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Tom Koenigs
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Frage von Christian S. •

Frage an Tom Koenigs von Christian S. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Koenigs,

nach dem deutschen Urhebergesetz sind Hersteller und Importeure von Geräten und Speichermedien, die für Privatkopien benutzt werden, zur Zahlung von Abgaben verpflichtet. Diese Abgaben sollen vom Hersteller idealerweise eingepreist und an den Verbraucher weitergereicht werden. Urheber erhalten die Abgaben als Kompensation für private Vervielfältigungen.
Das System der Urheberrechtlichen Abgaben erweist sich in der heutigen digitalen Zeit als anachronistisch und muss langfristig durch ein besseres System ersetzt werden. Rechts- und Planungsunsicherheit in diesem Bereich stellen eine erhebliche wirtschaftliche Belastung der Unternehmen dar. Als betroffenes Unternehmen sind wir den hohen (offenbar willkürlichen) Forderungen der Verwertungsgesellschaften ausgesetzt, welche als Tarife im Bundesanzeiger teilweise Jahre rückwirkend veröffentlicht werden. Diese Praxis ist durch das Gesetz nicht gedeckt. Uns ist es auch zweifellos nicht möglich, die Forderungen rückwirkend einzupreisen. Aufgrund der mangelnden Marktkontrolle der Verwertungsgesellschaften hat sich zudem ein erheblicher Graumarkt gebildet. Dadurch entstehen Wettbewerbsverzerrungen, die letztlich alle redlichen Beteiligten belasten und den Standort Deutschland gefährden. Die seit Jahren andauernden kostenintensiven Schieds- und Gerichtsverfahren haben bislang nicht zu mehr Rechtssicherheit beitragen können.

Gerne würden wir mit Ihnen in einem Gespräch erörtern, wie das veraltete Abgabensystem aus Ihrer Sicht in der kommenden Legislaturperiode neu gestaltet werden kann.

Ich freue mich auf Ihre Rückmeldung und Positionierung.

Mit freundlichen Grüßen,
Christian Schieber
TECHNO DESIGN
35410 Hungen

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Schieber,

vielen Dank für Ihre Mail.

Bündnis 90/Die Grünen kämpfen seit Jahren für einen echten und fairen Interessensausgleich, auch und gerade im digitalen Bereich, der den Zugang zu Kultur und die berechtigten Ansprüche der Urheberinnen und Urheber mit den Interessen der Verwerter und den sich rasant entwickelnden technischen Möglichkeiten in Einklang bringt. Die Vielzahl der verschiedenen Interessen erfordert sehr differenzierte, und gleichzeitig international durchsetzbare und gültige Lösungen. Wir legen großen Wert auf global belastbare Lösungen, die den Ausgleich der Interessen von UrheberInnen, Verwertern, Vermittlern und NutzerInnen zum Ziel haben. Es ist unser Anliegen, im direkten Kontakt mit allen Beteiligten und Interessengruppen die nötigen gesetzgeberischen Schwerpunkte zu setzen. Wir treten für eine Politik ein, die auf Vergüten statt Verfolgen setzt.
Insofern sind die Einzelmaßnahmen im Urheberrecht sehr zahlreich und breit. Exemplarisch sei genannt: effektive Eindämmung des Abmahnunwesens, Stärkung der UrheberInnen und Verbesserung der Vergütungssituation, zukunftsweisende Regelungen für den Wissenschafts- und Bildungsbereich, bspw. umfassende Wissenschaftsschranke, Open Access und Verbesserung der Bedingungen für Schulen und andere Bildungseinrichtungen, Bibliotheken und Archive, Etablierung und Ausweitung weiterer kundenfreundlicher Geschäftsmodelle im digitalen Kulturmarkt, Regelung zum Recht auf Remix sowie die Flexibilisierung der Schranken auf EU-Ebene.

Verwertungsgesellschaften sind in ihrer Funktion der stellvertretenden Rechtewahrnehmung notwendig. Auch angesichts der massenhaften Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke und Leistungen im Internet kann das System der kollektiven Rechtewahrnehmung gestärkt werden. Das System der kollektiven Rechtewahrnehmung bedeutet eine Stärkung der Verhandlungsposition der Werkschaffenden gegenüber marktstarken Werknutzern, Verwertern und Vermittlern und ist ein wichtiges Instrument, wenn es um eine angemessene Vergütung für Urheberinnen und Urheber geht.

Eine Reform der Verwertungsgesellschaften steht in der EU wie in Deutschland auf der Agenda. Eine vereinfachte und grenzüberschreitende Rechteklärung ist nötig. In den letzten Jahren waren die Verwertungsgesellschaften europaweit immer wieder Kritik ausgesetzt. Mit der vorliegenden EU-Richtlinie hat die Europäische Kommission einen Vorschlag erarbeitet, der momentan im Europäischen Parlament beraten wird. Allerdings darf die grenzüberschreitende Tätigkeit der Verwertungsgesellschaften unter Wettbewerbsbedingungen, wie Sie von der EU-Richtlinie über kollektive Rechtewahrnehmung zum Ziel hat, keinesfalls die im Grundsatz angelegten, gleichwohl aber noch ausbaufähigen gemeinwohlbezogenen Funktionen von Verwertungsgesellschaften aushöhlen. Um den Besonderheiten von Verwertungsgesellschaften im Vergleich zu anderen Dienstleistern Rechnung zu tragen, hat der Kulturausschuss des Europäischen Parlaments in seiner Abstimmung über die EU-Richtlinie den Verweis auf die Dienstleistungsrichtlinie gelöscht. In der Richtlinie sollen Transparenzregeln für Verwertungsgesellschaften sowie Funktionsweisen für demokratischere Verfahren innerhalb von Verwertungsgesellschaften geregelt werden. Unserer Ansicht nach gibt es bezüglich der Transparenz, der Verständlichkeit von Tarifregelungen, der Mitbestimmung aller Mitglieder, der Aufsicht sowie der gleichberechtigten Einbindung von Frauen in die Entscheidungsgremien bei einigen Verwertungsgesellschaften Reformbedarf. Wir respektieren die Selbstorganisation der Verwertungsgesellschaften im Rahmen effektiver Beaufsichtigung des DPMA und wollen die Verwertungsgesellschaften bei ihren Reformbemühungen unterstützen. In diesem Rahmen sollte auch eine für alle Verwertungsgesellschaften geltende Regelung für die Implementierung alternativer Lizenzmodelle gefunden werden.

Mit besten Grüßen
Tom Koenigs