Wie positionieren Sie sich zum völkerrechtswidrigen Angriff Israels auf den Iran und wie ordnen sie die Aussagen des Bundeskanzlers zu dem Thema ein (Stichwort "Drecksarbeit")?
Sehr geehrter Herr Stracke,
vor kurzem gab es auf der internationalen Bühne einige bedenkliche Entwicklungen - der Konflikt im Nahen Osten weitete sich aus, Israel hat den Iran angegriffen. Wie die meisten Völkerrechtsexpert:innen klarstellen, war dies ein Völkerrechtsbruch, kein legaler Präventivschlag.
Der Iran befand sich zu dem Zeitpunkt in Verhandlungen über ein Atomabkommen mit den USA und ist im Gegensatz zu Israel Unterzeichner d. internationalen Atomwaffensperrvertrags.
Dennoch wurde in der Politik der Komplexität der Situation nicht entsprechend Rechnung getragen wurde. Friedrich Merz z.B. hat es dargestellt, als verteidige Israel mit einem (WEITEREN!) Völkerrechtsbruch unsere Freiheit.
Wie stehen sie zu diesem Angriff und den Äußerungen d. Kanzlers? Welche Glaubwürdigkeit hat Europa noch, wenn es sich auf Völkerrecht beruft, aber in entscheidenden Momenten ignoriert?
Würden Sie eine Verhaftung des israelischen Ministerpräsidenten auf deutschem Boden unterstützten?

Sehr geehrter Herr B.,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Der Nahe Osten stellt einen seit vielen Jahrzehnten bestehenden Unruheherd dar. Auch der Konflikt zwischen Israel und dem Iran reicht bis in die 1980er Jahre zurück. War die Auseinandersetzung bisher durch heimliche Angriffe und sogenannte Stellvertreterkriege gekennzeichnet, kam es in diesem Jahr erstmals zu einer direkten Konfrontation.
Am 13. Juni hat Israel einen Großangriff auf den Iran gestartet. Das Land sieht seine Existenz durch das fortgeschrittene iranische Atom- und Raketenprogramm massiv bedroht. Zwar beteuerte die iranische Führung stets, dass sein Atomprogramm nur zivilen Zwecken diene. Allerdings spricht viel dafür anzunehmen, dass der Iran eine Atombombe, sollte er sie entwickeln, auch gegen Israel einsetzen würde. Denn die politische Führung des Iran selbst hat die Vernichtung Israels zum staatspolitischen Ziel erklärt. Zudem unterstützt Teheran schon seit Jahrzehnten Terrorgruppen wie die Hisbollah oder die Hamas, die ebenfalls auf eine Vernichtung Israels zielen. Insofern erweist sich der Iran als ein massiv destabilisierender Faktor in einer ohnehin extrem spannungsgeladenen Region.
Hinsichtlich der Frage, wie weit fortgeschritten das iranische Atomprogramm zum Zeitpunkt des israelischen Angriffs war, kann man sagen, dass der Iran in den vergangenen Jahren atomar deutlich aufgerüstet hat. Ausweislich eines Berichts der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEA) verfügt Teheran über Uran mit einem Anreicherungsgrad von 60 Prozent. Für Atomwaffen erforderlich sind 90 Prozent. Laut Experten ist eine entsprechende Anreicherung schnell machbar.
Vor diesem Hintergrund teile ich die Einschätzung, dass das iranische Atomprogramm eine Bedrohung für das Existenzrecht Israels darstellt. Ich halte es daher für nachvollziehbar, gegen dieses vorzugehen - für die Sicherheit Israels, aber auch, darüber hinaus, für die Sicherheit Europas. Hinsichtlich der Frage, ob der Angriff Israels auf den Iran gegen Völkerrecht verstößt, fehlen nach meinem Dafürhalten zum gegenwärtigen Zeitpunkt bestimmte Informationen, die notwendig wären, um eine solche völkerrechtliche Einordnung abschließend vornehmen zu können.
Mit besten Grüßen
Stephan Stracke, MdB