und Vorgaben auf europäischer Ebene verhandelt und entschieden. Dennoch ist es Aufgabe des Bundes und der Länder diese Richtlinien und Vorgaben entsprechend umzusetzen und diese mit „Leben zu füllen“.

Auf Landeseben haben wir meiner Ansicht nach sehr wichtige Entscheidungskompetenzen, die von Bundes- und europäischer Ebene nicht tangiert werden. Dies betrifft beispielsweise den Bereich Bildung und Hochschule. Hier sind die Landtagsabgeordneten in Baden-Württemberg gefragt.

Für weitere Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Freundliche Grüße

Willi Halder