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Frage von Johann E. •

Frage an Thomas Feist von Johann E. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr geehrter Herr Dr. Feist,

Sie sitzen als ordentliches Mitglied in Ausschüssen, die sich mit Bildung, Bildungspolitik und Forschung befassen.
Ich nehme daher an, dass Sie die prekäre Lage, schlechte Ausstattung und schlechte bauliche Substanz vieler Bildungsstätten in Sachsen und Deutschland kennen.
Im Moment sitzen wieder Regierungs-Chefs und EU-Beamte beisammen, um noch vor den Landesparlamenten Beschlüsse zu fassen, die von Ihnen dann abgenickt werden sollen.
Ich möchte Sie ermutigen, nicht einfach "abzunicken". Ich möchte Sie ermutigen, der Würde des Parlaments, also der Voksvertretung, Geltung zu verschaffen, und zuerst für das Wohl der Bevölkerung, und nicht für den Profit einiger Investoren abzustimmen. Vielleicht wird es eine Kettenreaktion geben und einige Banken Bakrott anmelden müssen. Aber das ist in jedem Schneeballsystem irgendwann einmal der Fall. Also warum nicht jetzt? "Vielleicht" wird das passieren. Was aber auf jeden Fall passieren wird: Ein permanenter Rettungsschirm wird uns, unsere Kinder und Enkel dauerhaft in eine Situation bringen, die wesentlich schlechter ist, als sie ohne Rettungsschirm sein könnte.
Ich bin außerdem der Ansicht, das dieser permanente Rettungsschirm verfassungswidrig ist. Es ist ein Skandal, dass das Bundesverfassungsgericht die Klagen zur Griechenlandhilfe und dem aktuellen Rettungsschirm über ein Jahr verschleppt hat.
Bitte erläutern Sie mir Ihre Rechtsauffassung zu diesen Hilfen und den Rettungsschirmen und Ihre konkreten Befürchtungen (bitte keine Vermutungen), was passieren wird, wenn kein permanenter Rettungsschirm eingerichtet wird.
Ich bin sehr gespannt.

Mit freundlichen Grüßen
Johann Erler

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Sehr geehrter Herr Erler,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Zunächst kann ich Ihnen versichern, dass alle meine Kollegen und ich im Deutschen Bundestag das Wohl der Bevölkerung als Maßstab für ihre Handlungen anlegen. Als direkt gewählter Leipziger Abgeordneter stehe ich in ständigem Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern in meinem Wahlkreis. Als gebürtiger Leipziger, Familienvater, Ehemann bin ich auch ein ganz normaler Bürger, nur dass ich eben auch Bundestagsabgeordneter bin. Ich habe mir keine der Entscheidungen zur Euro-Rettung leicht gemacht. Als Steuerzahler und Wähler trage ich genauso ein Risiko wie jeder andere erwerbstätige Bürger in dieser Bundesrepublik.

Ich „nicke auch nichts einfach nur ab“. Es handelt sich insgesamt um eine höchst komplexe Materie. Ich muss mich dabei auf mein Wissen und Gewissen sowie aktuelle Informationen berufen, um zu entscheiden. Wie ich bereits in einer früheren Antwort auf diesem Portal festgehalten habe, wird leider es erst die Zukunft zeigen, ob wir mit diesen Entscheidungen richtig liegen. Ich jedenfalls bin von der Richtigkeit der Entscheidungen überzeugt. Ich bin mir absolut sicher, dass es sich für den Erhalt des Euro und der Europäischen Union zu kämpfen lohnt. Deutschland profitiert vom Euro, weil er für Wachstum und Arbeitsplätze sorgt: Die stark exportorientierte deutsche Wirtschaft hat große Vorteile davon, dass es innerhalb des Euroraums keine Wechselkursschwankungen mehr gibt. Und die Verbraucher können sich über einen stärkeren Wettbewerb freuen, der zu größerer Vielfalt und geringeren Preisen führt. Der Euro hat zu einer Vertiefung des europäischen Binnenmarkts mit inzwischen mehr als 500 Millionen Verbrauchern geführt. Circa zwei Drittel der deutschen Exporte gehen in Länder der Europäischen Union. Millionen von Arbeitsplätzen hängen in Deutschland vom europäischen Binnenmarkt ab. Unabhängig vom ökonomischen Nutzen ist die einheitliche Währung politisch unverzichtbar. Sie ist das bislang weitreichendste Ergebnis und Bekenntnis der europäischen Integration und versetzt Deutschland als Teil des größten Binnenmarktes der Welt in die Lage, die Globalisierung mitzugestalten. Als einflussreicher Akteur in Europa hat die Bundesrepublik Deutschland die Möglichkeit, ihr Gesellschaftsmodell zu bewahren. Alleine wäre sie chancenlos.

Mit mir ist auch die Mehrheit der Deutschen dieser Meinung. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im April diesen Jahres sind 69 Prozent der Deutschen dafür, den Euro zu behalten, während 27 Prozent die D-Mark zurück wollen. Diese Einschätzung bestätigt eine aktuelle Umfrage des Deutschlandtrends der ARD von Anfang August. Demnach erklären 76 Prozent der Bevölkerung, dass sie ihre eigene wirtschaftliche Situation als gut oder sehr gut einschätzen. Dieser hohe Wert wurde in der Geschichte der Bundesrepublik nur einmal gemessen, nämlich 1998. Insgesamt sind die Deutschen mit ihrem Land zufrieden. Laut Glücksatlas 2012 liegt der Zufriedenheitswert bei 7,0 Punkten. Gemessen wurde auf einer Skala von null, "ganz und gar unzufrieden", bis zehn, "ganz und gar zufrieden". Deutschland klettert in Sachen Lebenszufriedenheit damit von Platz 15 (2006) auf Platz 9 (2011) unter den europäischen Nachbarn.

Mit Urteil vom 7. September 2011 hat das Bundesverfassungsgericht drei Verfassungsbeschwerden – die Sie ja auch ansprachen - gegen Finanzhilfen und Rettungsschirme zurückgewiesen. Das Wahlrecht aus Art. 38 Abs. 1 Grundgesetz werde durch die haushaltsrechtlichen Ermächtigungen in Deutschland zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen der Rettungsprogramme nicht verletzt, da das Haushaltsrecht des Bundestages nicht in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise ausgehöhlt werde. Jedoch verlangt das BVerfG einen fortdauernden Einfluss des Bundestages auf die Entscheidungen zur Übernahme von Gewährleistungen. Der Bundestag als souveränes Parlament mit selbstbewussten Abgeordneten hat sich diesem Urteil folgend weitreichende Beteiligungen gegeben. So wird es keine Zusagen zu Hilfspaketen ohne einen entsprechenden Beschluss des Deutschen Bundestages geben. Darüber hinaus wurden vielfältige Berichtspflichten gegenüber der Bundesregierung verankert.

Sie haben nach ganz konkreten Befürchtungen gefragt. Eine Studie der Prognos AG im Auftrag der Bertelsmann Stiftung hat mit volkswirtschaftlichen Berechnungen die Folgen eines Griechenlandaustrittes untersucht. Leider sind diese noch schlimmer als allgemein angenommen: „Ein Austritt Griechenlands aus dem Euro trägt das Risiko eines europäischen und sogar internationalen Flächenbrandes und könnte eine weltweite Wirtschaftskrise zur Folge haben. Zu den Betroffenen würden nicht nur die Südeuropäer oder die Mitglieder der EU, sondern auch die USA, China und andere Schwellenländer gehören.[…] Deutschland müsste auf 1,7 Billionen Euro verzichten und insgesamt 455 Mrd. Euro Forderungen abschreiben. Hier wären die wirtschaftlichen Einbußen in Deutschland mit mehr als 21.000 Euro pro Kopf teilweise noch höher als in den Ausstiegsländern, Griechenland mit mehr als 15.000 Euro, Portugal und Italien mit fast 17.000 Euro sowie Spanien mit 20.500 Euro. Die Bevölkerung wäre in der Folge auch durch ansteigende Arbeitslosigkeit betroffen: So würde allein in Deutschland die Zahl der Arbeitslosen bis zum Jahre 2015 um mehr als eine Million ansteigen.“ In Ihrem Fazit kommen die Autoren zu dem Schluss: „Ein zunächst isolierter Austritt Griechenlands und sein Staatsbankrott wären zwar ökonomisch verkraftbar, könnten aber mit ihren schwer kalkulierbaren Folgen die Weltwirtschaft in eine tiefe Rezession stürzen, die auch vor außereuropäischen Volkswirtschaften keinen Halt machen würde. Neben den rein ökonomischen Konsequenzen ist auch mit erheblichen sozialen Spannungen und politischen Instabilitäten zu rechnen – vor allem in den Ländern, die aus dem Euro ausscheiden, aber auch in anderen Volkswirtschaften. Die Gefahr eines Flächenbrandes mit seinen wirtschaftlichen Konsequenzen und seinen politischen wie sozialen Folgewirkungen eines griechischen Staatsbankrotts und Austrittes aus dem Euro sind so bedrohlich, dass die internationale Staatengemeinschaft – auch außerhalb Europas – beides verhindern sollte.“ http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xchg/bst/hs.xsl/nachrichten_113793.htm ).

Eine weitere Studie der Bertelsmann Stiftung ( http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xchg/SID-3D70310B-5D6B3D30/bst/hs.xsl/nachrichten_116155.htm ) hat darüber hinaus detailliert dargestellt, in welchen großem Ausmaß Deutschland vom Euro profitiert. „Die Studie belegt: Ohne den Euro würde das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Deutschland jedes Jahr um rund 0,5 Prozentpunkte niedriger ausfallen. Werden die Wachstumsvorteile der Euro-Mitgliedschaft zwischen 2013 und 2025 aufaddiert, ergibt sich ein Gewinn in Höhe von fast 1,2 Billionen Euro. Dieser Wert entspricht in etwa der Hälfte der gesamten deutschen Wirtschaftsleistung des Jahres 2012.

Auch für den Bürger rechnet sich der Euro: Im Durchschnitt beträgt das Einkommensplus je Einwohner zwischen 2013 und 2025 etwa 1.100 Euro pro Jahr. Schließlich würde sich im D-Mark-Szenario die Lage auf dem Arbeitsmarkt eintrüben. Eine Dämpfung des Wachstums des Bruttoinlandsprodukts um 0,5 Prozentpunkte hätte einen Verlust von etwa 200.000 Arbeitsplätzen zur Folge.

Die Vorteile, die Deutschland aus der Mitgliedschaft im Euro erwachsen, sind auch dann noch gegeben, wenn es in den kommenden Jahren zu erheblichen Abschreibungen von Forderungen gegenüber den vier südeuropäischen Krisenländern Griechenland, Portugal, Spanien und Italien kommen sollte. In zusätzlichen Berechnungen wurden Abschreibungen für jedes Land von 60 Prozent der Forderungen zugrunde gelegt. Die in diesem Fall höhere Staatsverschuldung bzw. der dadurch erhöhte fiskalische Konsolidierungsbedarf wirkten sich zwar dämpfend auf die wirtschaftliche Dynamik aus. Die Auswirkungen hielten sich jedoch in engen Grenzen.“

Aber die Reformen zeigen glücklicherweise langsam Wirkung. Die öffentlichen Haushaltsdefizite der Euro-Staaten sind 2012 deutlich gesunken, im Schnitt auf 3,7 Prozent des BIP, gegenüber 6,2 Prozent im Jahr 2010. Zum Vergleich: In Japan und auch den USA beträgt das Haushaltsdefizit mehr als 8 Prozent des BIP. Die für die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft wichtigen Lohnstückkosten konnten in den Krisenländern mittlerweile deutlich reduziert werden: in Griechenland und Irland um je 10 Prozent, in Spanien und Portugal um je 6 Prozent seit 2009. Auch die Unterschiede in den nationalen Leistungsbilanzen haben sich in den vergangenen Jahren abgebaut. So konnte selbst Griechenland sein Leistungsbilanzdefizit seit 2008 mehr als halbieren, in anderen Programmländern sieht die Entwicklung sogar noch besser aus. Spanien, Portugal, Irland und Griechenland haben ihre Exporte spürbar gesteigert. Die Finanzierungssituation in den Krisenländern hat sich gebessert: Die Zinsen, die Länder wie Spanien, Portugal, Irland oder Italien für ihre Staatsanleihen bezahlen müssen, sind in Anerkennung der erreichten Fortschritte inzwischen spürbar zurückgegangen. Die Abstände zu den Zinsen deutscher Staatsanleihen sind heute deutlich geringer als in der Hochphase der Krise.

Gestatten Sie mir zum Abschluss eine Bemerkung zur Infrastruktur der Bildungsstätten in unserer Bildungsrepublik. Die Bildung und damit die Ausstattung der Bildungseinrichtungen, also Kindertagesstätten, Schulen und Hochschulen, liegt in der alleinigen Verantwortung der Bundesländer. Dennoch engagiert sich der Bund in außergewöhnlichen Maße. So wurden etwa durch die Konjunkturpakete etliche Schulen und Turnhallen in der ganzen Republik saniert. Seit 2005 haben die unionsgeführten Bundesregierungen die Bildungsausgaben des Bundes von 4,3 Mrd. € auf 7,3 Mrd.€ erhöht, das entspricht einem satten Plus von 69 Prozent. Die gesamten staatlichen Bildungsausgaben insgesamt pro Einwohner wurden in dem selben Zeitraum von 904,20 € auf 1.060,70 € (+17 Prozent) gesteigert. Darüber hinaus stellt die Bundesregierung den Ländern und Hochschulen in den Jahren 2011 bis 2015 Euro rund 7 Milliarden Euro für den sogenannten Hochschulpakt 2020 zur Verfügung, damit ausreichend Studienplätze für die jungen Menschen zur Verfügung stehen.

Ich hoffe, ich habe Ihnen mit diesen Informationen weitergeholfen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Thomas Feist