Tankred Schipanski (CDU)
Tankred Schipanski
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Frage von Frank H. •

Frage an Tankred Schipanski von Frank H. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Schipanski,

folgende Gegebenheit mit sowohl bildungs- als auch rechtspolitischem Bezug möchte ich gerne über Abgeordnetenwatch.de an Sie herantragen und versuche mich dabei bewusst kurz zu fassen:

Im gesamten Bildungssystem der Bundesrepublik gibt es das Rechtsinstitut (ich nenne es einfach mal so) des „endgültigen Nicht-Bestehens“. Demnach gibt es für die Kandidaten nur eine begrenzte Anzahl von Prüfungsversuchen (meist 2), um zu einem bestimmten Bildungsabschluss zu gelangen. Das gilt praktisch durchgehend von Schul- über Berufs- bis hin zu Studienabschlüssen. Wer „endgültig“ nicht besteht, kann den betreffenden Abschluss in Deutschland lebenslang nicht mehr erwerben.

Worin liegt aber der „Grund“, die (dogmatische) Berechtigung einer solchen Regelung? Ist es politisch richtig bzw. vertretbar, dass jemand wegen gescheiterten Prüfungen Berufswege (im Extremfall gar grundlegende Schulabschlüsse!) für immer versperrt werden, obwohl zu späterem Zeitpunkt die erforderlichen Voraussetzungen vielleicht vorhanden sein könnten?

Es erscheint zwar einleuchtend, von Seiten des Gesetzgebers verhindern zu wollen, dass jemand mehrfach unbedarft in Prüfungen hineingeht, bis irgendwann zufällig ein bestimmter Teil des Prüfungsstoffes abgefragt wird – aber wäre da nicht eine Sperrfrist die bessere Lösung (ich denke da an ca. 5 bis 10 Jahre)?

Dem Normalbürger in der Laiensphäre ist es jedenfalls nur schwer plausibel zu machen, dass selbst zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilte Schwerverbrecher aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Bewährungschance nach regelmäßig 15 Jahren erhalten, ein negatives Prüfungsurteil aber tatsächlich lebenslänglich gilt.

Mich würde dazu einfach mal Ihre Meinung als Fachpolitiker interessieren!

Mit freundlichen Grüßen

Frank Heuß

Tankred Schipanski (CDU)
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Heuß,

haben Sie herzlichen Dank für Ihre Anfrage. Sie sprechen eine Thematik an, die schon sehr häufig Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen war und von den obersten Bundesgerichten bereits umfassend behandelt und beschieden worden ist.

Lassen Sie mich aber zuerst festhalten, dass ich mich mit Ihrem Vergleich zur Resozialisierungschance für verurteilte Schwerverbrecher nicht einverstanden erklären kann. Unser Rechtssystem beruht darauf, auch wegen Kapitalverbrechen verurteilten Menschen die Chance auf eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu ermöglichen. Mit einer strafrechtlichen Verurteilung ist aber ein negatives Prüfungsurteil keineswegs zu vergleichen. Es nimmt zwar in vielen Fällen die Möglichkeit, einen bestimmten Beruf zu ergreifen, führt aber nicht dazu, dass einem die gesellschaftliche Teilhabe versagt würde.

In Artikel 12 des Grundgesetzes ist die Berufsfreiheit grundrechtlich geschützt. Dieser Schutz bezieht sich nicht nur auf die freie Ausübung, sondern auch auf die freie Wahl des Berufes. Eingriffe in die Berufsfreiheit bedürfen einer besonderen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung – je nach Schwere des Eingriffes. Wird durch einen staatlichen Akt die freie Wahl eines Berufes eingeschränkt, wie es bei einem negativen Prüfungsurteil der Fall ist, so handelt es sich um eine sogenannte „subjektive Berufszulassungsbeschränkung“. Der Begriff „subjektiv“ beruht darauf, dass die staatlichen Regelungen auf Voraussetzungen oder Eigenschaften abstellen, die in der Person des Berufsbewerbers begründet sind. Es geht hier also vor allem um die persönliche Befähigung.

Die Beschränkung einzelner Berufe auf eine bestimmte Befähigung dient dabei dem Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter, wie es das Bundesverfassungsgericht ausgedrückt hat. Die Notwendigkeit hierfür liegt für viele Berufe auf der Hand, lassen Sie mich nur beispielsweise Ärzte oder Rechtsanwälte, aber auch die zahlreichen Handwerksberufe oder Busfahrer und Zugführer nennen.

Um dies zu garantieren, gibt es für zahlreiche Berufe entsprechende Ausbildungs- und Prüfungsvoraussetzungen. Darüber hinaus ist aber bereits vor Jahrzehnten höchstrichterlich festgestellt worden, dass auch die Beschränkung auf zwei Prüfungsversuche verfassungsgemäß ist. Hintergrund einer solchen Beschränkung ist die Erwägung des Gesetzgebers, dass zweimaliges Prüfungsversagen die Ungeeignetheit eines Prüflings hinreichend darlegt. Ein daraus folgender dauerhafter Prüfungsausschluss ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts daher auch nicht rechtsstaatswidrig.

Gleichsam hat das Bundesverfassungsgericht aber auch festgelegt, dass berufsbezogene Prüfungsentscheidungen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht stets überprüfbar sind. Durch diese gerichtliche Kontrollmöglichkeit wird dem Berufsbewerber nach nicht bestandener Prüfung ein möglichst weitgehender Rechtsschutz zugestanden.

Insgesamt stimme ich diesen über Jahrzehnte geprägten Grundsätzen zu. Es ist letztendlich nicht nur im gesamtgesellschaftlichen Interesse, sondern auch im Interesse des Einzelnen, dass jeder einen Beruf ergreift, zu dem er oder sie hinreichend befähigt ist. Die von Ihnen vorgeschlagene Sperrfrist für weitere Prüfungen halte ich hingegen nicht für einen gangbaren Weg. Dies würde im Endeffekt zu einer Verzögerung des Einstiegs in das Berufsleben führen und somit dem einzelnen zu weiteren Nachteilen in seinem beruflichen Werdegang – unabhängig vom letztendlich ergriffen Beruf – gereichen.

Mit freundlichen Grüßen

Tankred Schipanski MdB